«Bei Ereignissen mit mehr als 25 Schwerverletzten haben wir in der Schweiz ein Problem.» Das sagt Mathias Zürcher, leitender Arzt für Rettungs- und Katastrophenmedizin am Universitätsspital Basel, gegenüber der «SonntagsZeitung».
Die Kapazitäten, um die Verletzten bei einem Katastrophenereignis zu versorgen, seien zwar grundsätzlich vorhanden, allerdings nicht in allen Bereichen ausreichend – und vor allem fehlt der Überblick, moniert Zürcher. Er ist Teil einer Gruppe von Ärzten, welche vor den aktuellen Gegebenheiten in Katastrophenfällen warnen.
Ein verheerendes Erdbeben ist im Grunde auch in der Schweiz möglich. Laut einer Risikoanalyse des Bundes kann es einmal alle 1000 Jahre zu einem solchen Naturereignis kommen, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Dabei müsste mit bis zu 1500 Toten und 5000 Schwerverletzten gerechnet werden – durchaus besorgniserregend, wenn bereits bei 25 Schwerverletzten auf einen Schlag Engpässe drohen.
Gründe für diese finden sich mehrere: der bekannte Personalmangel einerseits, andererseits aber auch die Knappheit der finanziellen Ressourcen. Laut Zürcher wird deshalb auf die Vorsorge für Extremereignisse teilweise verzichtet. Katastrophen mit möglichen chemischen, biologischen oder radioaktiven Folgen – dafür werde nicht genügend Geld in die Hand genommen, alles, was über die Aufrechterhaltung des Normalbetriebs gehe, werde vernachlässigt. So zum Beispiel bei der Koordination im Katastrophenfall. Einen national organisierten Sanitätsdienst gibt es nicht.
Martin Oberholzer-Riss, emeritierter Professor für Pathologie an der Universität Basel und ebenfalls Teil der Gruppe der besorgten Ärzte, moniert eine falsche Prioritätensetzung: «Die Schweiz beschafft lieber neue Kampfflugzeuge und schweres Kriegsmaterial für Bodentruppen, als dass sie die sicherheitspolitisch relevante Koordination des Sanitätsdienstes glaubwürdig und kompetent an die Hand nimmt», sagt er gegenüber der «SonntagsZeitung».
Eine Anfrage der Zeitung beim zuständigen Bundesamt BABS (Bundesamt für Bevölkerungsschutz) kann die Zweifel an der Funktionalität des Systems im Katastrophenfall kaum entkräften – die Antwort klingt mehr nach «hoffen, dass nichts passiert und die Verantwortung abschieben». Das BABS verweist nämlich darauf, dass die Zusammenarbeit mit den Partnern – also jener des Bundes mit den Kantonen und anderen Rettungsorganisationen – funktioniere.
Eine Einschätzung, wie gut die Schweiz bei einem Katastrophenereignis mit 25 Schwerverletzten tatsächlich gerüstet wäre, will das BABS aber nicht abgeben und verweist stattdessen auf die Kantone. Diese seien beim Gesundheitswesen in der Verantwortung, der Bund würde nur «unter Umständen eine koordinierende Rolle einnehmen». (con)