Müssen wir uns auf vier weitere Jahre mit Donald Trump einstellen? Den Impeachment-Prozess im Senat wird er problemlos überstehen. Für ihn spricht auch die exzellente Verfassung der US-Wirtschaft. Sie verhalf schon Bill Clinton 1996 zur komfortablen Wiederwahl, trotz einer von Skandalen und schweren Niederlagen geprägten ersten Amtszeit. Eine offene Frage ist: Wie entwickelt sich der Iran-Konflikt nach der Tötung von General Soleimani?
Prognose: Trumps Chancen sind besser, als viele wahrhaben wollen. Aber er hat deutlich mehr Gegner als Anhänger. Zu beachten sind auch externe Faktoren, etwa eine unerwartete Abschwächung der Wirtschaft. Im Juni ist ausserdem ein erstes Urteil des Obersten Gerichtshofs mit seiner rechten Mehrheit zum Reizthema Abtreibung fällig. Falls er den Schwangerschaftsabbruch einschränkt, könnte dies zu einem Backlash der Frauen auch gegen Trump führen.
Am 3. Februar beginnt in Iowa der Vorwahl-Zirkus der Demokraten, an dessen Ende feststehen wird, wer Donald Trump genau neun Monate später herausfordern kann. Aus dem immer noch grossen Bewerberfeld ragt bislang niemand heraus. Davon will der ehemalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg profitieren, der seine späte Kandidatur mit sehr viel Geld pusht.
Prognose: Sie können es schaffen, müssen jedoch eine Persönlichkeit nominieren, die weniger «verbraucht» und durch Skandale belastet ist als Hillary Clinton. Das spricht gegen Ex-Vizepräsident Joe Biden, der in den nationalen Umfragen vorne liegt. Und sie müssen einen besseren Wahlkampf führen als 2016, als sie Donald Trump – wie so viele – sträflich unterschätzten.
Am 9. Februar wird über die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» abgestimmt, die in den Umfragen stark abschneidet. Im Mai folgt die Begrenzungs- oder Kündigungsinitiative der SVP. Ebenfalls 2020 könnten die Konzernverantwortungs- und die Transparenz-Initiative zur Abstimmung gelangen. Auch die zweite Abstimmung über die Heiratsstrafen-Initiative der CVP wäre im Prinzip fällig.
Prognose: Die Wohnbau-Initiative wird in den Städten angenommen, dürfte aber zumindest am Ständemehr scheitern. Kaum Chancen hat die SVP-Initiative. Ähnliches ist bei der Konzernverantwortung (Gegenvorschlag vorbehalten) zu erwarten. Die Wirtschaft wird eine massive Kampagne dagegen führen. Gewisse Chancen hat die Transparenz-Initiative. Fraglich ist, ob die CVP an ihrer wegen der Ehedefinition umstrittenen Heiratsstrafen-Initiative festhalten will.
Gegen einige Beschlüsse des Parlaments sind Referenden angekündigt oder eingereicht worden. Zum Auftakt wird im Februar über die Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm auf die Diskriminierung von Homo- und Bisexuellen abgestimmt. Folgen werden das Jagdgesetz (mit Lockerung des Wolfsschutzes), die E-ID, die Erhöhung des Kinderabzugs in der direkten Bundessteuer, die neuen Kampfjets und womöglich das CO2-Gesetz. Scheitern dürfte das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub.
Prognose: Die Anti-Rassismus-Strafnorm wird klar angenommen. Beim Jagdgesetz ist ein Graben zwischen Stadt und Land absehbar, mit Vorteil für Erstere, weil kein Ständemehr nötig ist. Ein enges Rennen ist bei der E-ID zu erwarten. Schlecht sind hingegen die Chancen der SP beim Kinderabzug, und die Kampfjets werden dank Sympathieträgerin Viola Amherd durchkommen.
Das ausgehandelte Rahmenabkommen mit der EU ist seit mehr als einem Jahr blockiert. Der Bundesrat will die Abstimmung über die SVP-Begrenzungsinitiative am 17. Mai abwarten. Die neue EU-Kommission sandte zuletzt Signale der Entspannung. Sie dürften taktisch bedingt sein. Die EU will vor der heiklen Zuwanderungs-Abstimmung nicht als Spielverderberin auftreten.
Prognose: Ist die SVP-Initiative vom Tisch, könnte es beim Rahmenabkommen vorwärts gehen. Entscheidend ist, ob die Sozialpartner sich auf innenpolitische Massnahmen zum Lohnschutz einigen. Gelingt dies nicht, dürfte der Bundesrat weiter auf Zeit spielen. Aus Brüssel dürfte dann wieder ein schärferer Wind wehen. Der grösste Druck kommt dabei nicht von der Kommission, sondern von den Mitgliedsstaaten.
Premierminister Boris Johnson wird nach seinem klaren Wahlsieg den Austritt aus der EU am 31. Januar vollziehen. Danach beginnen die Verhandlungen über das künftige Verhältnis. Die Frist läuft bis Ende 2020. Johnson hat eine Verlängerung ausgeschlossen. Gleichzeitig werden die Nationalisten in Schottland auf einem neuen Unabhängigkeits-Referendum bestehen.
Prognose: Ein Freihandelsabkommen bis Ende Jahr ist illusorisch, doch einen «harten» Bruch mit der EU wird Johnson kaum riskieren. Der Ausweg könnte in einer Art Zwischenabkommen bestehen, basierend auf dem ausgehandelten Austrittsvertrag. Die Verhandlungen werden danach wohl noch lange weiter gehen. Damit kann der Premier auch die Schotten hinhalten.
Eine wichtige nationale Wahl ist 2020 in Europa nicht traktandiert. Allerdings dürften die Kommunalwahlen in Frankreich zu einem Stimmungstest für Präsident Emmanuel Macron werden. Spanien wird eine halbwegs stabile Mitte-links-Regierung bekommen. Eher wackelig sind die Bündnisse in Deutschland und Italien. In beiden Ländern sind vorgezogene Neuwahlen möglich.
Prognose: Die Berliner Koalition wird sich trotz den linkeren Tönen des neuen SPD-Führungsduos weiter durchwursteln, auch weil Deutschland in der zweiten Jahreshälfte den EU-Ratsvorsitz übernimmt. Die italienische Regierung wird sich ebenfalls zusammenraufen. Das wichtigste Motiv ist in beiden Ländern die Angst der Parteien vor einer Abstrafung durch die Wählerschaft.
China wird stärker denn je im Fokus sein. Ein hartes Durchgreifen Pekings in Hongkong bleibt unwahrscheinlich, auch wenn die Proteste weitergehen sollten. Eine gewisse, wenn auch vorab kosmetische Lockerung könnte es im Umgang mit den Uiguren geben. Die Pläne für eine umfassende Überwachung ihrer Bürger wird die Regierung hingegen konsequent vorantreiben.
2019 war zudem ein Jahr mit Protesten rund um den Erdball. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen, vor allem im Nahen und Mittleren Osten sowie in Lateinamerika? Wie entwickelt sich die fragile Lage in der Golfregion? Wird Nordkoreas Diktator Kim Jong Un mangels Fortschritten im Dialog mit den USA verstärkt mit dem Säbel rasseln? Langweilig wird es auch 2020 definitiv nicht.