Die Türkei will ungeachtet der schweren Krise im Land binnen sechs Jahren Mitglied der Europäischen Union werden. «Die türkische Regierung will der EU vor dem Jahr 2023 beitreten, sagte der türkische EU-Botschafter Selim Yenel der Zeitung »Welt" vom Freitag.
Es wäre «die Krönung für mein Land», wenn es im Jahr 2023 zum hundertsten Gründungstag der Türkischen Republik Mitglied der Union werden könnte, sagte der Yenel. Sein Land ziele dabei auf eine «vollwertige Mitgliedschaft» ab, sagte der Brüsseler Diplomat.
«Für uns wäre es langfristig nicht akzeptabel, nicht zur EU zu gehören. Der EU-Beitritt ist sehr wichtig für uns.» Eine EU-Mitgliedschaft würde nach Einschätzung Yenels die Standards in der Türkei in «allen Bereichen» erhöhen - in politischen und wirtschaftlichen Fragen, aber auch im Verbraucher- und Gesundheitsschutz.
Mit Blick auf die geplante Visaliberalisierung forderte Yenel Garantien von Seiten der EU: «Wir haben grosse Zweifel, dass die EU die Visumpflicht für Türken wirklich aufheben wird, wenn wir alle dazu notwendigen 72 Bedingungen erfüllt haben», sagte er. «Wir müssen sicher sein können, dass alle EU-Institutionen einem visumfreien Reiseverkehr für türkische Bürger am Ende auch zustimmen.» Eine visumfreie Einreise für Türken ab Oktober sei immer noch möglich, sie müsse aber in jedem Fall noch in diesem Jahr kommen.
Aufruf zu Besuch
Der Visa-Streit hat Auswirkungen auf den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei. Das im März geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurücknimmt, deren Asylantrag in Griechenland abgelehnt worden ist.
Im Gegenzug wurde der Türkei eine Aufhebung des Visazwangs in Aussicht gestellt. Die Voraussetzungen dafür sehen viele EU-Politiker wegen der repressiven Reaktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf den Putschversuch nicht als gegeben. Ankara droht, das Abkommen platzen zu lassen, wenn der Visazwang nicht fällt.
Auch die Aussichten auf Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen werden von vielen EU-Politikern als gering eingeschätzt - unter anderem wegen der von der türkischen Regierung erwogenen Wiedereinführung der Todesstrafe.
Yenel forderte nach dem gescheiterten Putschversuch europäische Spitzenpolitiker auf, unverzüglich nach Ankara zu reisen. «Sie würden damit die Demokratie in der Türkei unterstützen und zeigen, dass sie verstanden haben, dass die Demokratie bewahrt wurde», sagte er. (sda/afp/dpa)