Es gibt in Basel derzeit drei Lager: Die, die sich darüber empören, dass man einen Vereinsnamen wie Negro-Rhygass oder Mohrekopf überhaupt als rassistisch empfinden kann. Die, die sich darüber empören, dass die Empörten nicht einsehen können, dass hier eine Rassismus-Debatte stattzufinden habe. Und die politisch Moderaten, die zwischen diesem Durcheinander an gemachten Meinungen einigermassen zu vermitteln versuchen.
Wenn heute Abend der spontan eingerichtete Solidaritätsmarsch zugunsten der zwei angeprangerten Guggenmusiken stattfindet, sind die Meinungen schon gemacht. Linke und soziale Vereinigungen laufen Sturm, eine Journalistin verdrehte die Aussage ins Gegenteil und meinte bereits, dass es sich um eine Demo für Rassismus handle. Und überhaupt, wie können es konservative Fasnachtstraditionalisten überhaupt wagen, sich eines Instrument mutmasslich progressiver Sozialaktivisten zu behändigen, um eine derart kontroverse Sache zu vertreten?
So weit sind wir also, dass es unter dem Banner der Meinungsfreiheit eine Pro-Rassismus-Demo in Basel geben soll. https://t.co/m4KcH5NV7V
— Andrea Fopp (@afopp) 16. August 2018
Besonders fasnachtsaffine Kreise vermuteten – oder hofften –, dass es sich um eine sauglatte Sujet-Idee eines Vereins auf Kosten der anderen Vereine handle. Oder dass die Guggen sogar selber dahinterstecken könnten. Aus Sujetgründen. Oder weil eine Namensänderung auf anderem Weg intern nie durchkommen würde.
Derweil die Organisatoren des Soli-Marsches für die Guggen alle Hände damit zu tun haben, ihre Facebook-Veranstaltung nicht ausser Kontrolle geraten zu lassen. Denn innert kürzester Zeit haben sich über 1600 Facebook-Nutzer dafür angemeldet, die Debatte im Forum der Veranstaltung drohte zu einem Sammelsurium an wüsten oder bemüht lustigen Empörungsbekundungen zu verkommen. Die Situation ist aufgeladen. Wie viele Menschen effektiv erscheinen werden, wenn es um 20 Uhr beim De Wette-Park vor dem Bahnhof losgeht, ist kaum einzuschätzen.
Ernst ist es den Veranstaltern auf jeden Fall. Da nützen auch Tweets und offene Briefe an Basel nichts. Der Marsch wurde von den Behörden bewilligt, es wird zu einer Kundgebung kommen. Mit Fasnacht oder einer Rassismus-Debatte hat das wenig gemein. Es hat auch mit der Angst vor Traditionsverlust zu tun. Einer Tradition, die sich in einer mittlerweile gesellschaftlich viel zu kontroversen Position befindet, als dass sie ignoriert werden könnte.
Es ist aber auch, und das mag so manchen Gesellschaftskritiker nun verstimmen, wie wenn über guten und schlechten Humor gestritten wird. Ist ein Judenwitz nur zulässig oder gar lustig, wenn ihn ein Jude erzählt? Wenn einen das gönnerhafte Schaudern überkommt, Zeuge einer tief ironischen Äusserung einer Minderheit über sich selbst geworden zu sein?
Die Situation ist aufgeladen, die Debatte jetzt schon übersäuert. Doch sollte nach dem Sturm alles beim Alten bleiben – wovon auszugehen ist –, so bleibt zumindest der Hauch einer Sensibilisierung übrig. Dafür, dass das Thema Rassismus die Fasnacht eiskalt an einem heissen Sommertag erwischt hat.
Auch wenn der Fasnächtler am Schluss damit umgeht, wie er mit allem umgeht: Indem er mit heiligem Ernst keinerlei Autorität ernst nimmt. Erst recht nicht, wenn sie dies dazu hin namens der politischen Korrektheit tut. Und Namen angreift, die bei der Gründung vielleicht mal zum fasnächtlich-sauglatten Anecken gemeint waren, aber in der Basler Szene mittlerweile zu identitätsstiftenden Marken geworden sind. Jetzt, Jahrzehnte später, haben sie dieses Anecken mehr erfüllt, als ihnen lieb sein mag. (bzbasel.ch)