Als FBI-Direktor James Comey entlassen wurde, lautete die offizielle Begründung, das sei auf Anraten des stellvertretenden Justizministers Rod Rosenstein geschehen. Tags darauf widersprach Donald Trump in einem TV-Interview dieser Version und betonte, er allein habe das entschieden.
Als die «Washington Post» enthüllte, der Präsident habe in einem Gespräch im Oval Office mit dem russischen Aussenminister streng geheime Dinge preisgegeben, dementierte dies sein Sicherheitsberater H. R. McMaster umgehend. Tags darauf bestätigte der Präsident den Vorfall in einem Tweet und brüstete sich gleichzeitig damit, es sei sein gutes Recht gewesen.
Ob Vize-Präsident oder Sicherheitsberater, ob Stabschef oder Pressesprecher – alle werden von Trump in der Öffentlichkeit gnadenlos vorgeführt. «Haut ab, solange ihr noch könnt», werden die Mitglieder des Trump-Teams von der «New York Times» deshalb aufgefordert.
Das Blatt berichtet auch von einem verheerenden Chaos im West Wing, dem Teil des Weissen Hauses, in dem das Trump-Team arbeitet. Wird Pressesprecher Sean Spicer gefeuert? Oder Stabschef Reince Priebus? Hat sich Trump sogar mit seinem Schwiegersohn Jared Kushner überworfen? «Der Appetit des Präsidenten auf Chaos, gepaart mit seiner Verachtung für die Konventionen der Präsidentschaft, hinterlässt sein Team verwirrt und ratlos», berichtet die «New York Times».
Das Chaos lässt sich mittlerweile nicht mehr damit erklären, dass Trump halt Trump sei und als Aussenseiter bewusst die Verwaltung aufmische. Praktisch täglich passieren so genannte «Das kann man gar nicht erfinden»-Ereignisse, die nicht nur den Ruf des Präsidenten, sondern den Ruf der Weltmacht USA in Frage stellen.
Trump rühmt sich gerne damit, dass er Businessman und kein Politiker sei. Doch als CEO eines Unternehmens wäre er inzwischen gefeuert worden. Angesichts der Ereignisse in den letzten Wochen hätte der Verwaltungsrat einer imaginären USA Inc. «gar keine andere Wahl gehabt, als Trump zu entlassen, um den Ruf des Unternehmens zu retten», wie John Cassidy im «New Yorker» feststellt.
Anders als Richard Nixon oder Bill Clinton, die beide bewusst gelogen haben, ist Trump dazu gar nicht in der Lage. Trump kann nicht anders als Geheimnisse ausplaudern, idiotische Tweets zu verschicken und sein Team blosszustellen. Er ist ein Kindskopf, der die Folgen seines Handelns nicht abschätzen kann. «Ein Kind kann nicht Präsident sein», stellt Ross Douthat in der «New York Times» fest. «Ich liebe meine Kinder; aber den nuklearen Code würde ich ihnen nicht anvertrauen.»
Ein Entlassungsverfahren, ein so genanntes Impeachment, wie es gegen Nixon und Clinton eingeleitet wurde, ist daher für Trump ungeeignet. In der US-Verfassung gibt es jedoch eine andere Möglichkeit, den Präsidenten loszuwerden, das 25th Amendment. Darin heisst es, der Amtsinhaber sei vom Kongress mit einer Zwei-Drittels-Mehrheit zu entlassen, wenn er «nicht mehr in der Lage sei, den Pflichten seines Amtes nachzukommen».
Das 25th Amendment wurde 1967 nach der Ermordung von John F. Kennedy eingeführt. Damals erkannte man, dass der Präsident selbst dann im Amt geblieben wäre, wenn er nie mehr das Bewusstsein erlangt, jedoch überlebt hätte. Als Ronald Reagan erste Anzeichen von Alzheimer zeigte, wurde die Anwendung des 25th Amendment in Erwägung gezogen.
Dass dies auch bei Trump der Fall sein könnte, ist nicht mehr auszuschliessen. Bisher haben sich die Republikaner – mit ein paar wenigen Ausnahmen – sklavisch hinter ihren Präsidenten gestellt. Doch die Unterstützung beginnt zu bröckeln. Trump ist immer weniger in der Lage, seine Wahlversprechen – Obamacare abzuschaffen, die Steuern zu senken – umzusetzen. Zudem wird er immer mehr eine Last für seine Parteimitglieder für die 2018 anstehenden Zwischenwahlen.
Auch die Business-Gemeinde erwacht allmählich aus ihrer Trump-Euphorie. Das «Wall Street Journal», das sich bisher bedingungslos hinter ihn gestellt hat, schreibt nach den neuesten Eskapaden: «Millionen von Amerikanern haben Trumps Schwächen erkannt, aber sich entschieden, er sei ein Risiko, das sich lohne einzugehen. Sie gingen davon aus, oder haben zumindest gehofft, dass er im Amt wachsen werde. Sollte er dies nicht können, dann verrät er diese Hoffnung und seine Präsidentschaft versinkt vor ihren Augen.»