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Verhaftete Aargauer Grossmutter nach der Entführung ihrer Enkelin: «Anna reagierte mit wahnsinniger Angst, mit Weinen und Schreien»

Verhaftete Aargauer Grossmutter nach der Entführung ihrer Enkelin: «Anna reagierte mit wahnsinniger Angst, mit Weinen und Schreien»

Die Aargauer Grossmutter Martina Hess, die mit ihrer Enkelin (9) in Südfrankreich untergetaucht war, erzählt im Skype-Interview, wie die Verhaftung ablief. Wo sich ihre Enkelin befindet, weiss sie nicht. Ihre Tat bereue sie nicht – aber sie finde sie auch nicht gut.
26.05.2015, 16:5826.05.2015, 19:58
Till Burgherr, Mario Fuchs
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung
Martina Hess Im Skype-Interview am Montagabend.
Martina Hess Im Skype-Interview am Montagabend.screenshot

Frau Hess, wie geht es Ihnen?
Danke, mir geht es gut. Das ist aber auch nicht wichtig. Wichtig ist, wie es Anna* geht. 

Wie geht es ihr?
Sie wurde von mir getrennt, als ich verhaftet wurde. Seither weiss ich nicht mehr, wo sie ist. Und so weit ich informiert bin, weiss auch mein Sohn nicht, wo sie ist. 

Wie wurden Sie von der Polizei gefunden?
Ich weiss nicht, wieso sie uns gefunden haben. Aber sie haben uns verhaftet – allerdings sehr freundlich, das muss ich sagen – und haben mich dann sofort vom Kind getrennt. 

Wie lief die Verhaftung ab? Wurden Sie in Handschellen gelegt?
Nein. Es kamen sechs Polizisten. Wir hatten geplant, dass wir uns – wenn wir gefunden werden – sofort und kampflos ergeben. In zwei Polizeiautos wurden wir in den nächsten Provinzhauptort gebracht. Dort wurde das Verfahren begonnen, wie es läuft, wenn man in Untersuchungshaft kommt. 

Wie ging es danach weiter?
Ich wurde in Gefangenschaft gesetzt und nach zwei Tagen dem Staatsanwalt vorgeführt. Er verfügte, dass ich in Frankreich bleiben und mich jeden zweiten Tag bei der Polizei melden müsse, dafür aber privat wohnen dürfe. 

Wie hat Anna auf die Verhaftung reagiert?
Mit wahnsinniger Angst, mit Weinen und Schreien. Danach wirkte sie depressiv, weil sie dachte, sie werde jetzt sofort nach Mexiko ausgeschafft, was ja ihr grosser Albtraum ist. Danach beruhigte sie sich aber im Verlauf der Fahrt. Die Polizisten haben sie sehr freundlich behandelt. Sie haben einfach ihre Pflicht getan. 

Wissen Sie, was mit Anna nach der Verhaftung passierte?
Ich habe gehört, dass sie hier in Frankreich in ein Kinderheim und später in die Schweiz gebracht wurde. Das habe ich aber nur gehört, wissen tu ich nichts mehr. 

Wie stehen Sie im Nachhinein zu Ihrer Tat? Bereuen Sie sie?
Weder bereue ich sie, noch finde ich sie gut. Ich habe es notwendig gefunden und finde es weiterhin notwendig, und stehe voll dazu, inklusive sämtlicher Konsequenzen. 

Was sind das für Konsequenzen?
Ich bin keine Juristin. Ich kann nur im Strafgesetzbuch nachlesen, welche Strafen auf Entführung stehen. Allerdings war das für mich keine Entführung, sondern mein gutes Recht als Mensch und als Christin und als Grossmutter, dieses Kind in Sicherheit zu bringen. Wenn die Behörden das anders einstufen, kann das eine längere Gefängnisstrafe zur Folge haben. 

Das würden Sie in Kauf nehmen?
Selbstverständlich. Ich wusste von Anfang an, dass ich das riskiere. Ich habe weder überstürzt noch in Unkenntnis der Sachlage gehandelt. Sondern nur wegen der Notwendigkeit. Wörtlich: Not wenden. 

Jetzt auf

Machen Sie sich Sorgen um Ihre Enkelin?
Ich mache mir grosse Sorgen um sie. Ich kann mit meinem bescheidenen Rechtsverständnis nicht verstehen, wie man ein Kind von meinem Sohn fernhalten kann, ohne ihn überhaupt zu informieren, ohne ihn es besuchen zu lassen. Ich befürchte auch, dass die Mutter unbeschränkten Zugang hat. 

Wie geht es für Sie jetzt weiter?
Was mich selbst angeht, habe ich keine Angst und keine Bedenken. Ich muss hier warten, bis ein Gericht zusammentritt. Es wird entscheiden, ob ich an die Schweiz ausgeliefert werde oder ob man mich freilässt. Ich nehme an, das wird mindestens zehn Tage dauern, wahrscheinlich eher länger. Mein Ziel ist, möglichst schnell in die Schweiz zurückzukehren, wo meine Familie ist. 

Haben Sie derzeit Kontakt zu Ihrer Familie?
Mit meinem Sohn habe ich via Skype regelmässig Kontakt. Mit meiner Mutter, die 87 ist und sich grosse Sorgen macht, habe ich via Telefon Kontakt. 

 * Name geändert

Das Interview wurde geführt in Zusammenarbeit mit Tele M1.

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