Bundesstrafgericht: Mutmasslicher IS-Unterstützer streitet Vorwürfe ab

Bundesstrafgericht: Mutmasslicher IS-Unterstützer streitet Vorwürfe ab

14.07.2016, 13:08

Ein schweizerisch-libanesischer Doppelbürger, der sich am Bundesstrafgericht in Bellinzona wegen des Vorwurfs verantworten muss, er habe sich dem Islamischen Staat (IS) anschliessen wollen, streitet dies ab.

Der Mann äusserte aber zugleich Sympathien für den Märtyrertod. Von klein auf habe er als Märtyrer sterben wollen, sagte der Angeklagte am Donnerstag vor Gericht - er relativierte jedoch zugleich, dass er auch zum Märtyrer werden könne, in dem er anderen Menschen helfe und dann irgendwann eines natürlichen Todes sterbe. Allah alleine entscheide, ob er ein Märtyrer werde oder nicht, so der Beschuldigte.

In den Vorfragen drehte sich am Donnerstag alles um die Kindheit und das Umfeld des Angeklagten: In Winterthur aufgewachsen, absolvierte er eine Anlehre als Lackierer und arbeitete danach als Hilfskraft in verschiedenen Branchen.

Enthauptungsbilder verbreitet

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, dass der damals 25-Jährige im April 2015 von Zürich-Kloten nach Istanbul reisen wollte, «mit dem Ziel, sich dem 'Islamischen Staat' anzuschliessen und als Märtyrer zu sterben». Seiner Mutter soll er gesagt haben, dass er nach Deutschland fahre, um einen kranken Freund zu besuchen.

Vor dem geplanten Flug in die Türkei soll der junge Mann ebenfalls Bilder, welche die «grausame Gewalttätigkeit» gegen einen Menschen eindringlich darstellen, über den Messaging-Dienst Telegram verbreitet haben - vor Gericht sagte der Angeklagte, dass er diese Fotos erst in der späteren Befragung zum ersten Mal gesehen habe.

Zum Zeitpunkt der versuchten Ausreise war seine Lebensgefährtin bereits schwanger - das Kind wurde im November 2015 geboren, wie der Angeklagte am Donnerstag sagte. Auch sie liess er im Unklaren darüber, dass er nach Syrien reisen wollte. In Zukunft wolle er etwas für seinen Sohn aufbauen und für ihn gerade stehen, sagte der Angeklagte.

In der Zeit vor der versuchten Ausreise im April 2015 seien «seine Brüder von der Moschee in Winterthur», seine einzigen Kollegen gewesen. Früher sei er jeden Tag in der Moschee gewesen und habe kaum Zeit für etwas anderes gehabt.

Humanitäre Hilfe geplant

Auf Rückfrage des Richters sagte der Angeklagte, dass er die Schweiz verlassen wollte um zu helfen und dass er niemanden umbringen wollte. Was sein genaues Reiseziel war und wen er hoffte anzutreffen, wollte oder konnte der Angeklagte nicht sagen.

Die Staatsanwältin des Bundes hielt dem Beschuldigten vor, dass er in der Einvernahme immer angegeben habe, nur in die Türkei reisen zu wollen, um dort Ferien zu machen. Eine Auswertung des Suchprofils des Angeklagten im Internet habe ausserdem ergeben, dass er sich intensiv mit dem IS auseinandersetzte.

Einträge zu «humanitären Aktionen» seien dagegen keine gefunden worden, so die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Sie hatte die Anklagebehörde bereits im März 2016 im Prozess gegen vier Iraker vertreten, der mit drei Schuldsprüchen wegen IS-Unterstützung zu Ende ging.

Betreuer im Zeugenstand

Im Zeugenstand stellte ein Vertreter der Kantonspolizei Zürich dem Angeklagten ein gutes Zeugnis aus. Als Beauftragter in der Präventionsabteilung Gewaltschutz habe er seit November 2015 ein enges Verhältnis zum Angeklagten aufgebaut - dieser habe sich immer anständig verhalten und war pünktlich. Mit der richtigen Führung könne er die Schweizer Rechtsordnung respektieren - er räumte zugleich ein, dass der 26-Jährige sich schnell starken Führungspersonen unterordne.

Er zeichnete das Bild von einer Person, die viele Misserfolge im Leben erdulden musste und nicht sehr gebildet sei. Derzeit wohne er wieder bei den Eltern - besondere «Risikofaktoren» wie psychische Auffälligkeiten, vorheriger Schusswaffengebrauch oder Drogenmissbrauch weise der Angeklagte nicht auf.

Der Prozess wird am Nachmittag mit dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft fortgesetzt. (sda)

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