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Du willst nur das Beste? Voilà:
Lieber Reto
Seit wir uns kennen, sind die zwei häufigsten Sätze, die ich von dir gehört habe, dass du der gefährlichste Verteidiger des Zürcher Oberlandes bist, und dass es dein Karriereziel sei, Hausmann zu werden. Immerhin den zweiten Satz begründest du: Du möchtest kein Vater werden, der erst erfährt, dass seine Tochter Reitstunden nimmt, wenn die Rechnung dafür ins Haus flattert. Ausserdem seist du für absolute Gleichberechtigung.
Tiptop. Das unterschreibe ich. Wieso auch nicht Hausmann? Unsere Mütter haben es auch überlebt.
Nun bin ich es seit einem halben Jahr. Ich gehe einkaufen, putze, wasche, koche, erziehe und pule Eichelnüsse aus den Nasenlöchern meiner dreijährigen Tochter.
Meine anfängliche Euphorie ist leider, leider mittlerweile verflogen. Hausmann sein ist die meiste Zeit einfach auch nur ein Job. Und ein verdammt harter dazu. Doch lass uns doch die beiden Alternativen vergleichen:
Na? Überrascht? Wieso ist die Stimmung so schlecht? Und die Belohnung so dürftig? Man darf doch immer mit dem Kind sein und das ist der grösste Lohn, den man im Leben kriegen kann! Und das Kinderlachen erst!
Lass dich nicht von den Phrasendreschern verblenden.
Lieber Reto
Ein weiterer Spruch aus deinem Repertoire lautet: «Nur wer keine Argumente mehr hat, muss schreien.» Ein kluges Sätzchen. Und in einer Welt mit lauter Erwachsenen hat er auch seine Berechtigung.
Doch ein Mensch, der Sand isst, die Tramscheibe ableckt und vor allem «Hello Kitty» trägt, ist für rationale Argumente nicht empfänglich. Ein Kind will – und es will gnadenlos. Zum Ausdruck kommt dies mit rücksichtslosem Geschrei, mit Schlägen und einer fast schon politischen Verweigerungshaltung.
Um in einer solchen Phase überhaupt erst zum Kind vorzudringen, braucht es hin und wieder einen gewissen Lärmpegel. «Hin und wieder» bedeutet in meinem Fall fast jeden Monat jede Woche jeden Tag. Das schlägt auf die Stimmung. So habe ich mir das nicht vorgestellt – ich will mein Kind nicht anschreien. Aber mit gemässigtem Ton habe ich etwa so viel zu melden wie ein Journi bei Ueli «Kei Luscht» Maurer.
Zwischenstand: Sportjournalist 1:0 Hausmann.
Lieber Reto
Du arbeitest mit den watson-Posterboys. Die sind jung, dynamisch, jederzeit gut für einen flotten Spruch – so richtige Tinderwischer. Mit solchen Leuten zu arbeiten, das ist Spiel, Spass und Schokolade in einem.
Wenn du als Hausmann einem Branchenkollegen auf dem Spielplatz begegnest, ist er in der Regel abgekämpft, stumpf und ständig am jammern – so wie ich gerade. Erziehen und Haushalten werden in der Gesellschaft auch heute noch als minderwertige Arbeiten angesehen. Um dieses Bild zu korrigieren, begehen seine Apostel den Fehler, mit Bierernst zur Sache zu gehen. Auf gut Deutsch: Unter Hausmännern hast du etwa so viel Fun wie unter Feministinnen und Veganern.
Was sagte der australische Komiker Jim Jeffries über Leute, die keinen Alkohol trinken? «Wenn du nichts trinkst, sind alle deine Storys Müll und enden mit: ‹... und dann ging ich nach Hause›». Er hätte den Witz auch mit Hausmännern machen können.
Zwischenstand: Sportjournalist 2:0 Hausmann.
Lieber Reto
Journalist bei watson zu sein, ist ein dankbarer Job. Nach getaner Arbeit erfolgt eine prompte Reaktion: Klicks, Kommentare, Shares. Manchmal werden dir die Eier gekrault, manchmal gibt es auf den Deckel – aber immer fair, denn wir haben die besten Kommentarschreiber im deutschsprachigen Raum.
Ausserdem ist ein Artikel eine saubere, abgeschlossene Einheit. Man hat etwas erledigt – und am Ende kriegst du sogar noch Geld aufs Konto.
Hausarbeit und Erziehung ist das pure Gegenteil. Für eine saubere Wohnung kriegst du keine Reaktion geschweige denn Applaus, denn mit der Sauberkeit verhält es sich wie mit der intakten Gesundheit: Wir nehmen sie für selbstverständlich – bis es Probleme gibt.
Ausserdem enden Hausarbeit und Erziehung nie; der reinste Sisyphos. Kaum den Staubsauger versorgt, sieht deine Wohnung schon wieder aus, als hätte die irische Rugbynationalmannschaft darin trainiert. Und Geld? Geld verdienen die anderen ...
P.S.: Kleiner Tip: Wenn du trotzdem nicht auf Lob für deine saubere Wohnung verzichten willst, dann verwende stark riechendes Reinigungsmittel. Sauberkeit wird olfaktorisch wahrgenommen – das wusste bereits Louis XIV. – und deshalb genügt es meist, im Eingangsbereich etwas Zitrusreiniger zu versprühen, bevor die bessere Hälfte nach Hause kommt. Das ist zwar quasi die Wohnung französisch geduscht, Lob wird dir aber sicher sein.
Zwischenstand: Sportjournalist 3:0 Hausmann.
Lieber Reto
Als Journalist ist es dein Job, am Puls der Zeit zu sein. Das nimmt manchmal zwar bizarre Züge an, trotzdem habe ich von Journis noch selten gehört, sie würden die Entschleunigung suchen. Wir sind alles Junkies.
Als Hausmann verpasst du eigentlich immer alles. Die Welt zieht an dir vorbei, die Songs im Radio handeln von Leben, die mit deinem nichts mehr gemeinsam haben. Die Reinigung des Abflusssiebes ist halt auch kein Thema für die Charts. Dafür gibt es deine Story als TV-Serie. Das nennt sich dann «Desperate Housewifes».
Zwischenstand: Sportjournalist 4:0 Hausmann.
Lieber Reto
Hausarbeit ist Routine. Elende Routine. Und während man als Journalist jedem Artikel seine ganz persönliche Note aufdrücken kann, gilt dies zuhause nur fürs Kochen.
Saugen, Einkaufen und das Abflusssieb reinigen geht auch ohne Persönlichkeit. Aber es muss halt erledigt werden. Einkaufen, putzen, einkaufen, putzen, einkaufen, Zitrusreiniger versprühen. Immer und immer wieder.
Zwischenstand: Sportjournalist 5:0 Hausmann.
Lieber Reto
Das grosse Plus der Hausarbeit gegenüber dem Journalismus ist die Selbstbestimmung bei der Nahrungsmitteleinnahme. Statt Fritten, Pasta, Burger und Döner gibt es die viel zitierten fünf Portionen Gemüse und Früchte am Tag. Siehst du: So weit ist es schon gekommen mit mir.
Zwischenstand: Sportjournalist 5:1 Hausmann.
Lieber Reto
In diesem Herbst hat du mit dem Velo jede Gemeinde der Schweiz abgefahren und dabei eine Strecke von Zürich bis nach Peking zurückgelegt. Genau so ist Hausarbeit: anstrengendes aber relativ hirnloses Treten. Du wirst dabei viel Zeit haben, dir Gedanken über Gott und die Welt zu machen – und über Erziehung. Das brauchst du auch, denn Erziehung – oh Erziehung – ist das Herausforderndste, Schwierigste, Frustrierendste und Brutalste, gewählt ausgedrückt: das Krasseste, was ich je in meinem Leben gemacht habe.
Du wirst streng sein müssen, du wirst Härte zeigen müssen, du wirst konsequent sein müssen, obwohl sich alles in dir dagegen sträubt. Natürlich, du kannst auch den lieben Papi machen und alles durchgehen lassen. Aber dann, und das ist keine leere Drohung, dann hast du bald schon einen kleinen Cristiano Ronaldo zuhause. Und der Vergleich bezieht sich nicht auf die fussballerischen Skills (die bei einem Kind, das von deinem Genpool schöpfen darf, ja nur hanebüchen sein können).
Zwischenstand: Sportjournalist 6:1 Hausmann.
Lieber Reto
Wie vorher erwähnt, hast du in diesem Herbst jede Gemeinde der Schweiz abgeradelt. Es war deine Idee. Wie auch 2013, als du am Cape Epic teilgenommen hast. Oder als du einen Sommer lang auf Reisen gingst.
Du, du, du.
Das «Ich» kannst du als Hausmann vorerst einmotten. Dies ist besonders schmerzhaft, weil man während der Routinearbeit im Haus genüsslich einen Plan nach dem anderen schmieden kann, der dann an Zeitmangel scheitert.
Doch ich will nicht nur negativ reden: Als Hausmann findest du Zeit für kleine Ausflüge mit deinem Kind. Die sind super. Ich habe zum Beispiel erst als Hausmann realisiert, dass Tiger tatsächlich gehen können. Ausserhalb der Stosszeiten im Zoo sind die Viecher agil, da vergeht dir Hören und Sehen. Oder du kannst ins Hallenbad gehen und du findest sogar einen Parkplatz! Aber im Vergleich zu deiner Tour dur d'Schwiiz ist das natürlich nichts.
Endstand: Sportjournalist 7:1 Hausmann.
Dieser Brief ist kein Plädoyer für «Frauen an den Herd» und versteh mich nicht falsch: Ich empfinde grössten Respekt für alle Vollzeithausfrauen und -männer. Sie sind, gewählt ausgedrückt, die Krassesten.
Lieber Reto
Viel wichtiger als die absolute Zeit, die man mit einem Kind verbringt, ist deren Qualität. Und weil ich als Hausmann einen Job zu erledigen habe, verbringe ich am Ende nur unwesentlich mehr Qualitätszeit mit meinem Kind als vorher mit 80 Prozent Arbeitspensum.
Mal das Handy weglegen und die Bundesliga-Konferenz ausschalten und sich eine Stunde pro Tag nur dem Kind widmen. Dann erfährst du dann auch, dass es gerne Reitstunden nehmen würde.
Den Selbstversuch kann ich dir trotzdem nur wärmstens empfehlen. Nur schon aus Respekt all den Leuten gegenüber, die jahrelang dafür belächelt wurden.
In dem Sinn: Vergiss das Resultat. Go for it!
Auch die kleine Pause während dem Mittagsschlaf ist nicht zu verachten damit Mann auf dem aktuellen Stand ist.
Es ist auch eine erfahrung die mir im Alter sicher fehlen würde und deshalb kann ich es nur empfehlen.