Ich bin ein Papa-Kind. Man sagt mir auch nach, ich sei «ganz dä Bappe». Meine Mutter ist natürlich auch super. Ihr Herz mindestens so gross wie das Universum. Ihre Bolognese die beste der Welt. Meine Mama hat wirklich alles, was es braucht, um eine liebende Mum zu sein.
Mein Dad ist etwas anders. Er ist badass. Ein Lebemann. Wahnsinnig cool. Töff-Fahrer. Raucher. Konzertgänger. Immer wieder mal Über-die-Stränge-Hauer. Eine seiner besten Charaktereigenschaften ist seine Grosszügigkeit. Und seine unerbittliche Sicherheit, dass man alles kriegen und schaffen kann, wenn man sich genug bemüht.
Mein Dad weiss, wovon er spricht. Die Eroberung meiner Mutter war alles andere als ein Zuckerschlecken. Sie war gerade mal 17, als er sich in sie verknallt. Damals war Papa 19. Sein Ruf im Kaff alles andere als gut. Dad war der Anführer der Bad Boys. Er hatte ein frisiertes Töffli, lange Haare und an jedem Finger mindestens ein Mädel.
Meine Mutter war schüchtern. Und mit ihren 17 Jahren noch nicht wirklich an Jungs interessiert. Schon gar nicht am Dorf-Schreck.
Eines Abends, meine Mutter war mit ihrer grossen Schwester und ein paar Freundinnen auf dem Weg ins Kino, schnitt ihr mein Dad mit seinem frisierten Töffli den Weg ab. Er sagte ihr, dass sie das Frölein sei, das er heiraten wird.
Sie schickte ihn in die Wüste und ging ihres Weges ins Kino.
Nach der Vorstellung stand mein Vater vor dem Kino. In der Hand einen Blumenstrauss, den er zuvor an der Tankstelle geklaut hatte. Das, nachdem er seinen Lehrlingslohn schon für Partys, Bier und Ersatzteile fürs Töffli ausgegeben hatte.
Meine Mutter fühlte sich sehr wohl geschmeichelt. Dennoch wollte sie nichts von ihm wissen. «Er hatte einen riesigen Mund. Und so einen hässlichen Schnauz», sagt sie jeweils lachend, wenn sie über ihn zu dieser Zeit spricht.
Mein Dad blieb dran, begleitete sie und dann alle ihre Freundinnen nach Hause.
Die nächsten Monate schrieb er meiner Mutter Briefe. Er holte sie von der Schule ab, legte ihr Geschenke vor die Haustüre. Er bemühte sich um die Gunst meiner Grosseltern. Und um die ihrer Freundinnen. Mein Dad liess alle Liebschaften, die er damals zelebrierte, fallen und konzentrierte sich nur noch auf meine Mum.
Die ihm notabene über ein Jahr lang die kalte Schulter zeigte.
Es war nicht so, dass sie heimlich nicht ein bisschen auf ihn stand. Sie war einfach skeptisch. Sein Ruf eilte ihm voraus. Sie vertraute ihm einfach nicht. Er liess nicht locker. Er half ihrem Vater auf dem Hof, schleppte die Einkäufe ihrer Mutter. Und er baute dem kleinen Bruder meiner Mutter ein Velo.
Als meine Mutter 19 wurde, durfte sie zum ersten Mal alleine mit Freundinnen ein Wochenende ans Meer. Mein Vater, der damals unter Hausarrest stand, schlich sich Freitagnacht aus dem Haus, um mit dem grossen Töff seines Kumpels meiner Mutter nachzureisen.
Die Aktion brachte ihm riesige Lämpen ein. Was ihm heute noch nicht egaler sein könnte. Der Grund ist meine Mum. Als sie ihn da am Strand sah, konnte sie sich ihren Gefühlen nicht mehr widersetzen. Zum ersten Mal küssten sich die beiden also tatsächlich im Sonnenuntergang in einer einsamen Bucht.*
Heute, bald 40 Jahre später, sind meine Eltern immer noch ineinander verknallt. Kreuzen sich ihre Wege, findet stets eine Interaktion statt: Wenn er ihr nicht gerade an den Hintern fasst, küsst er sie oder umarmt sie oder himmelt sie einfach an. Und sie ihn.
Meine Eltern haben nie aufgehört, auszugehen und zu reisen. Mindestens einmal in der Woche sind sie in ihrem Lieblingsrestaurant, im Kino, im Theater oder sie fahren mit dem Töff irgendwohin zum wandern.
Wie das geht, dass man so lange ineinander verliebt sein kann, fragte ich meine Mutter vor einiger Zeit. «Du darfst nie aufhören, dich von ganzem Herzen für das Gegenüber zu interessieren, zu zuhören und zu reden.» Und ganz wichtig, sagte sie, seien die Berührungen. Sie und Papa haben nie damit aufgehört, sich zur Begrüssung und zum Abschied innig zu küssen und zu umarmen.
Den allerschönsten Liebesbeweis lieferte sie mir vor ein paar Tagen. Und das ganz ohne, dass mein Vater überhaupt dabei war. Sie und ich spazierten durch die Stadt, redeten über die Liebe, als sie nebenbei folgenden Satz sagte: «Weisst du, Schatz, ich würde deinen Vater jederzeit noch einmal heiraten. Das einzige, das ich anders machen würde: Ich würde nicht mehr so lange warten.»
Und das, liebe Kinder, das war die wunderbare Geschichte, how my dad met my mother.
* Wegen dieser Kitsch-Knutscherei nehmen seine Kumpels meinen Dad heute noch hoch.
Vive l'Amour,
Wenn das Gegenüber im Jahr 2019 nicht zurückschreibt (neudeutsch: ghosted"), kommt Emma sinngemäss zum Schluss, es bestünde keine Hoffnung und man solle von dieser Person ablassen, da sie sich ohnehin nicht (nie?) für einen interessiere. ;-)
o tempora, o mores!
Da scheinen dann doch noch ein paar Muttergene durch zu druecken :-p