CVP-Nationalrat Claude Béglé hat sich mit seinen euphemistischen Tweets aus Nordkorea tüchtig in die Nesseln gesetzt. Der Waadtländer Politiker, der seine Ferien in dem abgeschotteten ostasiatischen Land verbringt, zeigte sich begeistert über seinen Besuch in einer Seidenspinnerei. Die Löhne seien zwar niedrig, doch werde alles – Grundnahrungsmittel, Unterkunft, Gesundheit und Bildung – vom Staat zur Verfügung gestellt. «Und es funktioniert um einiges besser, als man es sich hätte vorstellen können.»
Béglés Elogen sorgten für Verwunderung und Kritik. Er reagierte darauf mit dem Hinweis, er bereise Nordkorea mit der Absicht, sich ein eigenes Bild machen zu können. Er könne sich jederzeit frei bewegen. Die Kommunikation sei allerdings nach wie vor schwierig, da er sich noch in Nordkorea befinde, räumte Béglé ein. Nach seiner Rückkehr werde es einfacher sein, ausführlicher Stellung zu nehmen.
Die schönfärberischen Berichte des Nationalrats über «die guten Seiten des Sozialismus» in der letzten verbliebenen stalinistischen Diktatur erinnern an andere Apologeten despotischer Regimes. Ein wenig bekanntes, aber eindrückliches Beispiel dafür ist der wohlwollende Report einer Delegation der Schwedisch-Kambodschanischen Freundschaftsgesellschaft, die 1978 das «Demokratische Kampuchea» der Roten Khmer besuchte.
Der Besuch des schwedischen Quartetts in dem Schlachthaus, in das Pol Pot und seine Funktionäre den südostasiatischen Staat verwandelt hatten, ist ein Lehrbeispiel für die Problematik, die darin steckt, in totalitären Staaten einen persönlichen Augenschein nehmen zu wollen. Und für die Faktenblindheit, die sich aus politischer Voreingenommenheit zwangsläufig ergibt.
Heute ist das Ausmass der Massenmorde während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer kein Geheimnis mehr. Das Foltergefängnis Tuol Sleng in Phnom Penh ist jetzt ein Genozid-Museum. Choeung Ek, eines der Killing Fields, auf denen das Regime Zehntausende hinrichten liess, ist eine Gedenkstätte. Nachdem die Steinzeitkommunisten im April 1975 die Hauptstadt erobert hatten, fielen ihrem Wüten bis Ende 1979 mehr als hunderttausend Männer, Frauen und Kinder direkt zum Opfer. Indirekt, durch Hunger und Krankheiten, waren es vermutlich über zwei Millionen – ein Viertel der Bevölkerung.
Als Gunnar Bergström, Hedvig Ekerwald, Jan Myrdal und Marita Wikander im August 1978 auf dem Flughafen von Phnom Penh landeten, war dieser Genozid der Roten Khmer am eigenen Volk in vollem Gang. Bereits seit zwei Jahren machten Gerüchte über Massenmord und Hungersnot die Runde; Flüchtlinge aus Kambodscha hatten vom Terror der Roten Khmer berichtet. Doch was stimmte? Handelte es sich nicht um CIA-Propaganda?
Die vier schwedischen Links-Intellektuellen trauten den US-Imperialisten alles zu. Und tatsächlich hatten die Amerikaner ja das kleine Land während des Vietnamkriegs in Grund und Boden bombardiert, um die Nachschubwege des Viet Kong zu treffen. Von 1965 bis 1973 warfen US-Flugzeuge 2,7 Millionen Tonnen Bomben über Kambodscha ab, mehr als die Alliierten im gesamten Zweiten Weltkrieg. Nicht zuletzt dieser Bombenterror hatte zum Aufstieg der anfänglich unbedeutenden Roten Khmer beigetragen.
In Schweden war der Protest gegen die amerikanische Kriegsführung besonders stark. Nach dem Fall von Phnom Penh waren es schwedische Diplomaten, die als erste Vertreter eines westlichen Staates dem neuen Regime einen Besuch abstatteten und Entwicklungshilfe anboten. Die schwedische Ministerin für Entwicklungshilfe, Gertrud Sigurdsen, tat die zunehmenden Gerüchte über Massenmorde als «übertriebene Horror-Storys» ab. Innerhalb des linken politischen Spektrums sah man die Roten Khmer als Befreiungsbewegung, die dem US-Imperialismus eine schmerzhafte Niederlage zugefügt hatte.
Und die jetzt eine neue Gesellschaft aufzubauen versuchte – einen maoistischen Agrarkommunismus ohne Geld, ohne Schulen, ohne Krankenhäuser. So konnte der bekannte Schriftsteller Per Olov Enquist die Tatsache, dass die Roten Khmer aus ideologischen Gründen die gesamte Bevölkerung der Millionenstadt Phnom Penh aufs Land deportiert hatten, wie folgt kommentieren: «Das Hurenhaus ist geräumt und das Reinemachen hat begonnen. Darüber können nur Zuhälter traurig sein.»
Auch die vier schwedischen Besucher sahen die nahezu menschenleere Hauptstadt. «Es war wie ein Science-Fiction-Film», sagte Gunnar Bergström später. Zuhause in Schweden hätten die Leute ihn gefragt, ob er nicht schockiert und entsetzt gewesen sei. «Wir mussten den Leuten sagen, dass wir das erwartet hatten», erklärte Bergström. «Wir wussten, dass die Stadt leer war.»
«Es war klar, dass die Roten Khmer uns in gewissen Dingen belogen», sagte Bergström. So hätten sie behauptet, dass die Mönche freiwillig auf den Feldern arbeiten wollten oder dass die sogenannten «neuen Leute» – die ehemaligen Stadtbewohner – keine Zeit hätten, mit ihnen zu sprechen. «Gleichzeitig trafen wir Leute, von denen die westlichen Medien behauptet hatten, sie seien tot – und das beruhigte uns.»
Während der zweiwöchigen, stets von Vertretern des Regimes begleiteten Reise durch Kambodscha sahen die vier Schweden keine Brutalitäten, keine Morde, sie hörten nichts von Hungersnot. Sie sahen, dass Reis für den Export nach China verladen wurde, woraus sie schlossen, dass es keinen Hunger gab. Sie durften sogar mit dem mysteriösen Anführer der Roten Khmer dinieren – Pol Pot, oder «Bruder Nummer eins», wie er von seinen Genossen genannt wurde.
Aber sie durften niemals nachts in einem Dorf bleiben; sie mussten immer in Bungalows oder in einer der entvölkerten Städte übernachten. Sie durften gehen, wohin sie wollten, aber stets musste ein Wächter dabei sein. «Da wir kein Khmer sprachen, konnten wir nur über Dolmetscher mit den Leuten sprechen», stellte Bergström fest. «Das ist einer der Hauptgründe, warum sie es schafften, uns nur das sehen zu lassen, was sie uns sehen lassen wollten.»
Zwischendurch hätten ihn Zweifel befallen, gab Bergström später zu. Doch er war ideologisch genügend gefestigt, um ihnen nicht zu viel Raum zu geben. Und er drängte sie zurück mit dem Argument, dass eine Revolution nie ohne Blutvergiessen abläuft, zumindest am Anfang. Die Umsetzung der kommunistischen Utopie in Kambodscha stand erst am Anfang, dachte er, und sie war notgedrungen unvollkommen und fehlerbehaftet.
Mit zahlreichen Notizen, Fotos und Filmaufnahmen kehrte die schwedische Delegation nach Europa zurück. In Schweden tourten sie durchs Land und warben in Vorträgen und Presseartikeln für das Regime in Kambodscha. Im Frühjahr 1979 erschien ein Reisebericht unter dem Titel «Kampuchea mellan två krig» («Kampuchea zwischen zwei Kriegen»).
Doch bei Bergström kehrten die Zweifel zurück und wurden immer stärker. In Oslo begegnete er Flüchtlingen aus Kambodscha und musste sich eingestehen, dass einige von ihnen sehr glaubwürdig wirkten und keine CIA-Agenten waren. Ein halbes Jahr nachdem er aus Kambodscha zurückgekehrt war, verliess Bergström schliesslich die Schwedisch-Kambodschanische Freundschaftsgesellschaft und schwor öffentlich seiner Unterstützung des Regimes in Kampuchea ab.
«Heute denke ich, dass die ganze Reise Propaganda war und wir sie nie hätten unternehmen dürfen», räumte Bergström ein. «Es ist immer noch ein Rätsel, wie man sich selbst so sehr etwas vormachen kann. Wir wurden von lächelnden Gesichtern getäuscht, aber was uns am meisten täuschte, waren unsere maoistischen Brillengläser.» Er hoffe, sagte Bergström, daraus zu lernen. Zu verstehen, «wie eine pervertierte Ideologie so viele Leute täuschen kann, auch jene, die glauben, sich für eine gute Sache einzusetzen».
Während Bergström sich öffentlich von seinen früheren Positionen distanzierte, blieb Jan Myrdal eisern bei seiner Verteidigung des Pol-Pot-Regimes. Der bekannte Schriftsteller und Publizist, heute 92 Jahre alt, war in den Siebzigerjahren einer der einflussreichsten Intellektuellen der radikalen Linken in Schweden.
Myrdal sieht Pol Pot als «rationale Antwort auf den westlichen Imperialismus» und ist auch heute noch davon überzeugt, dass dessen Regime – hätte es weiter Bestand gehabt – den Kambodschanern eine bessere Zukunft hätte schaffen können. Noch 2006 schrieb er in einem Artikel in der Zeitung «Aftonbladet»: «Ich habe keinen Massenmord gesehen.»
Dem schwedischen Autor Peter Fröberg Idling, der ihn zu seiner Reise nach Kambodscha befragte, beschied er harsch: «Ich sah, was ich sah.» Idling hat in einem bemerkenswerten Buch mit dem Titel «Pol Pots Lächeln» (2013) – eine Art Mix aus Reisereportage, Reflexion und Rechercheprotokoll – die Reise des Quartetts nachgezeichnet und mit den Verhältnissen in Kambodscha abgeglichen.
Die beiden weiblichen Mitglieder der Reisegruppe, Ekerwald und Wikander, bleiben dagegen etwas im Hintergrund. Ekerwald hat laut Bergström ihre Meinung über das Regime der Roten Khmer inzwischen geändert, ohne dies jemals öffentlich zu machen. Wikander zieht es vor, nicht mehr über diese Reise zu sprechen.
Mag sein, dass ihr Schweigen ein Trauma verhüllt. Die Schwedin war mit dem Kambodschaner Huor Someth verheiratet, der als Botschafter in Ost-Berlin amtete. Er wurde im Frühjahr 1977, vor der Reise des Quartetts, in seine Heimat zurückberufen – und dort bald darauf exekutiert. Wikander wusste dies nicht, erkundigte sich aber dennoch bei ihren kambodschanischen Gastgebern nicht nach dem Verbleib ihres Mannes. Ihr Sohn Jesper Huor fand dann Jahrzehnte später den Namen seines Vaters in den Todeslisten von Tuol Sleng.