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Deutscher TV-Sender MDR lädt Neonazi ein und erntet dafür Shitstorm

Das ist Arthur Oesterle.
Das ist Arthur Oesterle.bild: screenshot jfda

Deutscher TV-Sender lädt Neonazi zu Diskussion ein – nun hagelt es Kritik

15.08.2019, 11:3615.08.2019, 12:50
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Was ist passiert?

Vor fast genau einem Jahr löste der Tod eines 34-jährigen Deutschen nach einem Streit mit mehreren Ausländern Proteste in Chemnitz aus. In der Folge kam es zu Grossdemonstrationen, Rücktritten in der Politik und wüsten Szenen auf der Strasse.

Anlässlich des Jahrestags hat der öffentlich-rechtliche Sender MDR eine Dokumentation produziert. Am 22. August soll der Dok-Film Premiere feiern, im Anschluss wird mit den Protagonisten eine Podiumsdiskussion durchgeführt.

Einer dieser Protagonisten ist der Rechtsextreme Arthur Oesterle, der bei den «Pro Chemnitz»-Demonstrationen sogenannter Chefordner war.

Nebst Oesterle sind auch Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD), Margarete Rödel (Grüne Jugend), Prof. Dr. Olfa Kanoun (Technische Universität Chemnitz) und Wolf-Dieter Jacobi (Programmdirektor des MDR) vertreten.

Wer ist Arthur Oesterle?

Er wird zwar offiziell als Vertreter der AfD angekündigt, tatsächlich war er aber bei den Aufmärschen 2018 in der Funktion eines «Pro Chemnitz»-Demonstrations-Ordners dabei. «Pro Chemnitz» organisierte die rechten Trauermärsche mit bis zu 6000 Teilnehmern.

«Pro Chemnitz» gilt als extrem rechts und wird seit 2018 vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet. In einer Neubewertung vom Januar schreibt der Verfassungsschutz:

«Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte für ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen vor, die wesentliche Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekämpfen [...], insbesondere die Garantie der Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, den Gleichheitsgrundsatz, die Gewaltenteilung und das Gewaltmonopol des Staates.»
Deutscher Verfassungsschutz

Als der MDR bekannt gab, dass Oesterle bei der Podiumsdiskussion auf der Bühne sei, hagelte es Kritik. So zum Beispiel vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA):

Aber Oesterle ist eben nicht nur bei der AfD und «Pro Chemnitz», sondern war auch bei Aufmärschen der neonazistischen Partei «Der III. Weg» dabei, wie eine Aufnahme vom 1. Mai 2018 zeigt:

Das Investigativmagazin des Senders «Exakt» schrieb vor einem Jahr: «Er [Arthur Oesterle] unterstützt die AfD und ist beim rechten Verein Heimattreue Niederdorf aktiv.» Dieser wird ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet.

Darf man Rechtsextremen eine Plattform geben?

Ja, meint der MDR und rechtfertigt sich:

«Sowohl die Doku ‹Chemnitz – Stadt in Aufruhr› als auch der neue Film ‹Chemnitz – Ein Jahr danach› begleiten Arthur Österle kritisch und machen seine rechtsextremen Verbindungen transparent. Durch die Preview können alle Teilnehmer einordnen, in welchem politischen Spektrum sich A. Österle bewegt. Dem MDR ist es wichtig, aktuelle Dokumentationen vor der Ausstrahlung mit Veranstaltungen vor Ort zu begleiten. Zu MDR-Previews werden vor allem Protagonisten eingeladen, die die gesamte Bandbreite des Films widerspiegeln, um dem Publikum einen unmittelbaren Eindruck zu vermitteln und den Austausch zu ermöglichen.»

Nein, meint Georg Restle, der Leiter und Moderator des ARD-Politmagazins «Monitor», und widerspricht vehement:

Und er ist nicht allein.

Wie fielen die Reaktionen aus?

«Mir war bei der Zusage an den MDR nicht klar, dass es sich bei Arthur Österle um einen eingefleischten Neonazi handelt. Es sollte ihm keine derartige Bühne durch den MDR geboten werden. Da ich das nicht unterstützen möchte, habe ich meine Teilnahme an der Diskussion abgesagt.»
Margarete Rödel, Grüne Jugend Sachsen

Übrigens: Der MDR hält an seiner Einladung fest, bekräftigte die Pressesprecherin des Senders gegenüber der «Welt».

(jaw)

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Demonstrationen im Chemnitz 1.9.2018
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78 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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aglio e olio
15.08.2019 11:49registriert Juli 2017
"Anlässlich des Jubiläums"
Echt jetzt? Jubiläum? Nicht Jahrestag?
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invisible
15.08.2019 12:10registriert Mai 2019
Scheint ein richtig unangenehmer Mensch zu sein. Würd ich mich auch nicht mit abgeben wollen. Aber wenns ne echte Diskussion werden soll gehört diese Seite nunmal auch dazu. Muss einem nicht gefallen, ist aber so.
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Bruno Wüthrich
15.08.2019 12:15registriert August 2014
Eigentlich ist eine kritische öffentliche Auseinandersetzung auch mit extremen Exponenten eine gute Sache. Aber sie ist nicht frei von Gefahren.

1.) Bereits jetzt stellen wir fest, dass gewisse Ansichten und Haltungen heute sehr nahe an die Normalität heran gerückt sind, die noch vor ein paar Jahren niemand auch nur anzusprechen gewagt hätte.
2.) Eine extreme Ansicht zu haben, ist das Eine. Sie jedoch verkaufen zu können, das Andere. Doch auch Menschen mit extremen Positionen können gute Verkäufer, gute Rhetoriker sein. Wenn solche Leute ein grosses Publikum finden, bleibt einiges hängen.
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