Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass die Geschwindigkeit von Rennpferden seit Jahrzehnten stagniert. Diese Annahme stimmt offenbar nicht, wie eine neue Studie der englischen University of Exeter zeigt.
Die beiden Evolutionsbiologen Patrick Sharman und Alastair Wilson haben britische Rasen-Pferderennen von 1949 bis 2012 untersucht. Zu den erfassten Daten gehörten das Jahr des Rennens, die Geschwindigkeit, die Methode der Zeitmessung, die Distanz, die Strecke, der Zustand des Bodens, die Zahl der Tiere sowie Alter und Geschlecht jedes Pferdes im Rennen. Insgesamt gingen so 616'084 Rennzeiten von 70'388 Tieren in die Studie ein, die im Fachblatt «Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences» veröffentlicht wurde.
Die Untersuchung ergab, dass sich die Geschwindigkeit der Pferde in den vergangenen gut 150 Jahren deutlich gesteigert hat – und zwar vor allem bei Rennen über kurze Distanzen. Eine genauere Analyse der Daten von 1997 bis 2012 lässt zudem darauf schliessen, dass die Steigerung anhält, obwohl die Ausgleichsgewichte, mit denen gute Pferde in speziellen Rennen ausgestattet werden, um die Chancen schwächerer Tiere zu erhöhen, schwerer wurden. Der Zugewinn an Schnelligkeit entfällt dabei hauptsächlich auf Sprinter in kurzen Rennen.
Die Entwicklung ist nicht linear: Sprunghafte Verbesserungen gab es vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts und dann wieder von 1975 bis in die frühen 1990er Jahre. Die erste Geschwindigkeitssteigerung könnte darauf zurückzuführen sein, dass 1897 ein neuer Reitstil eingeführt wurde, bei dem die Jockeys in gekrümmter Haltung und mit kürzeren Steigbügeln reiten.
Eine weitere Verkürzung der Steigbügel in den Siebziger- und Achtzigerjahren könnte das Tempo noch einmal angezogen haben, vermuten die Forscher. Gleichzeitig habe eine verstärkte Kommerzialisierung der Zucht stattgefunden, sodass die grössere Schnelligkeit auch ein Ergebnis genetischer Verbesserung sein könnte.
Dass über mittlere und lange Strecken kaum Geschwindigkeit hinzugewonnen wird, deutet nach Meinung der Autoren darauf hin, dass in diesen Bereichen tatsächlich eine natürliche Grenze erreicht ist. Ebenso sei es aber möglich, dass Züchter Geschwindigkeit vor Ausdauer bevorzugen. «In den vergangenen 30 Jahren herrschte Konsens darüber, dass die Geschwindigkeit von Pferden stagniert», sagt Sharman. Durch die Verwendung einer viel grösseren Datenbasis als bisher habe dies widerlegt werden können.
Generell ist die Datenlage zum Tempo von Rennpferden unübersichtlich, da vor allem die historischen Zeiten umstritten sind. So gilt das 1764 geborene britische Rennpferd Eclipse als schnellstes Pferd der Welt. Der Hengst soll angeblich für die 7190 Meter lange englische Rennstrecke 6 Minuten und 4 Sekunden gebraucht haben, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 71,9 km/h entsprechen würde. (hda/dpa)