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Klima, Waffen, Trump, Euro: Nationalbank steht unter Druck

Thomas Jordan, Direktor der Schweizerischen Nationalbank (SNB), praesentiert die geldpolitischen Entscheide der SNB am Donnerstag, 16. Juni 2016 in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Nationalbank-Präsident Thomas Jordan ist an mehreren Fronten gefordert.Bild: KEYSTONE

Klima, Waffen, Trump, Euro – wo die Nationalbank unter Druck steht

Die Schweizerische Nationalbank ist an mehreren Fronten gefordert. Ihre Anlagepolitik steht in der Kritik, die US-Regierung verdächtigt sie der Währungsmanipulation und der Eurokurs bleibt eine Baustelle.
21.04.2017, 16:2422.04.2017, 12:22
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Es war ein kleines Grüppchen, das sich am Donnerstag vor dem Sitz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Zürich versammelte. Aber es hatte dicke Post dabei, die es zwei SNB-Vertretern überreichte. Mit einem «Klimaschutz-Memento» in Form eines offenen Briefes forderten die Vertreterinnen und Vertreter der Klima-Allianz Schweiz die Nationalbank auf, ihre Anlagestrategie zu überdenken und aus Investitionen in Kohle, Erdöl und Erdgas auszusteigen.

Unterzeichnet wurde das Memento von 135 teilweise illustren Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und NGOs. Der Klima-Allianz gehören 73 Organisationen an, darunter Alliance Sud, Greenpeace oder die Klimaseniorinnen, die im letzten Herbst eine Klage gegen den Bundesrat eingereicht haben, weil er zu wenig gegen den Klimawandel unternehme.

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Kohleabbau in den USA: Die SNB investiert laut Kritikern in klimaschädliche Industrien.Bild: Matthew Brown/AP/KEYSTONE

Nun ist die Nationalbank im Visier, die ihre Devisenreserven auf den internationalen Finanzmärkten anlegt. Eine Studie habe aufgedeckt, dass sie 10,8 Prozent des US-Aktienportfolios in die fossile Industrie investiere, kritisiert die Klima-Allianz. Diese produziere jährlich einen ähnlich hohen CO2-Ausstoss wie die gesamte Schweiz. Die SNB-Anlagepolitik sei «nicht kompatibel mit dem Pariser Klima-Abkommen von 2015», heisst es im Memento.

«Wir verlangen, dass die Nationalbank die Wissenschaft ernst nimmt und nicht wie Donald Trump auf alternative Fakten vertraut.»
Christian Lüthi, Klima-Allianz Schweiz

Für die Nationalbank und ihren Präsidenten Thomas Jordan kommt diese Kritik zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie befinden sich derzeit in verschiedenen Bereichen unter Druck:

Investitionen

Die Anlagepolitik der SNB wird nicht nur als «klimaschädlich» kritisiert. Erst letzte Woche sorgte eine Aktion beim Berner Sitz der Notenbank für Aufsehen. Die 86-jährige Pazifistin Louise Schneider sprayte den Slogan «Geld für Waffen tötet» auf einen Baustellenzaun. Die vermeintliche Sponti-Tat des «Sprayer-Grosis» war genau geplant. Sie diente als «Werbegag» für eine am gleichen Tag lancierte Volksinitiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA).

Sprayen für den Frieden

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Sprayen für den Frieden
Die SNB mit dem Graffiti der 86-jährigen Friedensaktivistin Louise Schneider mit dem Slogan «Geld für Waffen tötet».
quelle: keystone / anthony anex
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Das Volksbegehren will Investitionen in die Rüstungsindustrie verbieten. Neben den Pensionskassen ist auch in diesem Fall die Nationalbank der Hauptadressat. Sie investiert nicht nur in fossile Energien, sondern auch in Waffenhersteller. Die SNB kontert die Kritik mit dem Argument, ihre Anlagen erfolgten «indexbasiert». Ihr Portfolio orientiere sich am Gesamtmarkt.

Die Nationalbank gehe bei der Anlagepolitik «marktschonend» vor, sagte der stellvertretende SNB-Direktor Dewet Moser am Geldmarkt-Apéro Ende März. Die Preise sollten sich «möglichst nicht bewegen», auch wenn grosse Beträge investiert würden. Als Finanzinvestorin verfolge die SNB «keine strategischen Absichten» etwa mit Blick auf bestimmte Unternehmen oder Branchen, sagte Moser.

Dennoch hat die Nationalbank ethische Ausschlusskriterien definiert. Sie investiert nicht in Aktien von Unternehmen, die «international geächtete Waffen produzieren, grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen». Davon betroffen waren ein Hersteller von Streumunition oder ein Bergbaukonzern.

Genau hier setzen die Kritiker an. Der Klimawandel sei gravierend und entspreche damit den Kriterien der Nationalbank, meint Christian Lüthi, Geschäftsführer der Klima-Allianz Schweiz: «Wir verlangen, dass die Nationalbank die Wissenschaft ernst nimmt und nicht wie Donald Trump auf alternative Fakten vertraut.» Am Rande der SNB-Generalversammlung am 28. April in Bern wollen die Klimaschützer diese Forderung mit einer Strassenaktion beim Bundesplatz unterstreichen.

Manipulation

Apropos Trump: Bereits letzte Woche musste die SNB dicke Post in Empfang nehmen, vom US-Finanzministerium in Washington. Es setzte die Schweiz neben China, Japan, Korea, Taiwan und Deutschland auf eine Beobachtungsliste für Währungsmanipulation. In der Kritik stehen insbesondere die Interventionen der Nationalbank zur Schwächung des Schweizer Frankens.

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Donald Trump hat «unfairen» Handelspraktiken den Kampf angesagt.Bild: EPA/BLOOMBERG POOL

Der Bericht enthält Zündstoff, denn die neue Regierung von Präsident Donald Trump hat Handelspraktiken den Kampf angesagt, die sie als «unfair» beurteilt. Die SNB wies die Vorwürfe zurück. «Wenn wir intervenieren, tun wir das nicht, um der Schweiz Vorteile durch eine unterbewertete Währung zu verschaffen», sagte Präsident Thomas Jordan in einem Interview.

Die Formulierungen im neuen Bericht seien «deutlich kompromissloser» ausgefallen als in der ersten Version vom letzten Oktober, der noch von der Regierung Obama stammte, schreibt der «Tages-Anzeiger». Zwar hat Trump beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping seine Tonalität abgeschwächt. Doch der Republikaner und seine Regierung sind unberechenbar.

Eurokurs

Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1.20 Franken sorgte die Nationalbank im Januar 2015 für einen Paukenschlag. Der Kurs des Euro rasselte zeitweise unter die Parität von 1:1. Die vom SNB-Direktorium erhoffte nachhaltige Erholung fand bis heute nicht statt. Der häufig als «Schmerzgrenze» bezeichnete Kurs von 1.10 Franken konnte nur kurzzeitig «geknackt» werden.

Nach dem Brexit und der Trump-Wahl ging es mit dem Euro wieder bergab, seit Monaten verharrt der Kurs bei rund 1.07 Franken. Was die Einkaufstouristen freut, nervt Fremdenverkehr und Exportindustrie. Die Möglichkeiten der Nationalbank sind beschränkt. Die Negativzinsen lassen sich kaum weiter senken. Bleiben nur die verpönten Interventionen am Devisenmarkt, also der Kauf von Euros.

ZUM ERSTEN WAHLGANG DER PRAESIDENTENWAHLEN IN FRANKREICH AM SONNTAG, 23. APRIL 2017, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL DER KANDIDATEN ZUR VERFUEGUNG - From left to right, Conservative president ...
Eine Stichwahl zwischen Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen wäre Gift für den Euro.Bild: AP AFP POOL

Die Devisenreserven der SNB sind per Ende März auf 683,2 Milliarden Franken gestiegen. Bereits im Vormonat gab es einen deutlichen Zuwachs. Ursache für die anhaltende Euro-Schwäche dürfte das «Super-Wahljahr» in Europa sein. Insbesondere die Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntag sorgt für Nervosität. Das Horrorszenario wäre eine Stichwahl zwischen den Populisten Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon, die den «Frexit» anstreben oder zumindest damit liebäugeln.

Für die Schweizerische Nationalbank gibt es in nächster Zeit immerhin einen Lichtblick. Am 10. Mai wird die neue Zwanzigernote vorgestellt und eine Woche später in Umlauf gebracht. Thomas Jordan und Konsorten müssen nur hoffen, dass drei Tage zuvor nicht Marine Le Pen zur Präsidentin gewählt wird. In diesem Fall dürfte der Freudentag einen ziemlich bitteren Beigeschmack bekommen.

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pitsch Matter
21.04.2017 18:40registriert September 2016
Die USA sind der grösste Währungsmanipulator von allen. Sie schwächen den Dollar indem sie die Notenpresse laufen lassen um ihre Ausgaben zu finanzieren und beschuldigen nacher die weltweiten Exportnationen wenn sie ihre Währung auch abschwächen müssen, um ihre Exporte nicht zu benachteiligen.
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dorfne
21.04.2017 17:57registriert Februar 2017
Ich wusste gar nicht, dass die SNB in "schmutzige" Energie und in die Waffenproduktion investiert! Gut, dass das angeprangert wird. Als Alternative böten sich z.B. Kleinstkredite für Kleinunternehmer/Innen in der dritten Welt an, zur Bekämpfung der Fluchtursachen, oder Investitionen in erneuerbare Energien, auch schön wären Investitionen in bezahlbare Wohnungen in den Städten, schliesslich handelt es sich beim Geld der SNB um Volksvermögen. Ist wahrscheinlich alles ein bisschen naiv von mir...
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