Ob vor, während oder nach den Abstimmungen: Wo immer politische Entscheide zu deuten sind, findet Claude Longchamp eine Bühne. Doch der Druck auf den Politologen wächst. Der Bund überprüft derzeit die Zusammenarbeit mit der Vox-Forschungsgemeinschaft, für welche Longchamp die Daten liefert. Der Vertrag läuft Ende Juli aus.
Danach will die Bundeskanzlei die repräsentative Analyse der eidgenössischen Urnengänge erstmals öffentlich ausschreiben, «mit einem detaillierten Pflichtenheft», wie Sprecherin Ursula Eggenberger sagt. Dies berichtet die «NZZ am Sonntag». Offen ist allerdings, ob sich andere Anbieter finden, die den Auftrag übernehmen könnten.
Gleichzeitig steht die Zusammenarbeit mit der SRG auf dem Prüfstand, für die Longchamp jeweils Umfragen liefert. Mit SVP, FDP, CVP, BDP, Grünen und Grünliberalen setzt sich eine breite Front für mehr Wettbewerb bei der Polit-Analyse ein.
Auf eine öffentliche Ausschreibung des Auftrags verzichtete die Bundeskanzlei bisher. Doch gemäss Beschaffungsrecht des Bundes müssen Dienstleistungen ab einem Schwellenwert von 230'000 Franken öffentlich ausgeschrieben werden. Allein letztes Jahr kassierten Longchamp und seine Forschungspartner 411'480 Franken Steuergelder, schreibt die «SonntagsZeitung».
Die Begründung der Bundeskanzlei: Es gebe kein anderer Anbieter, der diese Leistungen erbringen konnte. Dafür erntet sie Kritik. Rudolf Joder, der Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats, kündigt gemäss «SonntagsZeitung» eine Untersuchung an.
Die Bundeskanzlei zahlte der Forschungsgemeinschaft Vox-Analysen, zu der neben Longchamps Firma GFS Bern auch die Universitäten Zürich, Bern und Genf gehören, in den letzten vier Jahren über 1,2 Millionen Franken. Der Bund unterstützt die Vox-Analysen seit 1987 und wurde 2008 zum Hauptfinanzierer. Verträge gelten in der Regel für vier Jahre. (rey)