Wie riesig das Migros-Imperium ist, wird einem spätestens beim Blick auf den Geschäftsbericht des Unternehmens klar. Zum Kerngeschäft des genossenschaftlichen Lebensmittelhandels gesellt sich der Detailhandel mit den vielen Fachmärkten (etwa melectronics, SportXX, Do It+Garden oder Micasa) und der Gastronomie, die Sparte Handel mit Migrolino, Denner, Exlibris und dem Onlinehandel, die M-Industrie mit über 20 Produktionsbetrieben (etwa Micarna, Midor und Chocolat Frey), die Hotelplan Group, die Migros Bank sowie das Gesundheitssegment mit der Medbase-Gruppe, Zahnarztpraxen und fast 140 Fitnessanlagen.
Dank dieses breiten Portfolios ist die gesamte Migros-Gruppe im vergangenen Jahr gut durch die Coronakrise gekommen. Sehr gut sogar. «Trotz schmerzhafter Auswirkungen der Pandemie sind wir im Coronajahr gewachsen und erwirtschafteten mit fast 30 Milliarden Franken den höchsten Umsatz der Unternehmensgeschichte», sagte Fabrice Zumbrunnen, Chef des Migros-Genossenschaftsbundes (MGB), an der virtuellen Bilanzmedienkonferenz vom Hochhaus am Zürcher Limmatplatz aus (Zahlen siehe Box und Tabelle).
Am meisten interessiert dann aber doch das Kerngeschäft mit dem Lebensmittelhandel, das schliesslich etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Im Coronajahr wuchs dieses besonders stark: Aufgrund geschlossener Restaurants und Homeoffice stieg der Umsatz der Super- und Verbrauchermärkte um 7.4 Prozent auf 12.455 Milliarden Franken. Im Vergleich zu den eher sinkenden Umsatzzahlen in Vorjahren dürfte dies am Limmatplatz für Jubel gesorgt haben. «Der konsequente Fokus auf das Kerngeschäft zeigte Wirkung», freute sich Zumbrunnen an der Konferenz.
Bei genauerem Hinsehen hätte es jedoch noch besser laufen können. Konkurrentin Coop gelang unter den gleichen Umständen ein deutlich grösseres Wachstum: Im Lebensmittelhandel stieg ihr Umsatz um 14.33 auf 11.95 Milliarden Franken – und damit doppelt so stark. Im Kerngeschäft ist Coop der langjährigen Marktführerin also dicht auf den Fersen. Auch andere Detailhändler konnten im Vergleich zur Migros stärker zulegen: Spar steigerte den Umsatz um 12.4 Prozent, Volg sogar um 16.1 Prozent. Die Discounter Aldi Suisse und Lidl machten auf Anfrage keine Angaben.
Was läuft bei der Migros falsch? Die Antwort ist in der Struktur des Filialnetzes zu suchen. Im Vergleich zu anderen Detailhändlern führt sie tendenziell grössere Läden, die sich zudem häufig in Bahnhöfen, Flughäfen, Einkaufszentren oder Industriegebieten befinden. Seit der Coronapandemie ist jedoch genau das Gegenteil gefragt: Kleine Läden in der Nähe oder sogar im eigenen Quartier.
Migros-Chef Zumbrunnen ist sich dieses Nachteils sehr wohl bewusst, betonte aber, dass die Migros unter dem Strich keine Marktanteile verloren habe. Zusammen mit Denner (+15.7 Prozent) und Migrolino (+20.8 Prozent) habe sich die Migros im herausfordernden Marktumfeld behaupten können. Dennoch räumte der Migros-Chef ein: «Der Trend hin zu mehr Nähe ist schon seit Jahren ersichtlich. 90 Prozent unserer Expansionspläne haben deshalb mit kleineren und mittleren Formaten zu tun.» Auch Shop-in-Shop-Formate in grossen Supermärkten würden laufend geprüft.
Des Weiteren verwies Zumbrunnen darauf, dass die Migros im vergangenen Jahr die Preise von 1000 der beliebtesten Produkten dauerhaft gesenkt habe. Nicht zuletzt habe auch dies den Umsatz leicht gedrückt. Auf die Frage, ob weitere Preise purzeln würden, antwortete er:
Dazu gehören demnach auch die tendenziell teureren Bio-Produkte, vegane Produkte und Fleischersatz-Produkte, die bei Konsumentinnen und Konsumenten immer beliebter werden. Laut Zumbrunnen wurden noch nie so viele nachhaltige Produkte gekauft – der Umsatz mit biologischen Lebensmitteln stieg beispielsweise um 15.6 Prozent auf 1.213 Milliarden Franken.
Die Migros werde weiterhin in dieses Segment investieren, sagte Zumbrunnen. Seit letztem Sommer gebe es unter der Eigenmarke V-Love etwa bereits vegetarische Burger und andere pflanzenbasierte Produkte zu kaufen. Produziert werden diese vom Migros-Industriebetrieb Micarna. Wenn möglich, werde die Migros die Rohstoffe für die veganen Produkte von Schweizer Bauern beziehen, versicherte Zumbrunnen. Je nach Rezeptur sei es aber nicht immer möglich. (bzbasel.ch)