Die Geschichte könnte der Feder von Ian Fleming entsprungen sein. Nur ein James Bond fehlt bis jetzt noch. Sonst ist alles dabei: Bösewichte, Waffenhandel und ein hoher Politiker, der behauptet, man wolle ihn umbringen. Aber der Reihe nach. Als die italienische Polizei Anfang Woche stolz vor einer Luft-Luft-Rakete posierte, die sie in einem Hangar in der Lombardei sichergestellt hatte, ging es nicht lange und der italienische Innenminister Matteo Salvini meldete sich zu Wort.
Die Rakete sei für ihn gedacht gewesen, eine ukrainische Gruppierung trachte ihm nach dem Leben. Und weiter: Er habe der Polizei persönlich den Hinweis mit der Rakete gegeben und sei froh, dass er mit dem Hinweis helfen konnte.
Diese Aussage darf jedoch angezweifelt werden, zumal die «Digos», die zuständige Einheit der italienischen Polizei, bei den Ermittlungen keine Beweise für ein geplantes Attentat auf Salvini fanden. Dies schreibt der «Tages-Anzeiger».
Fakt ist, dass rechtsextreme Italiener, die verdächtigt werden, in der Ostukraine auf Seite pro-russischer Rebellen gekämpft zu haben, in den Waffenfund verwickelt sind. Und dass Fabio Del Bergiolo (60), ehemaliger Zollbeamter und bekennender Nationalsozialist, versucht hat, die Luft-Luft-Rakete über WhatsApp zu verkaufen. Del Bergiolo wurde verhaftet. Und mit ihm die zwei Betreiber des Hangars, in dem die Rakete gefunden wurde.
Besonders brisant: Einer der beiden Hangar-Betreiber ist der 42-jährige Schweizer Alessandro M. Zusammen mit seinem Geschäftspartner repariert und vermarktet er in besagtem Hangar Kleinflugzeuge. Eine Firma, die laut Recherchen der WOZ so auch in der Schweiz existiert. So weit, so gut. Jedoch soll Alessandro M. von 2010 bis 2013 für den Schweizer Rüstungskonzern Ruag tätig gewesen sein. Die Firma bestätigt auf Anfrage der WOZ, «dass eine Person mit diesem Namen» bei ihnen gearbeitet habe.
Nun stellt sich die Frage: Hat das ehemalige Arbeitsverhältnis mit der Ruag etwas mit der gefundenen Rakete zu tun? Zumal die Rakete aus dem Golfstaat Katar stammt, einem Kunden der Ruag, so die WOZ weiter. Es ist – und bleibt vorerst – ein gefährliches Indizien-Raten, da sowohl die Ruag wie auch alle von der WOZ angefragten Behörden – Bundesanwaltschaft, Fedpol, Nachrichtendienst des Bundes (NDB) – keine weiteren Auskünfte geben. Zurzeit führe man in dieser Sache kein Strafverfahren und sei in Kontakt mit den zuständigen, italienischen Behörden, so die Bundesanwaltschaft zur Zeitung.
Nun wird ermittelt, woher die Rakete stammt. Wie die italienische Zeitung «La Repubblica» schreibt, soll ein weiterer Verdächtiger aus dem Umfeld von Del Bergiolo aufgetaucht sein. Ein Mann aus Bologna, den Del Bergiolo auf einer internationalen Messe in Nürnberg getroffen haben soll. Der geheimnisvolle Unbekannte soll laut Ermittlungen der «Digos» dafür verantwortlich sein, den Kontakt zwischen Del Bergiolo und den Kämpfern im Donbass-Gebiet herzustellen. Anscheinend sollte die Rakete in diese Region geliefert werden.
Dies wurde jedoch an der offiziellen Pressekonferenz zum Fall dementiert. Der Turiner Quästor Giuseppe De Matteis sagte, es gebe keine Verbindungen zwischen den beteiligten Personen und den Kämpfern rechtsextremer Milizen in der Ukraine. So steht's auf dem italienischen Onlineportal Open. Die Vernehmung von Fabio Del Bergiolo soll heute Donnerstag beginnen und Klarheit in die Affäre bringen. Während seine Mutter, bei der er sein ganzes Leben gewohnt hat, völlig aus dem Häuschen ist. «Mein Sohn hat mir nichts gesagt, ich weiss nicht, was ich mit dieser Rakete machen soll», so die «mamma» zur italienischen Zeitung «La Stampa». Immerhin hat sie genug Zeit gehabt, ihren Sohn auf das Gefängnis vorzubereiten. War sie doch früher Gefängniswärterin. (dac)