Es soll in Sevilla tatsächlich Menschen geben, die nichts dagegen haben, wenn eine Ampel vor ihrer Nase von Grün auf Rot schaltet. Die Fans des FC Sevilla mögen die Klubfarbe Rot nämlich über alles, können jedoch das Grün des Stadtrivalen Betis nicht ausstehen. Was selbstverständlich auch umgekehrt gilt, wie vor ein paar Jahren der deutsche Betis-Spieler David Odonkor erfuhr. Als dieser mit roten Schuhen trainieren wollte, wurde ihm rasch klargemacht, dass dies bei Betis ein No-Go ist.
Zurzeit allerdings ist die Hierarchie in der andalusischen Hauptstadt in Stein gemeisselt, mit dem FC Sevilla als klarer Nummer 1. Zwar ist Betis seit dieser Saison wieder in der ersten Liga vertreten, liegt aber zehn Runden vor Schluss elf Punkte hinter dem Fútbol Club zurück. Dieser belegt in der Tabelle den ansprechenden fünften Rang, hat aber gleichwohl zwei grosse Probleme: Acht Zähler Rückstand auf den von Villarreal belegten Champions-League-Platz und eine bizarre Auswärtsschwäche.
Als einzige Mannschaft überhaupt ist Sevilla auf fremdem Terrain sieglos. «Es ist seltsam, dass wir noch kein einziges Auswärtsspiel gewonnen haben. Wir versuchen alles, aber es will einfach nicht gelingen», sagte Verteidiger Sergio Escudero nach dem 1:1 am Samstag in Getafe. Weil er mit seiner Mannschaft auch auf internationaler Ebene, zuerst in der Champions League gegen Juventus, Manchester City und Mönchengladbach, dann in den Sechzehntelfinals der Europa League in Molde, alle vier Partien auf fremdem Terrain verloren hat, gibt der FC Sevilla im europäischen Fussball derzeit die grössten Rätsel auf. 18-mal gereist, 18-mal ohne Sieg heimgekommen – da ist es eher ein schwacher Trost, dass man sich auswärts wenigstens in der Copa del Rey schadlos hielt und am 22. Mai im Final gegen den FC Barcelona antritt.
Weit wichtiger aber wäre es aus Sicht der «Sevillanos», sie dürften den Termin vier Tage zuvor wahrnehmen, um im St.Jakob-Park als erster Klub den Hattrick als Europa-League-Sieger zu schaffen. 2014 hatten sie im Final mit Captain Ivan Rakitic Benfica Lissabon geschlagen und die UEFA-Prämie von 14.6 Millionen Euro eingesackt, im vergangenen Jahr Dnipro Dnipropetrowsk bezwungen und dafür 19.14 Millionen Euro kassiert. «Natürlich, wir wollen diesen Wettbewerb erneut gewinnen», sagt Escudero, «doch vor allem sollten wir jetzt zuerst einmal in Basel siegen.»
Aber selbst wenn es nur zu einem Unentschieden reichen würde und der Fluch der Erfolglosigkeit in der Fremde nicht besiegt werden könnte, dürfen sich die Andalusier gute Chancen auf den Aufstieg in die Viertelfinals ausrechnen. Im Estadio Sanchez-Pizjuan nämlich sind sie eine Macht und haben in dieser Saison von dort schon Real Madrid, Barcelona und Juventus geschlagen heimgeschickt.
Gewiss spielt eine Rolle, dass sie hier von 45'000 Anhängern nach vorne getrieben werden, andrerseits ist jedoch nur schwer nachvollziehbar, weshalb auswärts die Schnelligkeit von Offensivspielern wie Vitolo und Kevin Gameiro nur selten zum Tragen kommt. Unter diesen Voraussetzungen ist es für den im achtzehnten Rang des UEFA-Rankings klassierten FC Basel fast zwingend, im Heimspiel von morgen gegen den Neunzehnten ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Zu erwarten ist ein Duell auf Augenhöhe. Auch wenn Sevilla kraft seiner vier Titel in diesem Wettbewerb (2006 und 2007 UEFA Cup; 2014 und 2015 Europa League) als Rekordsieger die Favoritenrolle gehört. Die Verantwortlichen des Vereins um den schlauen Sportdirektor Ramon Rodriguez Verdejo, genannt «Monchi», sind in den letzten Jahren immer wieder mit klugen Transfers aufgefallen und erinnern damit an Klubs wie Basel und den FC Porto. So haben im vergangenen Sommer die Verkäufe von Carlos Bacca zu Milan und Aleix Vidal zu Barcelona 47 Millionen Euro in die Kassen gespült.
«Monchi» schafft es zusammen mit dem Trainer Unai Emery immer wieder, starke Spieler zu günstigen Bedingungen nach Sevilla zu holen, um sie dann mit einem satten Gewinn zu verkaufen. 2011 war «Monchi» der Coup gelungen war, Rakitic für 2.5 Millionen Euro von Schalke abzulösen, um den früheren Basler dreieinhalb Jahre später für 18 Millionen an Barcelona abzugeben. Auch mit Evgen Konoplyanka, ablösefrei von Dnipropetrowsk gekommen, könnte im Sommer ein gutes Geschäft winken. Tottenham Hotspur soll den Ukrainer umwerben.
Trainer Emery steht in Basel auf jeden Fall ein starkes Kader zur Verfügung mit dem guten argentinischen Regisseur Ever Banega, dem baskischen Stürmer Fernando Llorente und den Franzosen Benoit Trémoulinas, Adil Rami, Steven N’Zonzi sowie Kevin Gameiro. Letzterer hat in 39 Pflichtspielen schon 19 Tore geschossen. Simple Quizfrage: Wie viele davon auswärts? Richtig: 1.