Schweiz
Review

SRF-Arena zu Trinkwasser-Initiative-Abstimmung

Erfrischender Fight: In der Trinkwasser-«Arena» geht es hoch zu und her.
Erfrischender Fight: In der Trinkwasser-«Arena» geht es hoch zu und her. bild: printscreen srf
Review

Trinkwasser-Profi duscht Parmelin kalt ab: «Unserem Wasser geht es wirklich schlecht»

Unser Wasser besser schützen – das will die Trinkwasser-Initiative. Führt sie zum Ziel oder ist sie gar kontraproduktiv? In der Abstimmungs-«Arena» liefern sich der Bundespräsident und Co. einen erfrischenden Fight. Eine Person sticht besonders heraus.
08.05.2021, 06:2208.05.2021, 06:35
Mehr «Schweiz»

Zu viele Pestizide, zu viel Gülle: 80 Prozent unseres Trinkwassers ist belastet. Bei der Abstimmung vom 13. Juni 2021 sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Laut der ersten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern vom Freitag liegen die Befürworter der Trinkwasser-Initiative mit 54 Prozent vorne. Wer ist schon gegen sauberes Wasser? Die Frage ist einfach, der Sachverhalt äusserst komplex.

«Wir zerstören mit Steuergeldern die Biodiversität. Da läuft etwas gewaltig schief.»
Franziska Herren

Dementsprechend liefern sich die Protagonisten in der Arena einen harten Schlagabtausch. Franziska Herren, Initiantin der Trinkwasser-Initiative: «Derzeit zerstören wir mit Steuergeldern unserer Biodiversität. Im Wasserschloss Europas müssen wegen Pestiziden Wasserquellen geschlossen werden. Da läuft etwas gewaltig schief», sagt der «Bauernschreck der Nation», wie sie SRF-Moderator Sandro Brotz betitelt.

Video: watson

Das Volksbegehren will das Wasser schützen, würde den Bauernstand aber so richtig durchschütteln. Denn die Vorlage «für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» fordert nicht weniger als ein massives Umdenken in der Landwirtschaft. Und setzt bei den Direktzahlungen an, die pro Jahr 2,8 Milliarden Franken betragen.

  • Bio, Bio, Bio! Sie verlangt, dass nur noch jene Bäuerinnen und Bauern Subventionen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden, systematisch verabreichte Antibiotika und zugekauftes Futter verzichten. Mit Vorschriften zur Fütterung will das Volksbegehren erreichen, dass Betriebe nicht mehr so viele Tiere halten und so weniger Gülle anfällt und damit nicht in die Böden versickert.

So belastet ist das Grundwasser

Besonders in den Messtationen im Mittelland ist das Grundwasser belastet (rote/orange Punkte).
Besonders in den Messtationen im Mittelland ist das Grundwasser belastet (rote/orange Punkte).bild: Screenshot srf

Belastetes Wasser hin oder her, kann ein Anliegen ökologisch sein, das mit «Bio Suisse» selbst die führende Bio-Organisation der Schweiz deutlich ablehnt? «Die Trinkwasser-Initiative ist ein Eigentor für die Umwelt. Damit zerstören sie die Struktur unserer Landwirtschaft. Die Folge sind weniger Lebensmittel, wir werden noch abhängiger vom Ausland.» Auch der Einkaufstourismus werde gefördert, sagt Bundespräsident und Ex-Weinbauer Guy Parmelin (SVP).

Parmelin vs. Trinkwasser-Profi

Video: watson

Trinkwasser-Experte Roman Wiget attackiert – mit einem schelmischen Lächeln auf dem Gesicht – den Bundesrat. «Wissen Sie, wer die grössten Einkaufstouristen sind? Die Bauern!», sagt er Richtung Parmelin. Viele Landwirte hätten aber inzwischen verstanden, dass es grossen Handlungsbedarf beim Gewässerschutz gebe. «Denn unserem Trinkwasser geht es wirklich schlecht», so der Berner.

Herren fügt an: Sichere Ernährung basiere auf hoher Biodiversität. Zudem werde wegen Foodwaste beispielsweise 30 Prozent des Rindfleisches weggeworfen. «Wenn wir die Verschwendung reduzieren, müssen wir wenig oder gar nicht importieren», so die Parteilose.

Angst vor Bio-Preiszerfall

Biobäuerinnen fürchten sich vor einem Preiszerfall, wenn mehr Landwirte auf Bio umsteigen. Markus Ritter (Die Mitte), Präsident des schweizerischen Bauernverbandes, ist seit 38 Jahren Bio-Imker – und kämpft mit vollem Einsatz gegen die Initiative. «Die Schweiz hat bereits das strengste Pestizidgesetz Europas. Wir sind im internationalen Vergleich hervorragend unterwegs», so der Ostschweizer.

Da explodiert der Trinkwasser-Profi Roman Wiget erneut: Sicher sei unser Wasser besser als in Indien oder Bangladesh. «Das Schönreden und Verharmlosen regt mich extrem auf. In Anbetracht, dass wir so nahe an den Wasserquellen sind, ist die Wasserqualität himmeltraurig», sagt der Vertreter der Interessensgemeinschaft «4aqua». Dem Trinkwasser gehe es wirklich schlecht. Das Nitratproblem etwa sei sei 30 Jahren ungelöst.

Video: watson
«Der Boden ist unser höchstes Gut. Wir haben kein Interesse, die Natur kaputtuzumachen.»
Gabi Schürch, Bio-Bäuerin

Es ist ein erfrischendes Pingpong der Argumente, das sich in dieser Ausgabe der Arena abspielt. Gabi Schürch führt in Bütikofen BE einen Bio-Betrieb und kämpft ebenfalls gegen die Initiative. «Wir haben kein Interesse, die Natur kaputtzumachen. Der Boden ist unser höchstes Gut. Kein Landwirt setzt aus purer Freude Pestizide ein», sagt die Vizepräsidentin des Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband SBLV. Aber ohne Pestizide sei nun mal jeder zweite Apfel von Würmern befallen. Die Trinkwasserinitiative führe nicht zum Ziel, die Auswirkungen wären sogar nachteilig für die Umwelt.

«Die Natur ist unser bester Mitarbeiter. Wir müssen in der Landwirtschaft weg vom Chemie- rein ins Biozeitalter.»
Roland Lenz, Bio-Weinbauer

Ganz anders tönt es von Bio-Weinbauer Roland Lenz. Er erreicht laut eigenen Angaben ohne jeglichen Einsatz von Chemie eine «wunderbare» Traubenqualität. Pro Quadratmeter müsse man mindestens 200 Regenwürmer ansiedeln, die für einen fruchtbaren Boden sorgten. «Die Natur ist unser bester Mitarbeiter. Wir müssen in der Landwirtschaft weg vom Chemie- und rein ins Biozeitalter», so der Thurgauer.

Bauern-Präsident Ritter wirft ein, dass bei Annahme der Initiative einfach deutlich mehr Produkte aus dem Ausland importiert würden. Das Problem werde exportiert. «Das führt indirekt zur Abholzung des Regenwaldes. Unser ökologischer Fussabdruck verschlimmert sich.»

Video: watson

Da schüttelt GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser den Kopf. «Ritter erzählt immer wieder Geschichten, die einfach nicht stimmen. Das ist pure Angstmacherei.» Der Rückgang der Nahrungsmittelproduktion betrage nur 3 Prozent. Die Bauernlobby bekämpfe seit Jahren sämtliche Bestrebungen für mehr Umweltschutz. In der Schweiz würden eine Million Menschen pestizidbelastetes Wasser trinken. Das müsse ein Ende haben.

Parmelin verspricht, dass die Pestizid-Regeln so oder so verschärft würden. So hat der Bundesrat Ende April einen Massnahmenplan für sauberes Wasser vorgestellt. Ins Visier nimmt er überschüssigen Dünger. «Das Wasser in der Schweiz ist sauber, so soll es auch bleiben», sagt Parmelin. Noch stehen ihm bis im Juni viele Redeschlachten bevor, damit er der Trinkwasser-Initiative tatsächlich das Wasser abgraben kann.

Wer noch nicht genug hat: Hier gibt es die ganze Sendung im Replay.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Verteilung der Nutztiere in der Schweiz
1 / 9
Verteilung der Nutztiere in der Schweiz
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Tierschützer beanstanden Schweizer Massentierhaltung
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
383 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
winglet55
08.05.2021 03:20registriert März 2016
Wasser ist die einzige natürliche Ressource die wir in der Schweiz haben. Daher müssen wir zum Wasser maximal Sorge tragen. Wer das nicht unterstützt, dem ist nicht zu helfen.
1370148
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hans Guckindieluft
08.05.2021 04:01registriert März 2021
Na ja, die Steuerzahler unterstützen die Landwirtschaft schon seit Jahrzehnten, da ist grundsätzlich auch gut so. Nur stellt eben der Geldgeber auch einmal Forderungen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Sorge zu unserem Wasser zu tragen, weniger Gift einzusetzen, dass man ein qualitativ gutes und gesundes Produkt auf den Teller erhält. Ist das zu viel verlangt? Vermutlich haben viele Bauern noch nicht begriffen, dass sich das Konsumentenbedürfnis ändert.
110096
Melden
Zum Kommentar
avatar
Nicetius
08.05.2021 01:20registriert Dezember 2014
Da kann Parmelin ja nur hoffen, dass nur das Trinkwasser verseucht ist, und nicht auch das Wasser, mir dem er kalt geduscht wurde! 🤣🤣🤣
60190
Melden
Zum Kommentar
383
Schweizer Medianlohn liegt bei 6788 Franken – Geschlechterunterschiede nehmen weiter ab

Im Jahr 2022 belief sich der monatliche Bruttomedianlohn für eine Vollzeitstelle (privater und öffentlicher Sektor zusammen) in der Schweiz auf 6788 Franken pro Monat. Die Hälfte der Bevölkerung verdiente also mehr, die andere Hälfte weniger. Dies geht aus den ersten Ergebnissen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2022 des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.

Zur Story