Anfang Juni feierte Freddy Adu seinen 30. Geburtstag. Ein Anlass, zu dem sich die Medien weltweit eigentlich hätten gegenseitig überbieten müssen. Aber nirgends erschienen zum runden Geburtstag «Freddy Adus 30 schönste Tore». Niemand erstellte die Bildstrecke «Seine grössten Erfolge». Und es erschien auch nirgendwo eine Liste mit seinen besten Sprüchen.
Der einfache Grund: Es gab schlicht keinen Anlass dazu. Denn Freddy Adu ist nie die riesengrosse Nummer geworden, als die er als Teenager verkauft worden war. Erstes Profispiel mit 14 Jahren, erstes Länderspiel mit 16, Millionenvertrag mit Nike, Wechsel zu Benfica mit 18, der Himmel voller Geigen.
Seit über einem halben Jahr ist Adu nun ohne Vertrag. Stattdessen coacht er in Baltimore, unweit der Hauptstadt Washington, Jugendliche. Talente, die ihm nacheifern und auch Fussballprofi werden wollen. Zum ersten Mal seit Jahren sei er glücklich, sagte Adu zu ESPN in seinem ersten Interview nach einer längeren Zeit: «Das ist buchstäblich die Basis. Hier geht es nur um die schönen Aspekte des Spiels.»
Teilzeit-Trainer statt Vollzeit-Fussballer. Doch obwohl er nun 30 Jahre alt ist, glaubt Freddy Adu immer noch an eine Rückkehr. «Ich bin doch immer noch jung. Und ich bin nicht bereit, aufzugeben. Natürlich hat sich nicht alles so entwickelt, wie ich es mir gewünscht hatte. Aber ich liebe diesen Sport zu sehr, um nun einfach aufzuhören.»
Der letzte Klub des 17-fachen Nationalspielers war Las Vegas Lights in der zweitklassigen United Soccer League. Dort schoss er in 14 Einsätzen ein Tor, konnte aber insgesamt nicht überzeugen. Jemand aus dem Umfeld des Teams erzählte gegenüber ESPN: «Die Leute riefen ‹Freddy! Freddy!› Dann sahen sie ihn spielen und niemand rief mehr seinen Namen.»
Sein letzter Trainer in der Glitzer-Metropole, Isidro Sanchez, sagt geradeheraus, mit Adu sei es vorbei. «Er war ein Körper ohne Seele. Ohne Geist, ohne Hunger. Du sahst zwar, dass er lief, aber er war saft- und kraftlos. Er hatte den Gang eines alten Mannes.»
Als die US-Legende Eric Wynalda für die neue Saison in Las Vegas als Trainer anheuerte, sah Adu seine Chance auf einen neuen Vertrag. Doch Wynalda gab sie ihm nicht. «Andere Spieler im Kader erhalten ihre erste oder zweite Chance auf diesem Niveau. Bei Freddy wäre es die vierte oder fünfte gewesen. Deshalb erhalten nun andere die Gelegenheit, sich zu zeigen», erklärt er.
Wynalda, der an der WM 1994 den 1:1-Ausgleich der USA gegen die Schweiz erzielte, ist wie viele andere, wie wohl jeder, enttäuscht über den Werdegang Adus. «Er ist viel besser als das, was wir von ihm kennen. In ihm steckt so viel. Aber wir haben es nie gesehen.»
Nach dem Start in Überschallgeschwindigkeit versandete die Karriere mit den Jahren. Adu spielte mal hier, mal dort und selbst in der vierten finnischen Liga. «Man muss vergessen können», sagt er heute, «sonst tust du dir nur selber weh.» Sein Agent erhalte immer wieder Anfragen, erzählt Adu, der am liebsten in den USA bleiben würde. «Ich habe an einigen fragwürdigen Orten gespielt und ich weiss nicht, ob ich das noch einmal will.»
Es ist wohl keine gewagte Behauptung, festzustellen, dass Adu der frühe Rummel den Kopf verdreht hat. Es wäre nur allzu gut nachvollziehbar. «Jeder sagte ihm bei jeder Gelegenheit, wie grossartig er ist», erinnert sich der 107-fache Nationalspieler Eric Wynalda. Und so habe ich Adu dann auch gesehen, als überragenden Fussballer: «Er sah sich selber als Dreh- und Angelpunkt. Er forderte: ‹Gib mir den Ball und ich mache damit etwas.› ‹Okay, ich hab's versaut, gib ihn nochmals.› ‹Okay, nochmals.› Irgendwann passt du als Mitspieler lieber jemand anderem.»
Der Stürmer selber sagt, er habe den Eindruck, man sehe in ihm immer noch den verwöhnten Jüngling. «Und ich habe mir selbst auch keine Gefallen getan.» Vielleicht, so mutmasst er im Rückblick, hätte er nicht direkt zu einem Klub mit dem Renommee von Benfica Lissabon gehen sollen. «Besser wäre es gewesen, zu einem kleineren Klub zu gehen und dort dafür zu spielen, als beim Grossklub auf der Bank zu sitzen.» Eine Erkenntnis, die leider etwas gar spät kommt.
Nun spielt das einst grösste Versprechen des Weltfussballs gar nicht mehr. Jetzt, da er an der Seitenlinie von Juniorenspielen stehe, erkenne er seine Fehler, stellt er fest. Er wünschte, dass er all seine Trainer anrufen und sich bei ihnen entschuldigen könnte. «Sie sahen, wie viel mehr ich meinem Team hätte geben können, aber ich habe es einfach nicht getan. Und das in meinen Zwanzigern, in der Blüte meiner Karriere», bereut der Angreifer.
Seine Erfahrungen gibt er dem Nachwuchs weiter. Jene, die abzuheben drohen, holt er auf den Boden der Tatsachen zurück. «Es genügt nicht, sich auf dem Talent auszuruhen. Andere überholen dich», sagt er ihnen. «Glaube es mir, genau das ist mir passiert.»
Die neue Rolle als Jugendcoach scheint zu passen. Doch Freddy Adu will es nochmals als Spieler wissen, noch ein Mal. Mit den neuen Erfahrungen soll es ganz anders werden. Diese eine Chance, sofern man sie ihm gibt, will er packen. Es wird dann wirklich seine letzte sein: «So viel ist sicher.»
Ich habe mir trotzdem die Mühe gemacht und soeben ein Video von Adu aus dem 2018 geschaut. Technisch gesehen scheint er in dieser Gurkenliga (2. US-Liga) auf alle fälle mit Links mithalten zu können. Daher verstehe ich die Aussagen von seinem Ex-Trainer schon nicht ganz.