Nachdem der Steinzeit-Islam in Form der Taliban erneut die Macht in Afghanistan übernommen hat, tauchen in den Medien wieder vermehrt Bilder aus vermeintlich glücklicheren Tagen auf: Frauen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren unverschleiert und in Miniröcken über die Strassen Kabuls flanieren. Frauen, die in den Achtzigerjahren an der Universität studieren und mit offenen Haaren durch Parks schlendern.
Diese vergleichsweise liberale Phase endete mit dem Abzug der Roten Armee Anfang 1989. Spätestens ab 1996, als die Taliban nach dem an den sowjetischen Rückzug anschliessenden Bürgerkrieg die Macht übernahmen und ein islamisches Emirat ausriefen, lebten die Frauen in Afghanistan gewissermassen unter Hausarrest. Vollverschleierung, meist in der traditionellen Form der Burka, war nun obligatorisch.
Die repressive Kleiderordnung war freilich nur die deutlich sichtbare Spitze des misogynen Eisbergs. Die Taliban verboten allen Frauen – mit Ausnahmen im Gesundheitswesen – die Erwerbsarbeit. Besonders alleinstehende Frauen waren damit zum Betteln verurteilt. Zudem untersagten die Taliban männlichen Ärzten und Pflegern, Frauen zu behandeln. Und sie schlossen Frauen vom traditionellen Hamam aus, dem öffentlichen Bad – dies in einem Land, in dem nur wenige Zugang zu fliessendem Wasser hatten.
Die Herrschaft der Taliban endete vorerst 2001 nach der militärischen Intervention der Amerikaner. Doch die Situation der Frauen besserte sich unter der Regierung Karzai vornehmlich auf dem Papier – sonst geschah nicht viel. Nach wie vor trugen manche Frauen die Burka, oft aus Angst vor Repressalien.
Die Wirklichkeit, in der afghanische Frauen leben, ist grimmig – und das nicht erst seit der neuerlichen Machtübernahme durch die Taliban. Auch 2011 galt Afghanistan laut einer Umfrage unter Frauenrechts-Expertinnen als das schlimmste Land, in dem eine Frau leben konnte. Damals konnten 87 Prozent der Afghaninnen nicht lesen und schreiben. 70 bis 80 Prozent wurden zwangsverheiratet, manche bevor sie 16 Jahre alt waren.
Es ist anzunehmen, dass die streng patriarchalisch ausgerichtete afghanische Stammesgesellschaft Frauen auch in den liberaleren Zeiten nicht sehr viel Freiraum bot. Neben der mehr oder weniger rigiden Auslegung der Scharia ist es – zumindest bei der dominierenden Ethnie der Paschtunen – auch die Parda (persisch «Vorhang»), also die strenge Abschirmung der Frau, und der uralte archaische Rechtskodex des Paschtunwali, die das Leben der Frauen regeln. Und regeln heisst vor allen Dingen: einschränken.
Für eine schmale städtische Oberschicht aber gab es in der Zeit ab 1964 durchaus so etwas wie eine westliche Lebensweise. Damals verabschiedete die Loya Dschirga (Grosse Ratsversammlung) eine neue Verfassung und führte die konstitutionelle Monarchie ein. König Mohammed Zahir Schah setzte sich für Reformen und die Öffnung des Landes ein. In Kabul, das als «Paris von Zentralasien» galt, war das Strassenbild bunter und freizügiger als in der stark traditionalistisch geprägten Provinz. Selbst Miniröcke waren zu sehen.
Allerdings dürfte bei weitem nicht jeder Minirock in den Strassen Kabuls damals einer Afghanin gehört haben. Ab Ende der Sechzigerjahre wurde die Stadt zu einem wichtigen Knotenpunkt auf dem sogenannten Hippie-Trail von Europa nach Südasien. Jährlich sollen sich etwa 70'000 Hippies auf ihrer Durchreise in Kabul eingefunden haben.
Sie trafen sich auf der Chicken Street und nutzten das Angebot an billigen Drogen wie Haschisch, Opium oder Heroin. Manche von ihnen blieben länger – einige selbst für immer: Eine zunehmende Anzahl von Drogentoten fand ihre letzte Ruhe auf dem britischen Friedhof Kabuls, dem einzigen christlichen Friedhof in Afghanistan. Rund 400 Hotels gab es in Kabul für diese westlichen Touristen, mit denen das Land jedes Jahr etwa zehn Millionen Dollar erwirtschaftete.
Diese Zeiten endeten mit der Saurrevolution 1978, als die kommunistische Partei in einem Staatsstreich die Macht übernahm. Die neuen Machthaber versuchten das Land mit brachialen Mitteln zu modernisieren, was den Widerstand besonders der ländlichen Bevölkerung verstärkte, der sich unter dem Banner des Islam formierte. Ein Jahr später intervenierte die Sowjetunion militärisch, um den Machterhalt der Kommunisten zu gewährleisten. Im Gegenzug rüstete der Westen die islamistischen Mudschaheddin auf.
Seither ist Afghanistan nie mehr zur Ruhe gekommen. Doch die Zeit der sowjetischen Besatzung, die unzweifelhaft zu schrecklichem Blutvergiessen führte – nach Schätzungen könnten bis zu zwei Millionen Zivilisten umgekommen sein –, war zugleich die einzige Zeit, in der Frauen wenigstens in den Städten einigermassen selbstbestimmt leben konnten. Die sowjetische Besatzungszeit ist den meisten Afghanen jedoch insgesamt wohl in derart schlechter Erinnerung, dass sie unmöglich als positives Beispiel dienen kann.
(ihr Freund starb dort an Drogen, meine Mama kam heim und begann ein neues "normaleres" Leben - naja... doch andernfalls würde es mich nicht geben)