Vor fünf Jahren gewann der FC Chelsea die Champions League. Es war der bislang letzte Triumph eines englischen Teams in der Königsklasse – ein bescheidener Leistungsausweis für die Liga, die sich selbstbewusst als die beste der Welt verkauft.
Natürlich kann es nur einen Sieger geben, aussagekräftiger für die Bewertung der Stärke einer Liga ist deshalb ein früheres Stadium des Wettbewerbs. Zum Beispiel die Viertelfinals, welche für die aktuelle Saison seit gestern komplett sind. Das ernüchternde Bild aus englischer Sicht: Nur ein Klub ist noch mit dabei. Das ist zwar immerhin der Meister, aber weil es sich dabei um das Sensationsteam von Leicester City handelt, ist es eine Blamage für die Grossklubs, die ihr Geld mit beiden Händen ausgeben.
Vor dem Start befürchtete man in England noch, dass Leicester den UEFA-Koeffizienten in die Tiefe reissen würde. Aber während die «Foxes» in der Meisterschaft gegen den Abstieg kämpfen, trumpfen sie im Europacup gross auf. Dafür scheiterten Manchester City und Arsenal in den Achtelfinals, Tottenham blieb in der Gruppenphase hängen und die Giganten Manchester United, Liverpool und Chelsea schafften es noch nicht einmal, sich für die Champions League zu qualifizieren.
Und besonders bitter: Diese Saison ist nicht die Ausnahme, nein, sie ist zur Regel geworden. Inklusive der aktuellen Spielzeit stellte England bei den letzten sechs Austragungen insgesamt nur fünf Viertelfinalisten. Zum Vergleich: In den sechs Saisons zuvor waren es satte 17.
Roy Keane, Champions-League-Sieger mit Manchester United, hält die Baisse nicht für einen Zufall. «Die Premier League hat in den letzten Jahren bestimmt an Stärke eingebüsst», sagte er auf ITV. «Die allerbesten Spieler der Welt spielen nicht in England, sondern in Spanien.» Keane nannte namentlich Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Gareth Bale.
Nun kann man einwenden, dass es sich bei den spanischen Vertretern in der Endphase der Champions League fast immer um Real Madrid und Barcelona handelt; dass keine grosse Vielfalt da ist. Aber, und das ist der springende Punkte: Diese Klubs sind da, wenn es zählt. Die englischen Grossklubs sind es nicht. Die Champions League ist die Währung, wenn es darum geht, die Stärke einer Liga mit anderen zu vergleichen.
Die englische Liga mag das meiste Geld haben. Sie mag oft ausgeglichener sein als andere (wobei aktuell Chelsea mit zehn Punkten Vorsprung schon fast als Meister feststeht). Der englische Fussball mag uns mit offensivem, körperbetontem und schnellem Spiel in seinen Bann ziehen. Aber wenn es hart auf hart kommt, wenn es in der Champions League ums Ganze geht: dann können die Vertreter der Premier League offenbar nicht mehr mit den drei Grossen der Branche mithalten. Der Sieg in der Königsklasse geht auch in diesem Jahr über Real Madrid, den FC Barcelona und Bayern München. Oder glaubt jemand daran, dass Leicester City seinem Märchen ein weiteres, unfassbares Kapitel hinzufügen kann?
PS: Manchester United ist als einziges englisches Team immerhin noch in den Achtelfinals der Europa League vertreten. Also in jenem Wettbewerb, dessen Vorgänger UEFA-Cup von Franz Beckenbauer einst als «Cup der Verlierer» verhöhnt wurde.