Gewiss, sie war erleichtert. Aber Triumphieren? Nein, das ist nicht das Ding von Simonetta Sommaruga. Mit 95 zu 94 Stimmen hatte der Nationalrat soeben einer Soft-Quote für Frauen in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen zugestimmt. Nationalrätinnen aus allen Parteien beglückwünschten sich gegenseitig, euphorisiert aber auch etwas ungläubig, auf dem Balkon des Bundeshauses.
SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga analysierte währenddessen im Gespräch nüchtern: «Der Nationalrat hat einen Vernunft-Entscheid gefällt. Er hat überlegt, abgewogen und gemerkt: Ohne einen Anstoss geht es nicht vorwärts.» Denn der Anteil der Frauen in Geschäftsleitungen nehme ab.
Bundesrätin Sommaruga hat eine erfolgreiche Session hinter sich. Frauen sollen besser vor häuslicher Gewalt geschützt werden. Frauen sollen in den Teppichetagen von Unternehmen besser vertreten sein. Frauen sollen gleich viel verdienen wie Männer.
Dass die Geschlechter-Richtwerte und die Massnahmen zur Lohngleichheit eine erste parlamentarische Hürde nahmen, war ein Kraftakt. Beide Projekte wurden von Journalisten und Politikern mehr als einmal für gescheitert erklärt – vor allem nach den letzten Wahlen. Im Herbst 2015 erlangten SVP und FDP eine Mehrheit im Nationalrat. Und im Bundesrat ersetzte SVP-Mann Guy Parmelin BDP-Frau Eveline Widmer-Schlumpf. «Das Ende der Frauenpolitik» konstatierte ein halbes Jahr später nicht nur die «Annabelle».
Kurz zuvor hatte der Nationalrat die Geschlechter-Richtlinien und die Lohngleichheit aus den Legislaturzielen gestrichen. Die rechte Ratsmehrheit liess ihre Muskeln spielen und deutete an, wo sie die Prioritäten setzen will. Der Ständerat sorgte mit einem Veto dafür, dass die Themen auf der Traktandenliste blieben. Und Sommaruga manövrierte sie schliesslich durch den Bundesrat.
Das war keine Selbstverständlichkeit. Als Sommaruga mit der Lohngleichheit im Oktober 2016 im Bundesrat eine Niederlage drohte, zog sie das Geschäft zur Überarbeitung zurück. Eine Woche später stimmte die Regierung zu. Die staatlich verordneten Lohnanalysen blieben – doch der öffentliche Pranger war weg. Bei den Quoten korrigierte der Bundesrat nach der Vernehmlassung nach unten: In Geschäftsleitungen grösserer Unternehmen muss der Frauenanteil statt 30 nur 20 Prozent betragen.
Das Prinzip aber blieb: Comply-or-Explain. Wer die Zielwerte nicht erreicht, muss sich erklären. Sommarugas Frauenpolitik setzt auf Transparenz, die Druck erzeugt. In ihren Augen ein liberaler Ansatz. Für die Gegner ein unnötiger staatlicher Eingriff.
Sommaruga beschreibt ihre Arbeitsmethode so: «In der Politik braucht man einen langen Atem, einen Sinn für das Machbare und die Bereitschaft, sich auf die Argumente der Gegenseite einzulassen.» Als die Frauenquote ins Parlament kam, bot sie Hand zu einer «Sunset-Klausel», weil es «sehr anspruchsvoll ist, in diesem Geschäft Mehrheiten zu finden», wie sie es selber formuliert.
Nach zehn Jahren soll die Gesetzesbestimmung automatisch ausser Kraft treten. Mit diesem Ansatz überzeugte Nationalrätin Christa Markwalder (FDP/BE) zumindest die FDP-Frauen. Bei der Lohngleichheit trug Somma- ruga mit, dass die Pflicht für Lohnkontrollen nur für Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitern gilt – statt 50, wie sie es vorgeschlagen hatte.
Diese Konzessionsbereitschaft trägt der SP-Magistratin vor allem Kritik von links ein: «Kontraproduktive Scheinreform» schrieb die «WoZ» unlängst: «Der Linken bleibt eine leidige Rolle: Sie verteidigt eine Scheinreform, bloss der Symbolik halber, weil das Parlament das Thema sonst ganz begraben wird.»
Maya Graf, Nationalrätin (Grüne/BL) und Co-Präsidentin der Frauendachorganisation Alliance F, hingegen lobt, dass Sommaruga die Projekte trotz schwieriger Konstellation vorantreibt. Im Parlament kann sie auf die Überzeugungsarbeit von Frauen aus allen Parteien zählen. Alliance F ist seit 2015 permanent am Vernetzen und Argumentieren. Bürgerliche Verbündete sind besonders wichtig für die Organisation.
So haben die CVP-Frauen entscheidend dazu beigetragen, dass die Frauen- Geschäfte schliesslich durchgekommen sind. Als ihre männlichen Parteikollegen im Ständerat im März die Massnahmen zur Lohngleichheit in einer ersten Runde zurückgewiesen hatten, war ihr Aufschrei laut. Und deutlich. Selbst CVP-Bundesrätin Doris Leuthard massregelte die CVP-Männer. (aargauerzeitung.ch)