Dürfen Parlamentarierinnen ihre Babys in den Grossen Rat mitnehmen? Die Frage sorgte in Basel für Diskussionen. (Bild: Jubiläumsfeier 50 Jahre Grossrätinnen für Basel-Stadt im Mai 2018) bild: kenneth nars
Ein Baby sorgte für Tumult im Basler Grossen Rat. Ratspräsident Remo Gallacchi verwies Grossrätin Lea Steinle aus dem Saal, weil sie ihr zwei Monate altes Baby dabei hatte. Gallacchi liess sie nach einer kurzen emotionalen Debatte aber wieder herein.
Ratspräsident Remo Gallacchi musste sich einiges anhören: «Schämen Sie sich!» «Unerhört! Das ist Diskriminierung!» Wütende Zwischenrufe ertönten am Mittwochnachmittag im Basler Grossen Rat. Der Grund: Gallacchi hatte zuvor die grüne Grossrätin Lea Steinle aus dem Saal verwiesen, weil sie ihr zweieinhalb Monate altes Kind bei sich hatte.
Grossratspräsident Remo Gallacchi (links) screenshot: grosserrat.bs.ch
«Wir Parlamentarier sind hier im Saal grundsätzlich unter uns», argumentierte Gallacchi, nachdem die aufgebrachte SP-Parlamentarierin Danielle Kaufmann einen Ordnungsantrag gestellt hatte. «Es kann nicht sein, dass ein gewähltes Mitglied aus dem Saal verwiesen wird, weil sie ein Kind dabei hat, das noch gestillt werden muss.» «Wo ziehen wir die Grenze? Dafür gibt es keine Regelung», erklärte Gallacchi, notabene Vertreter der selbsternannten Familienpartei CVP.
Im Grossen Rat sorgte das für tumultartige Szenen. Während rund fünf Minuten wurde die Sitzung unterbrochen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Letztlich hatte Ratspräsident Gallacchi ein Einsehen: «Ich komme auf meinen Entscheid zurück.» Steinle dürfe mit ihrem Kind wieder in den Saal, und das Ratsbüro werde die rechtliche Grundlage abklären.
Für Grossrätin und Mutter Lea Steinle ist das Thema damit noch nicht erledigt: «Ich bin vom Volk gewählt worden», betont sie gegenüber der bz, «dennoch ist mir das Recht verwehrt worden, im Saal abzustimmen.» Das sei diskriminierend. Alle müssten die Möglichkeit haben, im Parlament Einsitz zu nehmen. «Das gilt auch für junge Mütter.»
Andere Länder gehen weit liberaler mit jungen Müttern im Parlamentssaal um. Im vergangenen Sommer sorgte Larissa Waters für Schlagzeilen, die als erste Frau Australiens ihr Neugeborenes im Parlamentsgebäude stillte.
Vor knapp drei Monaten kam es im Thüringer Landtag zu einem ähnlichen Eklat, als Madeleine Henfling von den Grünen wegen ihres Kindes aus dem Plenarsaal verwiesen wurde.
Leila Straumann, Leiterin der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männer, sagt: «Ich kenne den Sachverhalt nicht, werde aber – aufgrund Ihrer Anfrage – mit Grossratspräsident Remo Gallachi und Grossrätin Lea Steinle Kontakt aufnehmen. Interessant ist sicher auch, was die Geschäftsordnung des Grossen Rats dazu regelt.»
Dies hat der Riehener CVP-Einwohnerrat Patrick Huber auf Twitter bereits getan. Er schreibt:
Auf nationaler Ebene wird weit liberaler mit jungen Müttern im Parlamentssaal umgegangen. Die Aargauer Grünen-Nationalrätin Irène Kälin kann ihren Sohn mit in den Nationalratssaal nehmen.
(bzbasel.ch)
Video: srf