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Warum der Höhepunkt des Coronavirus erst noch bevor steht

Passengers arrive at Heathrow Airport in London after the last British Airways flight from China touched down in the UK following an announcement that the airline was suspending all flights to and fro ...
In China selbst sieht die nationale Gesundheitskommission den Kampf gegen die Lungenkrankheit in einer «kritischen Phase».Bild: AP

Warum der Höhepunkt des Coronavirus erst noch bevor steht

30.01.2020, 04:0206.02.2020, 12:37
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Angesichts der weiteren Ausbreitung des Coronavirus werden international immer weitere Massnahmen ergriffen: Länder evakuieren ihre Staatsbürger aus China, Fluggesellschaften stoppen ihre Flüge in das Land, Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck an einem Impfstoff und der WHO-Notfall-Ausschuss tagt erneut

In China selbst sieht die nationale Gesundheitskommission den Kampf gegen die Lungenkrankheit in einer «kritischen Phase». Sprecher Mi Feng sagte am Mittwoch in Peking, die eingeleiteten drastischen Massnahmen seien «der einzige Weg, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern». Auch die Isolation – von Erkrankten, Verdachtsfällen oder Risikopersonen – sei effektiv.

Chinesischer Virus-Experte nimmt Stellung

Nach Einschätzung eines führenden chinesischen Lungenexperten wird die Krankheitswelle erst in sieben bis zehn Tagen ihren Höhepunkt erreichen. Der Chef des nationalen Expertenteams im Kampf gegen das Virus, Zhong Nanshan, sagte in einem am Mittwoch verbreiteten Interview der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur:

«Es ist sehr schwierig, definitiv vorherzusagen, wann der Ausbruch seinen Höhepunkt erreicht. Aber ich denke, in einer Woche oder zehn Tagen wird der Höchststand erreicht werden – und danach wird es keinen Anstieg im grossen Stil mehr geben.»
Zhong Nanshan

Er gehe nicht davon aus, dass der Ausbruch so lange dauern werde wie die Sars-Pandemie vor 17 Jahren, die sechs Monate dauerte. Zhong Nanshan hatte damals der Haltung der chinesischen Führung widersprochen und öffentlich gewarnt, dass der Ausbruch nicht unterschätzt werden dürfe.

Der neuartige Erreger gleiche vom Ursprung her einem Virus, das 2017 in Fledermäusen entdeckt worden sei. Das 2019-nCov-Virus habe vermutlich einen Zwischenwirt in einem wilden Tier, sagte der erfahrene Experte. Dies könnte Vermutungen bestätigen, das sich das Virus von einem Markt ausbreitete, wo auch Wildtiere zum Verzehr verkauft wurden.

Wie Nanshan sagte, seien «frühe Entdeckung und frühe Isolation» entscheidend, um das Virus in den Griff zu bekommen. Die Entwicklung eines Impfstoffes wird aus seiner Sicht noch drei bis vier Monate oder länger dauern.

Opfer im Ausland

Ausserhalb Chinas gibt es bisher etwa 50 Infektionsfälle in mindestens 18 Ländern. Die Zahl der bekannten Infektionen innerhalb der Volksrepublik ist auf 7000 gestiegen. Dabei werden laut Staatsfernsehen 25 Fälle in Hongkong, Taiwan und Macao mitgerechnet, weil Peking diese Territorien als Teil der Volksrepublik ansieht.

Von den Infizierten wurden 115 wieder als geheilt aus dem Spital entlassen. Besonders ältere Menschen mit schweren Vorerkrankungen leiden unter der Lungenkrankheit. Die Epidemie wird nach Einschätzung eines führenden chinesischen Lungenexperten erst in sieben bis zehn Tagen einen Höhepunkt erreichen.

Virus im Labor nachgezüchtet

Nach Angaben des Peter Doherty Instituts für Infektionen und Immunität in Melbourne haben australische Wissenschaftler das Virus inzwischen im Labor nachgezüchtet. Nunmehr könne in Zusammenarbeit mit anderen Instituten und der Weltgesundheitsorganisation WHO an einem Gegenmittel gearbeitet werden.

Besonders betroffen ist die Millionenstadt Wuhan und die umliegende Provinz Hubei. Rund 45 Millionen Menschen wurden dort weitgehend abgeschottet; Flüge sowie der Nah- und Fernverkehr wurden ausgesetzt.

Erstmals sind innerhalb Chinas auch andere Staatsangehörige erkrankt. Ausserhalb der Volksrepublik gibt es unter anderem in Thailand, Japan, Singapur, Malaysia, den USA, Australien und auch Südkorea Erkrankte mit dem Virus 2019-nCoV. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) meldeten am Mittwoch die ersten bestätigten Virusfälle.

In Europa wurden in Deutschland und Frankreich je vier Fälle bestätigt. Am Mittwoch kam ein Fall in Finnland hinzu. In der Schweiz wurden bis am Mittwoch rund 50 Verdachtsfälle abgeklärt. Von den Getesteten war keine Person mit dem Virus infiziert, wie das Bundesamt für Gesundheit auf Anfrage sagte.

Die meisten ausserhalb von China erkrankten Menschen waren vorher in der Volksrepublik. Allerdings gibt es zunehmend Fälle, bei denen sich Menschen in ihrem Land bei Reiserückkehrern aus China angesteckt haben. Die Regierung in Peking hat ihren Staatsbürgern geraten, Reisen ins Ausland vorerst zu verschieben.

epa08174557 Production workers of Jiangsu Shuoshi Biotechnology Co. Ltd. carry out work on a new coronavirus (2019) nucleic acid detection kit (fluorescence PCR) in Taizhou City, Jiangsu Province, Chi ...
Bild: EPA

Ausländer werden ausgeflogen

Andere Staaten wie Indien warnten vor Reisen in das Land der Mitte. In der Ukraine sollen die Direktflüge in das ostasiatische Land eingestellt werden. In Kasachstan entschieden die Behörden, den Bus- und Zugverkehr zum Nachbarland China einzustellen.

Zudem solle es auch keine Direktflüge mehr von und nach China geben, teilte die Regierung des zentralasiatischen Landes mit. Wichtige Sportveranstaltungen wurden verschoben oder abgesagt.

Derweil haben die USA und Japan damit begonnen, Landsleute aus der Krisenregion zurückzuholen. Auch rund 90 Deutsche und ihre Angehörigen sollen «in den nächsten Tagen» aus der Region Wuhan ausgeflogen werden. Sie sollen nach ihrer Ankunft in Frankfurt zunächst in Quarantäne kommen.

Nach Angaben des EU-Kommissars für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, wollen rund 600 EU-Bürger Wuhan so schnell wie möglich verlassen. Die italienische Regierung schickt am Donnerstag einen ersten Flieger nach Wuhan, um Landsleute aus der besonders betroffenen Zone zu holen.

Auch mehrere Schweizer Bürger möchten aus der Region ausgeflogen werden. Das Aussendepartement (EDA) steht in Kontakt mit anderen Staaten, um dies zu ermöglichen, wie es am Mittwoch auf Anfrage mitteilte.

Lufthansa und Swiss stoppen Flüge nach China

Derweil gab es an Bord einer Lufthansa-Maschine von Frankfurt nach Nanjing einen Verdachtsfall. Die Crew wurde nach einer medizinischen Untersuchung nach Deutschland zurückgeschickt.

Wenige Stunden später verkündete Europas grösste Fluggesellschaft samt ihren Töchtern Swiss und Austrian, ebenso wie die Konkurrentin British Airways und anderen Fluggesellschaften China nicht mehr anzufliegen. Andere internationale Firmen kündigten an, vorübergehend ihre Standorte in China zu schliessen oder zumindest transkontinentale Dienstreisen auszusetzen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berief für Donnerstag erneut den Notfall-Ausschuss ein. Dieser berät die WHO in der Frage, ob eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» ausgerufen werden soll. Damit verbunden sind konkrete Empfehlungen, wie alle Länder der Welt einer weiteren Ausbreitung vorbeugen können.

Nach wie vor hätten die meisten Menschen milde Symptome, sagte WHO-Notfallkoordinator Michael Ryan am Mittwoch in Genf. Nach wie vor werde das Virus durch infektiösen Tröpfchen übertragen. «Die Übertragungskette kann immer noch unterbrochen werden», sagte Ryan. Das sei mit sorgfältiger Hygiene - etwa Händewaschen, und der Isolierung von Infizierten möglich. (sda/dpa/reu)

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Das Coronavirus verbreitet sich
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Das Coronavirus verbreitet sich
Weltweit gibt es inzwischen rund 34 000 bestätigte Coronavirus-Infektionsfälle – Tendenz stark steigend.
quelle: epa / yonhap
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Schweizerin berichtet aus der Virus-Quarantäne
Video: srf
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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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who cares?
30.01.2020 07:01registriert November 2014
Liebes watson-Team, warum benützt ihr das Wort "warum" im Titel, wenn ihr es dann doch nicht beantwortet im Artikel? In diesem Fall hat nur ein Experte gesagt, der Peak werde in 7-10 Tagen erreicht. Kein warum oder so. Ich finde das schade, da der Artikel sonst eigentlich informativ ist, aber der Clickbait-Titel hinterlässt eine bittere Note.
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CogitoErgoSum
30.01.2020 05:50registriert August 2018
Viele ausländische Staatsangehötige werden in ihr Heimatland zurückgeflogen. Ist das nicht ein grosses Risiko, dass die Krankheit erst Recht überall auf die Welt verteilt wird? Es bricht ja erst 7-10 Tage später aus.
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