Wirtschaft
Schweiz

Swatch: CEO Nick Hayek über China, die USA und die Heuchelei Europas

epa07593450 Nick Hayek, CEO Swatch Group, speaks to a participant, ahead of the ordinary general meeting of shareholders of Swatch Group at the Tissot Velodrome, in Grenchen, Switzerland, 23 May 2019. ...
Nick Hayek an der Generalversammlung der Swatch-Gruppe in Grenchen im Mai 2019.Bild: EPA/KEYSTONE
Interview

«Money, Money, Money!» – warum sich Swatch-Patron Hayek über die USA ärgert und China mag

Im grossen Interview spricht Swatch-Patron Nick Hayek über die Heuchelei der Schweiz und Europas im Umgang mit China, sein Problem mit dem Imperialismus der USA und verrät, warum ihm Gewerkschafter lieber sind als FDP-Politiker.
06.07.2019, 11:0006.07.2019, 17:30
patrik müller, nik vontobel / ch media
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Im T-Shirt und mit einem Tischtennis-Schläger in der Hand kommt Nick Hayek den Journalisten in der Empfangshalle des neuen Swatch-Sitzes in Biel entgegen. 150 Millionen Franken investierte der Uhrenkonzern in diese drachenartige Holzkonstruktion, die zur neuen Heimat werden soll für Swatch – und für die Mitarbeiter. Darum wohl auch der Tischtennis-Tisch. Bevor er sich interviewen lässt, gibtuns Hayek eine Betriebsführung.

Lohnt es sich, für ein Gebäude 150 Millionen Franken auszugeben?
Nick Hayek:
Wir haben nicht nur in Gebäude investiert, sondern in das, was darin lebt: Unser Swatch-Team arbeitet gern in diesem Haus. Hier entstehen neue Ideen für die Swatch, die nun zum ersten Mal ein eigenes Hauptquartier hat, das den Geist der Marke Swatch widerspiegelt. Und, ja: Investieren in der Schweiz – das lohnt sich! Die Geschichte der Uhrenindustrie zeigt, dass sie immer dann Probleme bekam, wenn sie in ihrem eigenen Land nicht mehr investiert hat.

Es gibt Unternehmer, die sich angesichts der Unsicherheit – Stichworte Handelskrieg und EU-Rahmenabkommen – mit Investitionen zurückhalten.
Meinen Sie wirklich Unternehmer? Oder reden Sie nicht eher von Managern und sogenannten Investoren.

Haben Sie als Exportunternehmer keine Angst, dass sich die Schweiz isoliert?
Nein. Natürlich brauchen wir Verträge, aber nicht nur mit Europa. Überall auf der Welt. Die haben wir auch. Aber sehen Sie, und ich meine das ohne Arroganz: Die Schweiz wird überall bewundert auf der Welt, manchmal auch beneidet. Warum sollen wir aus kurzfristigem Opportunismus auf unsere Stärken verzichten und uns den Misserfolgsmodellen vieler europäischer Länder angleichen. Wir nützen Europa vielmehr, wenn wir so bleiben, wie wir sind... und Erfolg im Export mit unseren Produkten hat nichts mit Abkommen zu tun.

Vom Regisseur zum CEO
Nick Hayek ist seit 2003 der Präsident der Konzernleitung von Swatch Group, seit 2010 sitzt er dort im Verwaltungsrat. Zum Uhrenkonzern gehören Marken wie Omega, Longines oder Tissot sowie der Juwelier Harry Winston. Angefangen hat Hayek bei der Swatch Group bereits 1992, damals als Marketingleiter. Mitte der 80erJahre hatte er eine Produktionsfirma in Paris und war Produzent und Regisseur von zwei Spielfilmen. Hayek ist der Sohn von Swatch-Group-Gründer Nicolas G. Hayek, der 2010 starb. Er ist verheiratet und wohnt in Zug. (nav)

Nämlich?
Dass unsere Industrie – und ich meine jetzt nicht nur die Swatch Group – innovative und hochwertige Produkte herstellt, die, auch aufgrund ihrer Herkunft, hohes Vertrauen geniessen. Wir sind oft teurer. Und der starke Franken wirkt bremsend, wie ein Zoll. Trotzdem sind wir erfolgreich. Erfolgreicher als viele Exportfirmen in Frankreich oder Italien, die vollen Marktzugang ohne Hemmnisse geniessen. Warum verkaufen sich italienische Autos schlecht in Frankreich oder Deutschland oder französische Autos schlecht in Italien und Deutschland, obwohl sie doch freien Marktzugang in Europa haben? Weil Sie den Konsumenten nicht überzeugen.

Sie gelten als China-Fan und Amerika-Skeptiker. Haben Sie kein Verständnis dafür, dass Donald Trump die Exporte aus China eindämmen will?
Es geht nicht um Trump. Der ist sogar manchmal irgendwie erfrischend, weil er authentisch ist: ein typischer New Yorker Immobilienhändler halt. Er folgt seinen Instinkten mehr als dem Intellekt und seinen Beratern. Darum bleibt ihm seine Basis treu und verzeiht alle Widersprüche und Fehler. Nobody is perfect. Mich stört an Amerika etwas Grundsätzliches.

Was denn?
Dass sich Amerika imperialistisch verhält. Es zwingt der Welt seine Moral auf – und sein kurzfristiges Denken, das vor allem vom Dollar, dem Profit und damit von der Börse gelenkt wird. Money, Money, Money! Das offizielle Amerika, nicht die Amerikaner, will aller Welt sagen, was richtig und falsch, gut und böse ist. China ist anders, und das gefällt mir und ist eine Chance für die Welt.

Auch China betreibt Machtpolitik!
Sie sind auch eine Macht mit ihren 1,3 Mrd. Einwohnern. Aber China will niemandem seine Philosophie aufzwingen. Die USA und auch Europa haben China benutzt als billige Werkbank und auch als phänomenalen Absatzmarkt. All die Superfirmen in den USA haben Jahrzehntelang riesige Profite mit diesem Business-Modell gemacht und damit der Wall Street gefallen ... auf Kosten der industriellen Basis in den USA und der Mittelklasse. Sie haben China den Schlüssel zur Wirtschaftsmacht in die Hand gegeben und jetzt auf einmal machen die Chinesen bessere Produkte als viele etablierte Industrien in der Alten Welt.

Trump will das ändern.
Aber genau die Mentalität, die eben leider auch Trump verkörpert – schneller Reichtum, kurzfristige Gewinne, Wall Street über alles – lässt dem amerikanischen Mittelstand langfristig wenig Chancen. China aber hat durch eine kluge Politik erreicht, dass eine breite Mittelschicht entstanden ist. Inzwischen verdient man dort recht hohe Löhne, sodass sich China immer weniger als die billige Werkbank der Welt positionieren kann und will. Der Weg ist klar für China. Eigene hochwertige Produkte entwickeln, herstellen und auch unter eigenen Marken weltweit vertreiben – und mit so einem grossen Heimmarkt sind sie super konkurrenzfähig auch im Export.

«Die Kritik an China, vor allem der Europäer, aber auch der Schweizer ist heuchlerisch. Wer hat denn zur Zeit des Kolonialismus die Bodenschätze Afrikas und anderer Länder geplündert – aber nichts als Korruption hinterlassen.»

Ist es nicht unheimlich, wie China mit seiner neuen Seidenstrasse viele Länder Asiens, Afrikas und auch Europas unter seinen Einfluss bringen will?
Unheimlich? Mir sind all die Hedgefonds unheimlicher. Wer investiert denn sonst in all den Ländern? Sogar in der Schweiz finden Sie kaum hiesige Investoren, um zum Beispiel in Hotels zu investieren. Es gibt viele Unternehmer in China, die langfristig denken und auch mit dem Bauchgefühl investieren und nicht nur mit Kalkül. Sie handeln und denken oft langfristiger und suchen nicht das schnelle Geld.

Und dass die Chinesen in halb Afrika Häfen, Strassen und Eisenbahnen bauen, stört Sie nicht?
Nein. Die Kritik vor allem der Europäer, aber auch der Schweizer ist heuchlerisch. Wer hat denn zur Zeit des Kolonialismus die Bodenschätze Afrikas und anderer Länder geplündert – aber nichts als Korruption hinterlassen.

"So ein Quatsch": Swatch-Chef Nick Hayek zu Investitionskontrollen in der Schweiz gegenüber chinesischen Firmen. (Archivbild)
Seit 2003 leitet er die Geschicke der Swatch Group: Nick Hayek.Bild: KEYSTONE

China ist eine Diktatur. Es kann nicht in unserem Interesse sein, wenn dieses autoritäre System weltweit auf dem Vormarsch ist.
Was tun denn wir Europäer mit den afrikanischen Bootsflüchtlingen, die vor der Armut flüchten? Wir lassen sie im Mittelmeer ertrinken. Die Chinesen aber bauen in Afrika Strassen, Spitäler, Strom- und Schienennetze – davon haben die Armen etwas. Erklären Sie einem Afrikaner, der kein Wasser, keinen Strom und keine Medikamente hat, warum er die chinesischen Investitionen ablehnen sollte, weil sie von einem bösen autoritären Land kommen – und stattdessen doch, bitte schön, auf Almosen aus dem demokratischen Europa warten soll. Heuchlerischer geht’s nicht!

«Ich verharmlose Probleme in China nicht. Die gibt es und sie müssen und werden gelöst werden. Aber warum versuchen wir krampfhaft, uns moralisch besserstellen zu wollen? Viele Katastrophen auf der Welt haben ihren Ursprung bei uns in der Alten Welt.»

Woher rührt Ihr Verständnis für China?
Ja, ich mag die Chinesen und auch China. Ich war vielleicht 60- oder 70-mal in China und habe nie eine arrogante Person getroffen, sondern nur neugierige Menschen. Unser Unternehmen war ein Pionier in China, mein Vater baute schon 1984 ein Stahlwerk. Es ist eine enorme Leistung, wie China und die Chinesen sich seither entwickelt haben und Hunderte Millionen von Menschen aus der Armut geholt haben. Selbstverständlich gibt es noch viel zu tun, aber bei 1,3 Milliarden Menschen können Sie nicht einfach die Demokratie per Knopfdruck einführen, und ehrlich gesagt geht es den Menschen sicher besser als in der Demokratie Indien oder Brasilien... auch was ihre Rechte anbetrifft.

Ist das angesichts von Umerziehungslagern und totaler Überwachung keine Verharmlosung?
Von welchem Staat sprechen Sie? Von den USA? Erinnern Sie sich an das Lager in Guantánamo? Und an die Methoden der CIA oder NSA, die Firmen zwingen, Daten über Bürger herauszurücken aus Gründen der nationalen Sicherheit? An den Datenskandal bei Facebook? Ich verharmlose Probleme in China nicht. Die gibt es und sie müssen und werden gelöst werden. Aber warum versuchen wir krampfhaft, uns moralisch besserstellen zu wollen? Viele Katastrophen auf der Welt haben ihren Ursprung bei uns in der Alten Welt.

Chinesische Konzerne kaufen weltweit Unternehmen auf. Hat bei Ihnen jemand angeklopft?
Bei der Swatch Group klopfen viele an, aber um mit uns zusammenzuarbeiten, nicht um uns zu kaufen. Jack Ma von Alibaba, Geely, JD ...

Warum war Jack Ma bei Ihnen?
Es gibt viele Berührungspunkte. Einer ist, dass Alibaba auch Partner der Olympischen Spiele ist wie Omega. Wir arbeiten hier verstärkt zusammen.

Welche Folgen haben aufstrebende Unternehmen wie Alibaba oder Huawei für den Westen?
Positiv und bereichernd. Wollen wir nur von amerikanischen Börsenmonsterfirmen dominiert werden? Ich hoffe, das weckt auch Europa auf, hier mehr zu machen.

«Ich habe mehr Vertrauen in einen chinesischen Unternehmer als in einen amerikanischen oder europäischen Hedgefonds, diese Heuschrecken, die so viele Unternehmen ausgenommen und zerschlagen haben.»

Der Ständerat will die hiesigen Unternehmen vor chinesischen Investitionen schützen und beschloss eine Investitionskontrolle. Was halten Sie davon?
So ein Quatsch. Nach der gleichen Logik müsste die Politik, wenn schon, zuerst gegen Hedgefonds vorgehen. Ich habe mehr Vertrauen in einen chinesischen Unternehmer als in einen amerikanischen oder europäischen Hedgefonds, diese Heuschrecken, die so viele Unternehmen ausgenommen und zerschlagen haben. Und vergessen wir nicht, da gab es einen Werner K. Rey und Bally und auch die Swissair haben wir selber in den Sand gesetzt, ohne Beteiligung von Ausländern. Wennsich die Politiker wirklich verdient machen wollen für unsere Firmen, dann kämpfen sie mit uns gegen den massiv überbewerteten Schweizer Franken.

Nicolaes Hayek (rechts), Praesident und Delegierter des Verwaltungsrates der Swatch Group AG und Nick Hayek Junior, (links), Praesident der Swatch AG, am 3. Mai 2000 waehrend der Bilanzpressekonferenz ...
Nick Hayek (l.) mit seinem 2010 verstorbenen Vater Nicolas Hayek, dem Swatch-Gründer.Bild: KEYSTONE

Wir stehen in einem Wahljahr. Welche Partei wählt eigentlich der Bürger Nick Hayek?
Keine. Es gibt in jeder Partei interessante Leute. Ich mag zum Beispiel Frau Amherd, aber deswegen wähle ich nicht CVP.

Sie gehen nicht abstimmen?
An Sachabstimmungen und Initiativen nehme ich immer teil ... aber an Parteiwahlen nie. Ich bin und bleibe Pirat.

Gefällt Ihnen, dass die FDP jetzt auf Klimaschutz setzt?
Ob es mir gefällt oder nicht, spielt keine Rolle. Der Zustand unseres Planeten geht uns alle etwas an. Mein Vater hat schon vor über zwanzig Jahren mit seinem Swatch-Auto versucht, die Gewohnheiten der Menschen in der Mobilität zu ändern hin zum kleinen Hybridauto. Ein innovatives Produkt mit einer positiven Botschaft. Angstszenarien mit Weltuntergangsstimmung helfen uns nicht weiter.

«Die Schweizer Gewerkschafter, die ich kenne, sind sehr pragmatisch und wenig dogmatisch. Ich nehme ihnen ab, dass sie im Interesse der Arbeiter agieren, auch wenn ich nicht mit allem einig bin, was sie wollen.»

Tut die FDP das Falsche?
Parteipolitik interessiert mich nicht und die Parteieliten, egal welcher Partei, erreichen mich mit ihren Argumenten sowieso nicht, weil ich da keine Authentizität, Leidenschaft spüre...ganz im Gegensatz zu vielen Gewerkschaftern.

Wie das?
Die Schweizer Gewerkschafter, die ich kenne, sind sehr pragmatisch und wenig dogmatisch. Ich nehme ihnen ab, dass sie im Interesse der Arbeiter agieren, auch wenn ich nicht mit allem einig bin, was sie wollen. Auch echte Unternehmer sorgen sich um das Wohl ihrer Arbeiter und deren Familien. Sonst könnten wir keine guten Produkte herstellen, und das anerkennen auch die Gewerkschaften.

Wirklich? Sie haben einen hohen Lohn und ein Milliardenvermögen.
Das stimmt, aber das ganze Vermögen steckt in den Aktien unseres Unternehmens, nicht in Jachten und Villen. Und die Aktien hält unsere Familie nicht, um damit zu spekulieren. Meine Eltern stammen aus normalen Verhältnissen, wir sind in einem Mietshaus aufgewachsen und ich werde nach dem Interview auf die Bieler Poststelle gehen, in die Kolonne stehen, um meine monatlichen Rechnungen zu bezahlen, wie jeder andere auch, und das ist gut so.

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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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walsi
06.07.2019 11:57registriert Februar 2016
Danke für dies klaren Worte.
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keplan
06.07.2019 12:21registriert August 2014
Sehr spannendes Interview und eine spannende Person. Seine Positionen sind nachvollziehbar und klar
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Doppelpass
06.07.2019 12:31registriert Februar 2014
Da hält uns einer ganz schön den Spiegel hin, und eröffnet uns mal eine andere Betrachtungsweise.
Danke!
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