Im Sommer liebäugelten Sie mit einem Wechsel zu Benfica. Wie froh sind Sie, dass Sie heute nur als Gast in Lissabon weilen?
(Lacht) Sehr. Aber es stimmt schon, Benfica war ein Thema im Sommer. Jetzt bin ich natürlich glücklich, dass ich bin, wo ich bin. Wir haben uns mit neun Punkten aus den ersten fünf Spielen eine hervorragende Basis geschaffen.
Benfica hat noch keinen Punkt und wenn es nach uns geht, bleibt das auch so. Wir fahren nach Lissabon, um unseren Job zu Ende zu bringen – nicht wegen der Sonne und des angenehmen Klimas.
Wenn Sie sich mit dem FCB für den Achtelfinal der Champions League qualifizieren würden, was würden Sie sich mit der Prämie gönnen?
Sicher schöne Ferien, mehr habe ich noch nicht geplant damit. Und es ist auch nicht so, dass ich unvernünftig viel Geld ausgebe. Ausser für Schuhe. Ich weiss nicht einmal mehr, wie viele ich habe, nur dass ich keinen Platz mehr habe im Schuhgestell. Und es ist gut möglich, dass dort ein Paar steht, das ich nur einmal angehabt habe (lacht).
Ganz Basel staunte, als Sie plötzlich Deutsch sprachen, nachdem Sie zum Captain ernannt wurden. Wo haben Sie die Sprache gelernt?
In der Schule. Ich hatte fünf Jahre lang Deutsch-Unterricht. Leider habe ich die Sprache danach kaum gebraucht. Aber als Raphael Wicky mich zum Captain machte, meinten unsere Leute von der Medien-Abteilung, dass es gut wäre, wenn ich Deutsch sprechen würde. Und das versuche ich nun, eine neue Herausforderung für mich. Ich habe es zuvor einfach nicht gemacht, weil ich mich auf Englisch präziser ausdrücken kann. Ich hätte auf Deutsch wohl nach jedem siegreichen Spiel mehr oder weniger dasselbe gesagt (lacht). Das soll sich jetzt ändern, darum übe ich auch mit meinen Teamkollegen in der Kabine.
Erzählen Sie uns von der verrücktesten Feier, die Sie je erlebt haben.
Das war 2014, als wir mit River Plate nach jahrelanger Durststrecke wieder Meister wurden. Das war schlicht Wahnsinn. Wir brauchten im letzten Spiel einen Sieg. Alle erwarteten eine Zitterpartie, aber wir gewannen 5:0. Kaum abgepfiffen, war das Feld voll von Menschen. Irgendwann fuhr ein Bus mit offenem Dach ins Stadion. Damit drehten wir eine Runde um den Platz. Leider musste ich die Feier vorzeitig verlassen, weil ich zur Nationalmannschaft reisen musste – quasi direkt von der Party an die WM-Vorbereitung. Dennoch: Was ich in Basel erlebt habe, hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Unglaublich, wie viele Leute zu unseren Feiern kamen. Man merkt, das ist eine Stadt, die Fussball lebt. Mit viel Leidenschaft.
Sie haben Ihr so wichtiges Tor gegen Manchester United als das wichtigste Ihrer Karriere bezeichnet. Was braucht es, um das zu toppen?
Es müsste ein Tor sein, das uns direkt weiterbringt. Das war gegen United nicht der Fall. Aber es könnte ja schon in Lissabon passieren. Aber ja, das Tor war schon verrückt. An dem Abend habe ich wohl mehr als 300 SMS gekriegt, Anrufe, Glückwünsche von überall. Und nur damit das klar ist: Das mit dem Trikot von Zlatan Ibrahimovic war ein Scherz. Er fragt doch nie einen Spieler um sein Trikot. Ich habe mein Trikot mit Daley Blind getauscht – und zudem noch das von Chris Smalling bekommen.
Es scheint fast so, als hätte Raphael Wicky noch ein bisschen mehr aus Ihnen rausholen können, vor allem offensiv. Und Sie wurden dritter Captain. Wie sehen Sie Ihre Entwicklung?
Ich denke schon, dass ich mich im Offensivspiel verbessert habe und vielleicht etwas mehr in den Abschluss gehe als früher. Was die Rolle als dritter Captain angeht, da bin ich mir der gestiegenen Verantwortung bewusst. Ich versuche auch, die Jungen noch mehr zu führen und ihnen beispielsweise zu zeigen, dass im Training immer Vollgas gegeben werden muss.
Was braucht es, dass Sie aus der Haut fahren?
Das ist schwer zu sagen. Lassen Sie mich kurz überlegen. Ich bin nicht der Typ, der sich aufregt oder wütend wird. Bei mir ist es eher Enttäuschung. Logisch, als Kind kam es schon vor, dass ich mal die Kontrolle verlor, wenn ich mich mit meinen Brüdern raufte. Aber ich bin älter geworden und abgeklärter. Ich habe in meiner Karriere bisher noch nie einen Platzverweis kassiert – und das ist gut so.
Was hat sich für Sie seit Ihrem Durchbruch im Hinspiel gegen Benfica Lissabon verändert?
Es hat sich nicht viel geändert. Ich komme zu mehr Einsätzen, aber im Training und innerhalb der Mannschaft ist alles gleich geblieben. Ich habe es auch neben dem Platz sehr gut mit den Jungs und im Training gebe ich wie schon vor diesem Spiel immer mein Bestes. In der Stadt kann ich mich immer noch ungestört bewegen, einzig kleine Kinder kommen ab und an zu mir, wenn sie mich erkennen. Was sich vielleicht geändert hat, ist, dass ich mehr Interviews geben muss als zuvor (lacht).
Als der FCB letztmals für ein Duell gegen Benfica nach Lissabon flog, spielten Sie noch beim FC Solothurn in der 1. Liga und arbeiteten als Maler. Jetzt sind Sie selbst dabei. Hätten Sie sich erträumt, dass Ihr Leben eine solche Wende nehmen könnte?
Geträumt habe ich vielleicht davon, aber die Champions League war damals noch sehr, sehr weit weg. Ich war ja noch nicht einmal Profi. Man sieht nur, wie schnell es im Fussball gehen kann. Innerhalb von sechs Jahren hat sich für mich extrem viel verändert. Für mich sind Träume wichtig, sie motivieren mich. Das Leben hat mir gezeigt, dass man auch Dinge erreichen kann, die einst bloss ein Traum waren. Mein nächstes richtig grosses Ziel ist es, mit dem FCB die Achtelfinal-Qualifikation zu schaffen und dann möchte ich mich mit meinen Leistungen für die WM in Russland aufdrängen. Meine Torkrise habe jetzt ja hoffentlich hinter mir.
Sie haben mal gesagt, dass Sie vor jedem Spiel gewisse Szenen im Kopf haben, eine Art Vision. Waren Sie so unverschämt und haben sich vorgestellt, im Hinspiel gegen Benfica Lissabon zwei Tore selbst zu schiessen und zwei vorzubereiten?
Nein, mit Sicherheit nicht (lacht). Ich hatte während der Woche zuvor gut trainiert, fühlte mich an dem Abend sehr fit. Aber ich spielte an dem Abend auf einer neuen Position, auf dem Flügel. Und wir trafen auf Benfica, eine grosse Mannschaft. Wir wussten, dass wir nicht viel Ballbesitz haben würden, auf Konter spielen müssen. Ich hatte schon eine Szene im Kopf, es war eine Balleroberung. Ähnlich wie jene vor meinem zweiten Tor. Aber bei meiner Vision schoss ich kein Tor (lacht). Die Realität war besser als meine kühnsten Träume. Ich konnte danach nicht wirklich schlafen, schaute mir das Spiel noch zwei-, dreimal an, beantwortete viele der Glückwunsch-Nachrichten, die ich gekriegt habe. Ich war sehr glücklich, aber letztlich traf mich das doch sehr unvorbereitet. Ich wusste kaum, wie ich das annehmen soll.
Sie sind ein begnadeter Techniker. Wer ist der beste Fussballer, mit dem Sie je zusammen gespielt haben? Und wer war Ihr bester Gegner? Und wer der beste Spieler überhaupt?
Das sind alles schwierige Fragen. Der beste Mitspieler war Eidur Gudjohnsen aufgrund seiner Spielintelligenz und wie er das Spiel lesen kann. Der beste Gegner war der Engländer Kyle Walker, gegen den ich mit Norwegen gespielt habe. Er ist physisch sehr stark und hat eine unglaubliche Geschwindigkeit. Der beste aller Zeiten ist für mich Zinédine Zidane. Er war mein Kindheitsidol, zu dem ich immer aufgeschaut habe. Er war immer so ruhig am Ball und beidfüssig, das faszinierte mich.