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Ab heute entscheidet Gericht, ob Pestizide verboten bleiben

Honeybees of apiculturist Benedict Reinhardt return to their beehive, pictured on April 29, 2010 in Therwil in the canton of Basel-Land, Switzerland. (KEYSTONE/Martin Ruetschi)

Bienen des Baselbieter ...
Die Honigbienen sind gefährdet – und mit ihnen die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion.Bild: KEYSTONE

Bienen-Killer als Kassenschlager – Chemie-Riesen kämpfen vor Gericht für Pestizide

Das Europäische Gericht erster Instanz untersucht ab heute, ob die EU die Bienen-Killer-Pestizide zu Recht verboten hat. Die Pestizid-Hersteller – unter ihnen der Schweizer Agrar-Chemie-Riese Syngenta – kämpfen mit harten Bandagen gegen das Verbot: Ihnen entgeht ein Vermögen.
15.02.2017, 10:3715.02.2017, 18:39
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Pestizide töten nicht nur Schädlinge, sondern auch Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Die sogenannten «Neonicotinoide» werden am häufigsten als Pestizide eingesetzt. Erst mit der Zeit wurde klar, wie gefährlich diese Bestseller-Produkte, die unter anderem von Syngenta und Bayer hergestellt werden, wirklich sind. Seit 2013 ist die Verwendung der drei giftigsten Neonicotinoide deshalb in der EU wie auch in der Schweiz nur noch eingeschränkt erlaubt. Das könnte sich nun ändern.

Syngenta und Bayer klagen gegen Verbot

Syngenta und Bayer reichten nämlich Klage gegen das Verbot ein. Das Europäische Gericht erster Instanz prüft von heute Mittwoch bis Freitag in Luxemburg, ob die EU-Kommission 2013 den Einsatz dieser Neonicotinoide teilweise verbieten durfte. Bayer wolle vom Gericht Klarheit über die rechtliche Grundlage für die Neonicotinoid-Beschränkung erlangen, erklärt Bayer-Sprecher Richard Breum. «Bayer ist nach wie vor überzeugt, dass Neonicotinoide bei verantwortungsvoller und sachgemässer Anwendung unbedenklich sind», sagt er weiter. Breum beziffert den Verlust der «europäischen Rapsbranche» durch die Einschränkungen auf 900 Millionen Euro. Wie viel Gewinn den Pestizid-Herstellern durch die Lappen geht, bleibt offen.

David Brugger, Leiter Pflanzenbau vom Schweizerischen Bauernverband bestätigt, dass der Entscheid argronomisch grosse Probleme verursacht hat. Bei Befall der Kulturen müssten Landwirte wieder auf die alten Flächenbehandlungen zurückgreifen. «Häufig müssen dabei Produkte mit schlechterem Umweltprofil gewählt werden – das Risiko für negative Umwelteinflüsse steigt dadurch zwangsläufig», erklärt er.

Ganz anders sehen das die Bienenfreunde. Auf die Frage, ob Neonicotinoide weiterhin verboten werden müssen, antwortet Robert Sieber, Vizepräsident des Vereins deutschschweizerischer und rätoromanischer Bienenfreunde: «Diejenigen, welche den Bienen Schaden zufügen: Ja».

Starke Beweise für negative Auswirkungen

Eine Studie des EU-Wissenschaftsnetzwerks Easac sprach von «starken Beweisen für die negativen Auswirkungen auf andere Organismen durch Neonicotinoid-Insektizide». Der Bericht fasst die Befunde von 13 Forschern zusammen.

Auch Greenpeace kommt zum Schluss, dass die Pestizide weiterhin verboten gehören. Greenpeace beauftragte unabhängige Forscher der Universität Sussex, alle relevanten Studien der letzten Jahre zu sichten und die Ergebnisse zusammenzufassen. Die Ergebnisse dieser Studie widersprechen der Darstellung der Pestizid-Konzerne grundlegend: Die Giftigkeit der Neonicotinoide für Honigbienen sei unbestritten und von Dutzenden Studien bestätigt. Wenige Nanogramm würden ausreichen, um eine Biene zu töten.

«Syngenta und Co. kämpfen mit harten Bandagen und schrecken vor nichts zurück. Sie spielen die Gefahren ihrer Kassenschlager seit Jahren herunter.»
Yves Zenger, Greenpeace

Diskreditierte Forscher und manipulierte Studien

«Syngenta und Co. kämpfen mit harten Bandagen und schrecken vor nichts zurück. Sie spielen die Gefahren ihrer Kassenschlager seit Jahren herunter», sagt Greenpeace-Sprecher Yves Zenger gegenüber watson. Das Klagen und Diskreditieren seriöser, unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen stünden an der Tagesordnung. «Nicht genehme Studien bezeichnet die Agrochemie gerne als unwissenschaftlich und kontert sie mit bezahlten eigenen Studien», sagt Zenger. So würden die Konzerne Verwirrung stiften und striktere Regeln verhindern.

Der New York Times erzählte der ehemaliger Forscher James Cresswell, wie Syngenta Forscher manipulierte, um passgenaue Forschungsresultate zu erhalten. Cresswell kam nach seiner Zusammenarbeit mit dem Agrar-Chemie-Riesen zum Schluss, dass Syngenta eine ganz klare Agenda habe: Das Bienensterben komplett der Varroa-Milbe, die die Bienen-Brut vernichtet, in die Schuhe zu schieben. 

«Es geht jetzt nicht darum, Syngentas Umsatz zu schützen. Wenn die Bienen und Hummeln sterben, verlieren wir weit mehr, nämlich die Kontrolle über unsere Lebensmittelproduktion»
Yves Zenger, Greenpeace

«Es geht jetzt nicht darum, Syngentas Umsatz zu schützen. Wenn die Bienen und Hummeln sterben, verlieren wir weit mehr, nämlich die Kontrolle über unsere Lebensmittelproduktion», sagt Yves Zenger gegenüber watson. Bienen sind für die Nahrungsmittelproduktion enorm wichtig und für die Diversität auf unseren Tellern verantwortlich, weil sie Blüten bestäuben und so die Fortpflanzung der Pflanzen sichern. Schätzungen zufolge werden von den 100 Pflanzenarten, die über 90 Prozent der Ernährung der Menschen sicherstellen, 71 von Bienen bestäubt. Albert Einstein soll sogar gesagt haben: «Stirbt die Biene, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben».

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DailyGuy
15.02.2017 11:25registriert Dezember 2015
Genau. Wer braucht schon Bienen wenn man Geld verdienen kann? Die Manager die solches Zeug erlauben und / oder pushen sollten alle nur für 48 Stunden hungern. Keinen Bissen sollten sie bekommen. Dazu gibt es nur das von ihnen verseuchte Wasser. Sorry, ich bin normalerweise nicht so extrem, aber Lord knows diese Leute hätten es verdient.
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Spiegelfabrik
15.02.2017 11:30registriert September 2015
Eine Landwirtschaft ohne Agrochemikalien ist essentiell für eine nachhaltige und funktionierende Nahrungsproduktion! Daher müssten klare Schritte eingeleitet werden, um Pestizide aller Art in absehbarer Zeit aus dem Verkehr zu nehmen. Die Welt könnte mit den aktuellen Agrarflächen 12 Mia. Menschen mit Biolandwirtschaft ernähren. Ein konventioneller Farmer kann 3 Tonnen pro Hektare, ein Bauer mit traditionellem Wissen (Mischkulturen, Fruchtfolge etc.) bis zu 10 Tonnen pro Hektare ernten.

http://www.future3.ch/de

Leider hat diese Initiative noch zuwenig Nährboden und Medienpräsenz bekommen...
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lily.mcbean
15.02.2017 11:12registriert Juli 2015
Diese Unternehmen müsste man samt und sonders den Erboden gleichmachen!
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