Zur Eröffnung der Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco hat Apple ein beeindruckendes Software-Feuerwerk gezündet. Im Zentrum standen iOS, OS X und watchOS, das Betriebssystem für die Apple Watch (dazu folgen weiter unten alle wichtigen Informationen).
Doch zunächst zu Apples jüngstem «Kind». Die Gerüchte haben sich bewahrheitet: Der US-Konzern lanciert einen eigenen Musik-Streaming-Dienst namens Apple Music. Spotify muss sich warm anziehen.
Der neue Musikdienst geht laut Ankündigung am 30. Juni in über 100 Ländern an den Start. Zunächst auf Windows, OS X und iOS. Im Herbst sollen dann eine Android-und eine Apple-TV-Version folgen.
Das Abo kostet 9.99 Dollar pro Monat. Drei Probemonate gibt es kostenlos. Und wie bei Spotify ist ein Familien-Abo erhältlich, das mit 15 Dollar pro Monat ein bisschen teurer ist als der Konkurrent. Dafür können sich bis zu sechs Personen ein Abonnement teilen.
Zu Apple Music gehört ein Streaming-Service, bei dem die Songs direkt aus dem Netz abgespielt werden. Zugegriffen wird auf Millionen Titel bei iTunes sowie die persönliche Musiksammlung der Nutzer.
Ob die gewünschten Titel als Playlists zur Offline-Nutzung auf dem Gerät gespeichert werden können, ist noch nicht bekannt.
Update: Wie der watson-Leser Stjerem hinweist, können Playlists (beziehungsweise die Songs) offline gespeichert werden.
Ausserdem startet Apple das kostenlose Internet-Radio Beats One. Dessen Programm wird von bekannten Moderatoren aus New York, Los Angeles und London zusammengestellt und läuft rund um die Uhr.
Dass der neue Musikdienst Ende Juni auch in der Schweiz verfügbar sein wird, ist sehr wahrscheinlich, aber noch nicht offiziell bestätigt. Auf der Apple-Schweiz-Website heisst es dazu «Coming soon».
Alle Angebote werden in einer App zusammengefasst, die Ende Juni mit dem System-Update iOS 8.4 herauskommt. Die neue Musik-App soll auch Empfehlungen ausgehend aus dem Musikgeschmack des Nutzers machen. Apple Music «wird die Art, wie Sie Musik erleben, für immer verändern», versprach Apple-Chef Tim Cook. Einzelne Songs wird man auch mit Hilfe der Siri-Sprachsteuerung aussuchen können.
Apple Music soll ausserdem eine Plattform sein, über die die Fans ihren Lieblingskünstlern folgen können. Und die Künstler sollen ihrerseits Videos und anderes Material veröffentlichen.
Etwas Ähnliches hatte Apple vor einigen Jahren mit dem Musik-Netzwerk «Ping» versucht, das später mangels Erfolg eingestellt wurde.
Apple hat bisher auf den Verkauf von digitalen Songs gesetzt, die über die 2001 lancierte iTunes-Plattform heruntergeladen werden. Der Konzern ist damit zum weltgrössten Musik-Verkäufer geworden, es ist ein Milliardengeschäft. Doch der Trend ist klar: Die Nutzer schwenken stattdessen zu Streaming-Diensten um, die direkt aus dem Internet spielen. Die Downloads gehen zurück.
Experten trauen Apple zu, dem Geschäft mit Streaming-Musik einen entscheidenden Schub zu geben, vor allem bei kostenpflichtigen Abos.
Bisher nutzen die meisten Menschen werbefinanzierte Gratis-Angebote. Ende 2014 hatten alle Abo-Dienste weltweit gerade einmal 41 Millionen Kunden. Allerdings war das ein Sprung von mehr als 46 Prozent innert eines Jahres. Zum Vergleich: Apple hat über 800 Millionen Nutzer, die ihre Kreditkartendaten hinterlegt haben, und es gewohnt sind, für digitale Inhalte wie Musik zu zahlen.
Zuvor gab es in der rund zweieinhalb Stunden langen Präsentation Neuigkeiten zu anderen Apple-Produkten. So sollen frische Funktionen des Mobil-Systems iOS das iPhone stärker zum persönlichen Assistenten machen.
Dank «Proactive» kann es zum Beispiel automatisch Termine aus E-Mails erstellen. Das iPhone kann sich künftig auch merken, dass man zu einer bestimmten Zeit mit Musik joggen geht. Es öffnet dann automatisch den Musikplayer, wenn man die Ohrhörer einstöpselt.
Apple geht damit einen ähnlichen Weg wie Google. Der Internet-Konzern, der hinter dem rivalisierenden Mobil-System Android steht, verfolgt diesen Ansatz bei seinem Dienst Google Now.
Apple-Manager Craig Federighi demonstrierte auch ähnliche Funktionen bei der Foto-Suche wie wenige Tage zuvor Google – betonte aber mit einem ausdrücklichen Seitenhieb gegen den Internet-Riesen, Apple werte keine Informationen für Werbezwecke aus.
Weiter haben die Kalifornier Apple Maps aufgepeppt. Der Kartendienst, der dem Marktführer Google Maps Paroli bieten soll, bietet neu auch Fahrpläne und andere Informationen zum öffentlichen Verkehr an. Laut Ankündigung gibts die ÖV-Daten für viele Grossstädte weltweit.
Und insbesondere für die Besitzer von iOS-Geräten mit wenig freiem Speicherplatz gibt es eine sehr gute Nachricht. Laut Ankündigung kann Apple zukünftige System-Updates massiv kleiner ausliefern. Dies erleichtert Software-Aktualisierungen via WLAN («Over The Air»).
Und noch ein geniales Feature, auf das viele iPad-Nutzer sehnlichst gewartet haben: Mit iOS 9 hält «echtes» Multitasking Einzug. So kann man beispielsweise Videos abspielen, während das Mail-Programm geöffnet ist. Die versammelten Entwickler zeigten sich begeistert.
Zwar waren im Vorfeld viele Informationen zu neuen Features an die Öffentlichkeit gelangt. Doch ist den Kaliforniern trotzdem auch ein kleiner Überraschungs-Coup gelungen. Sie lancieren eine News-App, das ist ein News-Reader, mit dem die Nutzer personalisierte Nachrichten und andere journalistische Beiträge auf dem iPad und iPhone konsumieren sollen.
Was die Inhalte betrifft, geht Apple den gleichen Weg wie Facebook. Der US-Konzern kooperiert mit zahlreichen bekannten und renommierten Medienhäusern, von der «New York Times» bis zu BuzzFeed.
Zum Start stehen nur englischsprachige Medienbeiträge aus den USA, Grossbritannien und Australien zur Verfügung. Der Apple-Chef Tim Cook kündigte an, das Unternehmen wolle mit allen möglichen Anbietern zusammenarbeiten, vom Massenblatt bis zur Regionalzeitung.
Die News-App soll laut dem Techblog Recode Apples Zeitschriften- und Zeitschriftenplattform Newsstand ablösen. Angeblich erhalten Verlage alle Werbeeinnahmen, wenn sie die Inserate selbst verkaufen. Für bezahlte Abos kassiere Apple die üblichen 30 Prozent.
Der Bezahldienst Apple Pay kommt nach Europa – allerdings vorerst nur nach Grossbritannien. Unter anderem werde man in Bussen und der U-Bahn in London über das iPhone bezahlen können, sagte Apple-Managerin Jennifer Bailey. Der Konzern hatte Apple Pay im vergangenen Jahr zunächst nur in den USA gestartet. Dort wird man künftig auch Treue-Karten in Apple Pay einbinden können.
Vorgestellt wurde auch das neue Mac-Betriebssystem, OS X El Capitan, benannt nach einem Monolithen im Yosemite-Nationalpark. Ein ebenso einfaches wie geniales Feature: Wenn man die Maus bewegt, wird der Zeiger für kurze Zeit vergrössert angezeigt, um ihn sofort zu sehen.
Laut Ankündigung wird die Grafikleistung dank der «Metal»-Technologie, die es bereits für iOS-Geräte gibt, massiv gesteigert. Vor allem Spieleentwickler, respektive Gamer, dürften begeistert sein.
Registrierte Software-Entwickler können die erste Betaversion ab sofort herunterladen. Im Juli folgt eine Betaversion für alle Interessierten, bevor es dann im Herbst die endgültige Version als Gratis-Download gibt.
Für die Apple Watch wurde weniger als zwei Monate nach dem Marktstart die zweite Version des Betriebssystems watchOS vorgestellt. Die Apps können künftig direkt auf der Uhr laufen – heute sind sie eigentlich auf dem iPhone aktiv. App-Entwickler bekommen auch Zugriff auf Sensoren der Uhr, insbesondere den Pulsmesser. Das wird zum Beispiel Fitness-Anwendungen zugute kommen.
In der Heimvernetzung (HomeKit) wird man vom iPhone aus etwa auf Sensoren für Feuermelder oder motorisierte Rollläden zugreifen können – auch von unterwegs. Bei der Auto-Software CarPlay muss man das iPhone nicht mehr per Kabel anschliessen, sondern es kann sich auch per Funk mit der Infotainment-Anlage im Cockpit verbinden.
Und ganz zum Schluss noch zwei beeindruckende Zahlen: Apple konnte mittlerweile 100 Milliarden App-Downloads verzeichnen. An die Entwickler wurden bislang 30 Milliarden Dollar ausbezahlt. Auch dies sorgte im Saal in San Francisco für frenetischen Beifall, genau so wie die Ankündigung, dass Apple die im vergangenen Jahr lancierte Programmiersprache Swift als «Open Source» freigibt.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA
(dsc)