Schweiz
Kommentar

Kommentar: Darum scheiterte die Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen

Luzian Franzini, Co-Praesident Zersiedselungsinitiative verfolgt den Verlauf zu den Abstimmungsresultaten, am Sonntag, 10. Februar 2019, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Konsternation: Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen, betrachtet die Abstimmungsergebnisse.Bild: KEYSTONE
Kommentar

Eine Schlappe mit Ansage – den Jungen Grünen fehlten Timing und Cleverness

Die 63,7 Prozent Nein-Stimmen sind ein eindeutiges Ergebnis: Die Zersiedelungs-Initiative ist durchgefallen. Das hat viel mit dem Timing zu tun. Aber auch mit selbstverschuldeten Fehlern der Initianten.
10.02.2019, 15:3611.02.2019, 07:17
Mehr «Schweiz»

Manchmal ist Politik brutal. Keine 30 Minuten nach der Schliessung der Wahllokale liess die erste SRG-Hochrechnung keine Zweifel daran, dass die Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen deutlich scheitert. Die engagierten Mitglieder der kleinen Jungpartei erlebten, wie sich die hunderten Stunden unbezahlter politischer Arbeit während vieler Jahre innert weniger Minuten in Luft auflösten.

Denn Zählbares schaut für sie wenig heraus nach der deutlichen Abfuhr an der Urne. Die Stimmbevölkerung sprach sich deutlich dafür aus, die Siedlungsentwicklung mit dem geltenden Raumplanungsgesetz (RPG) zu regulieren. Das Argument der Jungen Grünen, dieses sei ein zahnloser Tiger, der die Zersiedelung nicht stoppen werde, verfing offensichtlich nicht.

Der Zeitpunkt der Initiative zeugt nicht von politischer Cleverness.

Und damit sind wir beim ersten von zwei Hauptgründen, weshalb die Initiative scheiterte: dem Timing. Die Jungen Grünen beschlossen im Dezember 2014, eine Volksinitiative gegen die Zubetonierung der Schweiz zu lancieren. Bloss 20 Monate davor war das revidierte Raumplanungsgesetz mit deutlicher Mehrheit angenommen worden.

Es war schon damals klar, dass das RPG in den ersten Jahren nach Inkrafttreten die Zersiedelung bremsen und das Wachstum der Bauflächen verlangsamen würde. Denn die Kantone wurden mit dem Gesetz dazu verpflichtet, ihre Richtpläne zu überarbeiten und überdimensionierte Bauzonen zu verkleinern.

Ob das eine anhaltende Entwicklung sein wird – wie es die Gegner der Zersiedelungs-Initiative versicherten – oder die Schweiz schon bald wieder in vollem Tempo zubetoniert wird, sei einmal dahingestellt. Es zeugt nicht von der politischen Cleverness der Jungen Grünen, eine Volksinitiative genau dann zu lancieren, wenn die Abstimmung auf einen Zeitpunkt fallen wird, bei dem das geltende Gesetz einen temporär mindernden Einfluss auf das beanstandete Problem hat.

Auf die zentrale Frage konnten die Initianten keine befriedigende Antwort liefern.

Besser wäre es gewesen, die mittelfristige Wirkung des neuen RPG abzuwarten. Geht die Zersiedelung unvermindert weiter, so hätten die Initianten glaubwürdiger für die Notwendigkeit ihres weitreichenden Initiativtexts werben können. Insofern war die Zersiedelungs-Initiative «too much, too early».

Der zweite Hauptgrund für das Scheitern liegt bei diesem Initiativtext – und seinen Schwächen. Es war abzusehen, dass sich die Diskussionen im Abstimmungskampf auf den Abtausch von Bauzonen konzentrieren würden. Dieser ist entscheidend, wenn man eine Einfrierung der Bauzonen auf dem heutigen Niveau fordert.

Doch auf diese zentrale Frage konnten die Initianten keine befriedigende Antwort liefern. Sie stellten sich auf den Standpunkt, hier müsse das Parlament eine mehrheitsfähige Lösung finden. Im Abstimmungskampf wurden sie dafür zu Recht kritisiert. Doch die hastig zusammengeklaubten und nur unscharf skizzierten Vorschläge, wie ein Mechanismus zum Abtausch der Bauzonen funktionieren würde – Stichwort Handelsbörse – vermochten niemanden so recht zu überzeugen.

Hier hätten die Jungen Grünen, über vier Jahre nach der Lancierung der Zersiedelungs-Initiative, schlicht und einfach besser vorbereitet sein müssen. So bleibt als zweites Fazit: «too little, too late.»

Die Zersiedelungs-Initiative in 60 Sekunden erklärt

Video: watson/Angelina Graf

Häuser und Villen für 1 Million Franken – in Europa

1 / 69
Häuser und Villen für 1 Million Franken – in Europa
Schweiz: Der Benchmark soll eine lokale Immobilie sein. In Hérémence im schönen Wallis steht dieses Chalet. Kaufpreis: 1'080'000. Bild: Prime Location
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
42 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
atomschlaf
10.02.2019 15:49registriert Juli 2015
Die Initiative war ein Murks. Ein undurchdachtes Wahlkampf- und Profilierungsvehikel der Jungen Grünen.
Einerseits war der Ansatz falsch und andererseits wäre es ohnehin widersinnig, so kurz nach Inkrafttreten des revidierten RPG schon wieder an der Raumplanungsgesetzgebung herumzudoktern.

Zu guter Letzt: Wer A sagt, muss auch B sagen, sprich keine Plafonierung der Bauzonen ohne Plafonierung der Bevölkerung!
15963
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hat.Jemand.Pizza.Bestellt?
10.02.2019 15:49registriert August 2018
Irgendwann werden wir an einem Punkt sein wo die Frage noch akuter wird! Wie viel Verdichtung ist lebenswert? Wie viel Grünflächen müssen erhalten werden?

Aber hierzu gehören auch Grundsatzentscheide in Bezug auf Wirtschaftsweisen, Demographie (Fertilität und Migrationen inkl. Binnen-), Wohnungsmärkte (Markt vs. Steuerung und wenn Steuerung, dann wie?), Ökologie

Wir leben halt nicht in einem riesigen Land mit nur schwachen wirtschaftlichen Interessen
6510
Melden
Zum Kommentar
avatar
Triple A
10.02.2019 17:09registriert November 2018
Es ist doch ganz einfach - auch im Hinblick auf das abgelehnte Energiegesetz in Kanton Bern: Alle reden von Umweltschutz und von Nachhaltigkeit - aber wenn man sich persönlich dafür einschränken oder finanzielle Nachteile in Kauf nehmen soll, ist man dagegen. Man findet auch immer Scheingründe dafür. Hoffentlich kostet diese Einstellung uns am Schluss nicht unsere Existenz!
5019
Melden
Zum Kommentar
42
Hansjörg Wyss – der Schweizer hinter der Millionenspende an die US-Demokraten
Der Schweizer Hansjörg Wyss ist mit seinem Einsatz für Umwelt und Demokratie weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. In den USA verärgert er mit seinen Spenden gerade die Republikaner.

Hansjörg Wyss steht immer mal wieder in den Schlagzeilen. Sei es, weil er für drei Milliarden Franken den FC Chelsea kauft, amerikanische Zeitungen vor dem Aus bewahrt oder sich (wie jetzt gerade) mit riesigen Spenden in die US-Politik einmischt.

Zur Story