Der erste Pluspunkt: Beim Shiftphone gibt's keine unnötig «edle» Verpackung. bild: watson
Eine kleine deutsche Firma fordert mit «fairen» Android-Smartphones die übermächtigen Tech-Giganten heraus. Das neuste Modell, Shift 6m, überzeugt technisch zwar nur teilweise, hat aber seine Vorzüge.
Steht auf jedem Shiftphone.
#Lovephone: Das Shift 6m lässt sich ganz einfach aufschrauben. bild: watson
Der Hersteller hat dem Redaktor ein Shift 6m zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Das Modell wurde im Juli 2018 lanciert. Leider gibt es Lieferengpässe (siehe unten).
Da liegt es, das Shift 6m. Ich konnte es längere Zeit testen. bild: watson
Um es vorweg zu nehmen: Ein Shiftphone kauft man nicht wegen krasser Hardware oder neuartiger Software, sondern weil es sich «richtig» anfühlt. Und weil es Spass macht, ein Gerät zu haben, das man einfach auseinandernehmen kann.
Ja, richtig gelesen! Auch mit zwei linken Händen, ganz ohne Technikverständnis, kann man/frau beherzt zugreifen. Und zwecks Motivation liegt der passende Schraubenzieher in der unscheinbaren Schachtel aus Recycling-Karton.
Herstellerin ist eine sympathische deutsche Firma, die in der deutschen Provinz angesiedelt ist, dort unter anderem auch Flüchtlinge beschäftigt und zudem in China eine eigene Produktionsstätte betreibt.
Und die wollen Apple und Co. herausfordern?
Angesichts der bisherigen Absatzzahlen vermag das Shiftphone die Tech-Giganten nicht mal zu kitzeln. Aber darum geht's auch gar nicht, sondern darum, ein Zeichen zu setzen. Und letztlich wohl auch um das gute Gewissen.
Firmen-Gründer Carsten Waldeck (hinten links) mit den chinesischen Mitarbeitern in der Produktionsstätte in Hangzhou. bild: shiftphone
Und ja! Es hat eine Kopfhörerbuchse! 😍
Bei starker Sonneneinstrahlung kann man die Helligkeit erhöhen.
Der Touch-Screen wird durch ein bereits montiertes Panzerglas geschützt.
Unter der Hauptkamera und dem LED-Blitz befindet sich der Fingerabdruck-Scanner, mit dem sich der Bildschirm schnell und zuverlässig entsperren lässt. Bilder: watson
Hervorragend!
Die gummierte Oberfläche macht das Gerät erfreulich rutschsicher. Durch die im Lieferumfang inbegriffene Schutzhülle sinkt auch das Risiko von Sturzschäden und erspart einem kostspielige Reparaturen.
Zum Vergleich: Das iPhone X aus Glas und Edelstahl wiegt 174 Gramm.
Der Power-Button liegt gefühlt etwas zu weit oben und nahe bei der Lautstärken-Wippe.
Dafür lässt sich der Akku in wenigen Sekunden austauschen. bilder: watson
Sehr stark. Das Shift 6m übersteht problemlos ein langes Wochenende, bevor es ans Ladekabel muss.
Der Lithium-Polymer-Akku hat eine Kapazität von 4200 Milliamperestunden (mAh). Bei eingeschaltetem Display soll er im Durchschnitt 18 Stunden durchhalten. Das ist mehr, als einige selbsternannte «Akku-Monster» bieten.
Und es kommt noch besser: Im Gegensatz zum iPhone und anderen Premium-Smartphones (Hallo Samsung, hallo Huawei!) lässt sich der Akku wechseln. Ganz einfach!
Wer auf Nummer sicher gehen will, bestellt sich für rund 20 Franken einen Ersatzakku und führt ihn bei längeren Reisen (natürlich aufgeladen) im Gepäck mit.
Shift-Akku: Das Netzteil zum Ladekabel ist nicht im Lieferumfang inbegriffen. Der Hersteller begründet dies mit dem Umweltschutz. Fast jede(r) habe schon Ladegeräte zuhause. bild: watson
Für den normalen Gebrauch reicht es spielend. Im Alltag (Surfen, Chatten, Mailen) treten keine Ruckler oder fehlerhafte Darstellungen auf. Bei rechner- und speicherintensiven Anwendungen, insbesondere bei aufwendig gemachten Games, stösst das Shiftphone jedoch an seine Grenzen.
Video: YouTube/SHIFTPHONES
Im 6m steckt ein vergleichsweise billiger Mediatek-Prozessor (siehe Spezifikationen, unten). Eine teurere Variante will der Hersteller laut Ankündigung als Shiftphone 6mq im Frühjahr 2019 herausbringen. Dann mit Snapdragon 845 von Qualcomm, der viele 2018er-Smartphones antreibt. Und mit einer neueren System-Software als der derzeit installierten (Android 8.0 Oreo). Für Hardcore-User interessant: Das 6mq soll sich einfach «rooten» lassen, also Custom-ROMs unterstützen. Sprich: Man kann installieren, was man will.
Wie Android 8 halt so ist. 😌
Die Benutzeroberfläche ist schlicht gehalten und optisch ansprechend gestaltet. Die bekannten Google-Apps sind an Bord. Hinzu kommen ein eigener Musikplayer, eine eigene Kamera-App, weitere Standard-Apps und ein UKW-Radio.
Wobei mir die neusten Android-Features im Test nicht fehlten. Problematisch ist hingegen, wenn es mit den Sicherheits-Updates harzt, die Google allmonatlich raushaut.
Mein Testgerät war im Zeitraum September/Oktober nicht auf dem neusten Stand. Das letzte installierte Android-Sicherheits-Update stammte noch vom Sommer.
Bleibt die Frage, wie schnell, zuverlässig und lange der Hersteller das Shift 6m in Zukunft mit Updates versorgt.
Das ist aus meiner Sicht der grösste Schwachpunkt bzw. die grösste Diskrepanz zwischen dem Anspruch des Herstellers, dem iPhone Konkurrenz zu machen, und der Realität.
Der Fingerabdruck-Scanner funktioniert tadellos, muss aber nicht genutzt werden. bild: watson
Bei normalen Lichtverhältnissen knipst die Hauptkamera (21 Megapixel) des Shift 6m akzeptable Schnappschüsse. Sie hat auch einen optischen Bildstabilisator (OIS). Die Kameraleistung reicht aber bei Weitem nicht an die Flaggschiffe von Apple, Huawei oder Samsung heran. Vergeblich sucht man Spezialfeatures, wie etwa einen Porträtmodus.
Auf meine Frage, ob es Bemühungen gebe, die Kamera zu verbessern, schreiben mir die Shiftphone-Macher:
Wenn ich das nur früher gewusst hätte. 🙈
Die Ohrstöpsel wirken relativ billig, erfüllen aber ihren Zweck. bild: watson
Zum Lieferumfang gehören:
Video: YouTube/SHIFTPHONES
Einen kleinen, aber ärgerlichen Schönheitsfehler gibt es. In einer Ecke löst sich das schützende Material. Oder genauer: Es sind Luftblasen unter dem Panzerglas zu erkennen.
Die Shiftphone-Macher bestätigen:
Der Hersteller verspricht:
quelle: shiftphones.com
Auf Nachfrage räumen die Shiftphone-Macher* ein, dass sie sich ihrem Ziel vom fair produzierten Smartphone nur langsam annähern. Die Lieferketten seien sehr komplex und lang.
* Die Antworten stammen von Carsten Waldeck, Co-Gründer, und Claudio Alder, Shift-Vertrieb in der Schweiz.
Dazu muss man wissen, dass die Firma Shift, die ihren Hauptsitz in der deutschen Provinz hat, in China eine eigene Fabrik betreibt. Und zwar in der Neun-Millionen-Metropole Hangzhou, 180 Kilometer südwestlich von Schanghai.
Die zehn Mitarbeiter dort verdienten umgerechnet rund 1150 Franken pro Monat, das sei viermal mehr als in Fabriken von anderen Smartphone-Herstellern. Die Leute seien zudem renten- und krankenversichert und hätten sonntags frei.
Bezüglich Sound müssen Shiftphone-User kompromissbereit sein. Statt über die scheppernden Lautsprecher sollte man Filme mit Kopfhörern geniessen. bild: watson
Und welche Vorkehrungen trifft Shift, damit die Produktion möglichst umweltschonend bzw. nachhaltig, ist?
Anders als bei Bio-Eiern gebe es für Smartphones noch kein Gütesiegel, hielt ein Journalisten-Kollege in seinem Review fest. Immerhin ersetzten die Shiftphone-Macher das Konfliktmaterial Coltan aus dem Kongo durch Keramik.
Auf meine Frage, wie es um die Herkunft der Rohstoffe steht, haben sie gute Nachrichten zu verkünden:
Um Quellen für «faires Gold» zu finden, besuchte Carsten Waldeck im April 2017 gemeinsam mit dem BGR Minen im Kongo. Dort werde das Edelmetall direkt eingekauft.
Und wie steht es ums Recycling?
Auch hier gilt als Fazit: Es ist noch ein langer Weg bis zu einem nachhaltigen Smartphone. Aber die deutschen Fairphone-Konkurrenten wollen ihn offenbar gehen.
Nicht wie bei Foxconn: Hier werden neue Shiftphones versandfertig gemacht. bild: shiftphone
Das Shift 6m ist ein solides Android-Smartphone mit löblichem Ansatz: Faire Produktion und umweltschonendes modulares Konzept statt maximaler Gewinn. Wobei die Ansprüche der Realität noch nicht ganz gerecht werden.
Der Preis: 650 Franken (im Schweizer Online-Shop des Herstellers). Das ist nicht billig, aber aus meiner Sicht ok.
Hier wäre ein direkter Vergleich mit dem iPhone-Hersteller spannend. Apple trifft auch Vorkehrungen, um sein wichtiges Produkt nachhaltiger zu machen. Aber auch da müssen sich Dritte auf Hersteller-Angaben verlassen (wie zum Beispiel Greenpeace, das Apple Höchstnoten erteilt hat).
Nein, würd ich sagen. Das Shift 6m überzeugt mit leistungsfähigerer Hardware und neuerer System-Software (Das Fairphone 2 wird nur mit Android 7 ausgeliefert.)
Auch bezüglich Speicherplatz ist das Shiftphone mit 64 GB besser aufgestellt: Das Fairphone bietet nur 32 GB. Immerhin lässt sich bei beiden eine SD-Karte einstecken.
Bezüglich Kameraleistung bekleckern sich beide Öko-Smartphones nicht gerade mit Ruhm und bringen häufig nur mittelmässige Schnappschüsse, bzw. Videos, zustande.
Das sind leider die langen Lieferfristen. Und dies ausgerechnet im nun brummenden Weihnachtsgeschäft 😥
Wegen «grosser Nachfrage» wird das Shift 6m «voraussichtlich» erst wieder im Februar/März 2019 ausgeliefert.
Wer sich nicht so lang gedulden will, und/oder ein kleineres Display bevorzugt, sollte das Shift 5me anschauen. Das ist quasi die Economy-Version des Shift 6m, die sich mit 5-Zoll-Display auch für kleinere Hände eignet. Gemäss Website soll die Auslieferung Ende Dezember/Januar erfolgen.
Im Frühjahr 2019 soll zudem das Modell Shift 6mq mit leistungsfähigerem Snapdragon-Prozessor folgen.
Die Shiftphone-Erfinder: Samuel (links) und Carsten Waldeck. bild: shiftphone
Quellen: shiftphones.com / teltarif.de
Das vorliegende Review kann das Shift 6m natürlich nicht erschöpfend vorstellen. Unten sind weitere Quellen verlinkt, die diverse Aspekte spannend und ausführlich behandeln:
Video: YouTube/Galileo
Oder doch lieber ein teureres Premium-Gerät von Apple, Samsung und Co.? Schreib uns deine Meinung via Kommentarfunktion. bild: watson
Video: srf