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So lief die «Arena» zum Steuer-AHV-Deal.

«Ordentliche Ghirnverläsete»: Moderator Grossniklaus und seine Gäste debattierten ein komplexes Thema.
«Ordentliche Ghirnverläsete»: Moderator Grossniklaus und seine Gäste debattierten ein komplexes Thema. Bild: screenshot srf

Dreamteam aus FDP-Müller und SP-Badran schlägt smarten Jung-SVPler in der Kuhandel-«Arena»

Von SVP bis Grünen stritt man in der «Arena» über den umstrittenen Steuer-AHV-Deal. Die Beziehung zwischen den beiden Befürwortern war GIF-würdig. Ihre Schlagfertigkeit kostete dem stark auftretenden Chef der jungen SVP den Tagessieg.
06.10.2018, 02:4718.02.2019, 11:16
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Benjamin Fischer ist seit zwei Jahren Präsident der Jungen SVP Schweiz. Der 27-Jährige hat einen Bachelor in Betriebsökonomie und sitzt im Zürcher Kantonsrat. Derzeit macht er einen Master und arbeitet daneben als Administrationsleiter in der Gartenbau- und Montagefirma seines Bruders.

Seine Vorgänger an der Spitze der Jungen SVP waren der grobschlächtige Erich Hess und der irrlichternde Anian Liebrand. Im Gegensatz zu ihnen ist Benjamin Fischer smart, telegen und ein guter Debattierer. 2015 setzte ihn die SVP des Kantons Zürich bei den Nationalratswahlen auf den letzten Listenplatz. Fischer verpasste den Sprung ins Parlament. Seine Partei täte gut daran, ihn bei den nächsten Wahlen im Herbst 2019 weit vorne auf die Liste zu setzen.

Denn einen wie Fischer könnte sie auch im Nationalrat gut gebrauchen. Das bewies er in der «Arena» mit einem gelungenen Auftritt. Dass Fischer nicht den Tagessieg davon trug, lag am ungewöhnlichen «Duo infernale» auf der Gegenseite: Mit Ex-FDP-Präsident Philipp Müller und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran stellten sich ihm zwei äusserst schlagfertige und dossierfeste Politiker entgegen. In vielen anderen Fragen haben sie das Heu politisch nicht auf der gleichen Bühne. Doch persönlich verstehen sich die beiden ganz offensichtlich blendend. Das erhöhte ihre Schlagkraft in der Sendung.

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Zwischen Fischer und seinem Nebenmann Balthasar Glättli von den Grünen funkte es hingegen weniger. Glättli vertrat aus ganz anderen Motiven als Fischer dieselbe Position – und erwischte nicht den besten Abend. Das erschwerte die Aufgabe des Jung-SVPlers noch zusätzlich.

Die «Arena» befasste sich mit der von ihren Gegnern als «Kuhandel» bezeichneten Steuervorlage und AHV-Finanzierung, kurz STAF. Vor zwei Wochen hat das Parlament die aus zwei Teilen bestehende Vorlage verabschiedet. Weil das Referendum ergriffen wird, kommt sie voraussichtlich im Mai 2019 zur Abstimmung.

«Ordentliche Gehirnverläsete»

Die STAF ist inhaltlich hochkomplex – und eilt. Will die Schweiz nicht schon bald auf der schwarzen Liste der EU landen, muss das Land zahlreiche Instrumente des Unternehmenssteuerrechts abschaffen. Diese werden mit der Reform teils ersatzlos gestrichen, teils durch neue, international akzeptierte Instrumente ersetzt. Die Dividendenbesteuerung wird erhöht. Damit sie als Standort im internationalen Steuerwettbewerb attraktiv bleiben, werden die Kantone zusätzlich ihre Unternehmensteuern senken. Als Kompensation erhalten sie mehr Geld vom Bund. Die mit der Reform zu erwartenden Steuererleichterungen für Unternehmen werden auf zwei Milliarden beziffert.

Um die Steuerreform attraktiver zu machen, hat die Mehrheit des Parlament sie mit einer Finanzspritze in derselben Höhe für die AHV verknüpft. Die Summe kommt durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um je 0,15 Prozent und zusätzliche Bundesbeiträge zustande.

Alles klar? Natürlich nicht. Keiner der Politiker im Ring stritt ab, dass das Thema komplex ist. Selbst für die Parlamentarier war es laut FDP-Ständerat Philipp Müller eine «ordentliche Ghirnverläsete», die Vorlage zu verstehen.

«Wie ein Trickdieb auf dem Markusplatz»

Der Deal löse zumindest vorübergehend zwei «mega verknorzte, verkachelte Dossiers», sagte SP-Frau Jacqueline Badran zu Beginn. Jungpolitiker Benjamin Fischer widersprach. Die STAF löse die Dossiers nicht. Er verglich die Vorlage mit einem «Trickdieb» auf dem Markusplatz in Venedig. Während der Dieb eine schöne Geschichte erzähle, stehle er einem das Portemonnaie aus der Tasche.

Als Trickdieb wollte sich Philipp Müller nicht bezeichnen lassen. Mit ruhiger Stimme erklärte er, das Parlament habe seinen Job gemacht, «nämlich Probleme gelöst». Er verwies auf die Vorgeschichte in beiden Teilen der STAF: Im Jahr 2017 verpassten die Stimmbürger erst den Bürgerlichen bei der Unternehmenssteuerreform III, dann Mitte-links bei der Altersvorsorge je eine kräftige Ohrfeige. Mit der STAF habe man auf die Kritik aus dem Stimmvolk reagiert und einen guten Kompromiss gefunden.

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Das wiederum liess Jung-SVPler Fischer nicht gelten. Geschickt kehrte er das «Scheiterhaufen-Argument» der Befürworter um. Die beiden gescheiterten Vorlagen seien schon zu komplex gewesen und hätten zu vieles miteinander verbunden: «Warum macht ihr es jetzt noch komplizierter?» Mit der Finanzspritze für die AHV verhindere man zudem eine echte, strukturelle Reform der ersten Säule.

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Die AHV-Finanzspritze begrüsste STAF-Gegner Glättli grundsätzlich. Er kritisierte aber, dass der Vorschlag der Grünen abgelehnt wurde, über beide Teile des Deals separat abstimmen zu lassen. Damit könnten sich die Stimmbürger nicht differenziert äussern. Das erinnere ihn an die frühere britischen Premierministerin Maggie Thatcher und ihr TINA-Prinzip: «There is no alternative.» Das gehe in einer direkten Demokratie nicht: «Alternativlosigkeit hat einer Demokratie noch nie gut getan.»

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Die versierte Sozialpolitikerin Jacqueline Badran, mit einem Ökonomie-Abschluss der HSG ausgestattet, stürzte sich kampfeslustig in die Diskussion über den AHV-Teil der Vorlage. Wer diesen als Zustupf bezeichne, habe vom System nichts verstanden. «Das finde ich eine regelrechte Frechheit», gab sie gleich den Tarif durch. Es gehe um eine Sicherung des wichtigsten Sozialwerks.

Dieses Argument unterlegte sie virtuos mit allerlei Zahlen. Davon liess sich SVP-Fischer kurz einschüchtern: «Ich würde mir nie anmassen, ihre Fachkompetenz anzuzweifeln», sagte er zu Badran. «Das ist auch gut so», gab diese zurück. Sie warf Fischer und seiner Partei vor, die vorübergehende Sicherung der AHV nur abzulehnen, um Druck für einen Leistungsabbau aufrechtzuerhalten: «Jetzt gebt endlich zu, dass ihr einen Abbau wollt.»

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Im letzten Teil der Sendung ging es um die Steuerreform. Hier verschoben sich die Fronten wieder. Jung-SVP-Chef Fischer und FDP-Veteran Müller kamen sich näher. Jungpolitiker Fischer trug seine Bedenken mit deutlich weniger Verve vor als noch beim AHV-Teil. Ihm passe zwar der Druck aus dem Ausland nicht. Grundsätzlich sei die SVP ja auch dafür, den Unternehmen Rechtssicherheit zu bieten. Aber nicht auf Kosten von so vielen Zugeständnissen an die Linke: «Hier stehe ich und kann nicht anders», begründete er mit Martin Luther seine Ablehnung.

Haareraufen bei Badran

Der Grüne Balthasar Glättli lief sich jetzt langsam warm. Er griff SP-Frau Badran für ihre Zugeständnisse an die Unternehmen an: «Statt Steuerschlupflöcher zu schliessen, machen wir neue auf.» Das werde in den Kantonen zu Sparprogrammen führen. Und darunter litten jene, welche auf staatliche Leistungen angewiesen seien. Badran wehrte sich gegen den Vorwurf: «Ja, wir geben neue Steuerprivilegien. Aber viel weniger, als es bisher gab.» Die Ausgestaltung der Vorlage sorge dafür, dass die Mindereinnahmen nicht noch grösser ausfielen.

Das menschlich so gut harmonisierende SP-FDP-Duett Badran/Müller geriet ob dem kantonalen Steuerwettbewerb aneinander. Als Müller dessen positive Wirkung auf die wirtschaftliche Situation der Schweiz in höchsten Tönen lobte, raufte sich Badran wortwörtlich die Haare: «Du bist Ständerat des Kantons Aargau. Du wirst vom Kanton Zug vorgeführt ‹wiene Moore›.»

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Fazit: Der Steuer-AHV-Deal ist kompliziert, das zeigte diese «Arena». Er bietet Angriffsflächen, die von den Gegnern links und rechts ausgenutzt werden können. Jung-SVP-Präsident Benjamin Fischer tat dies geschickt. Um das Paket durch eine Volksabstimmung zu bringen, müssen die Befürworter das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Treten sie dabei trotz unterschiedlicher Interessen so harmonisch und schlagfertig auf wie Müller und Badran, könnte es gelingen. Aber einfach wird es nicht. Schliesslich geht es um zwei «mega verknorzte, verkachelte Dossiers».

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94 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ökonometriker
06.10.2018 07:35registriert Januar 2017
Das Parlament hat hier einfach versagt, es hat seinen Job eben nicht gemacht - denn seine Lösung ist verfassungswidrig.
Wenn die Zeit eilt, dann können wir ja mal das Steuergesetz EU-Konform machen. Man kann dabei die Steuerrate für normale Unternehmen auch senken und nur für Holdings erhöhen - aber die Unternehmenssteuererträge können fürs erste ja konstant gehalten werden.
Eine allgemeine Steuersenkung für Unternehmen kann man dann wieder in einer eigenen Abstimmung thematisieren.

Bei der AHV dasselbe: man sollte separat über die verschiedenen Finanzierungsvehikel abstimmen können.
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Mizzi
06.10.2018 04:57registriert November 2016
Wieso muss die AHV zu Lasten der Arbeitnehmer saniert werden? Und gleichzeitig werden Unternehmen wieder beschenkt, damit ein paar wenige noch reicher werden?
Es gäbe viele interne Möglichkeiten, um Geld für die AHV zu organisieren. Etwa den Wasserkopf in der Verwaltung in Bern reduzieren. Oder weniger Mittel für unsere soziale Wohlfahrt. Oder endlich ein gleichberechtigtes AHV Alter für Mann und Frau. Wenn auch alle Frauen noch 3 Jahre länger einzahlen würden, könnte dies der AHV sicher helfen.

Eigentlich wäre alles sowieso kein Problem, wenn alle fair gem. Vermögen Steuern zahlen würden.
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dorfne
06.10.2018 09:56registriert Februar 2017
"Zustupf" an die AHV! Im Gegensatz zum Steuerteil wird es beim AHV-Teil kaum zu Steuerausfällen kommen, weil der grösste Teil von den 2 Mia direkt den Löhnen und dem Konsum belastet wird, durch Erhöhung der Lohnabzüge u.d. MwSt. Die ist übrigens eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Sie verteuert Alles, während Einkommen und Renten stagnieren. Auch die 2. Säule ist eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben.
4 Milliarden Verwaltungskosten. Pro Jahr. Damit verdient sich mancher Finanzberater eine goldene Nase.
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