Gruppenbild mit Pokal: Die jubelnden ZSC Lions. Bild: Keystone
28. Januar 2009: Welch ein Spiel! Welch ein Drama! Welch ein Triumph! Die ZSC Lions besiegen Metallurg Magnitogorsk sensationell mit 5:0 – und sind die Nummer 1 in Europa.
Magnitogorsk hat sich verspekuliert. Der Versuch, mit dem Einsatz von nur drei Linien die ZSC Lions diesmal von allem Anfang an in die Schranken zu weisen, mündete in einer logischen Niederlage. Im Schlussdrittel blieb eine der wuchtigsten Offensivmaschinen des internationalen Hockeys mit leeren Tanks stehen. Der Schweizer Meister, der die Belastung auf vier Linien verteilt hatte, war am Schluss frischer und besser.
Es war eine Partie, in der die ZSC Lions in den Bereichen Intensität, Disziplin, Tempo und Effizienz Weltklasseniveau erreichten. Aus den vier ersten Powerplays machten sie zwei Tore, eine Quote von 50 Prozent. Bereits 30 Prozent gelten als erstklassig.
Die Fans der ZSC Lions waren schon vor dem Spiel vom Triumph überzeugt. Bild: Keystone
Es war ein Drama. Denn die Zürcher standen lange Zeit immer wieder knapp am Abgrund. Wie im Hinspiel wankten sie. Aber sie fielen nicht. Sie hielten Ende des zweiten und Anfang des dritten Drittels beim Stande von 2:0 sogar während 72 Sekunden mit fünf gegen drei Feldspieler der russischen Offensiv-Dampfwalze stand.
Im Rückblick zeigt sich, dass die Champions League in diesen Sekunden entschieden wurde. Die Angriffskraft der Russen erschöpfte sich in dieser Powerplay-Situation.
Blaine Down trifft zum 1:0. Bild: Keystone
Dass es diesmal gelang, anders als im Hinspiel (2:2), den 2:0-Vorsprung zu halten und schliesslich komfortabel auszubauen, hat auch etwas mit den Fans zu tun. Es hat in den letzten 25 Jahren im internationalen Eishockey nicht manche so stimmungsvolle Partie gegeben wie das Rückspiel in Rapperswil – weil das Hallenstadion besetzt war, musste dorthin ausgewichen werden. Die Arena (6200 Fans, unter ihnen Sportminister Ueli Maurer) war von der ersten Sekunde an im guten Sinne ein Hexenkessel.
Das Drehbuch der Partie ähnelte durchaus jenem im Hinspiel. Die ZSC Lions kontrollierten die erste Hälfte des Spiels und gerieten dann erst im Laufe des zweiten Drittels immer stärker unter Druck gegen eine der offensiv stärksten Mannschaften der Welt. Aber diesmal befreiten sie sich in der Schlussphase wieder, und die letzten zehn Minuten wurden zum triumphalen Schaulaufen.
Pokal und Zahnlücke kennzeichnen Matthias Seger als erfolgreichen Eishockeyspieler. Bild: Keystone
Goalie Ari Sulander, auch in der Champions League «The Rock». Bild: Keystone
Damit ist auch angedeutet: Der Erfolg der ZSC Lions ist mehr ein Triumph der taktischen Intelligenz und der Disziplin als ein Triumph des reinen Talentes. Hinter vorgehaltener Hand hatten die russischen Spieler schon nach dem Hinspiel gemurrt, dass sie vom Coach nicht auf die Eigenheiten des Schweizer Meisters vorbereitet worden waren.
In ihrer eigenen Meisterschaft treffen sie nicht auf so gut organisierte, aggressive Gegner. Sich nicht um den Gegner zu kümmern und das eigene Spiel durchzusetzen, kann ein Zeichen des Selbstvertrauens sein, aber auch der Arroganz. Die besser vorbereitete, besser gecoachte Mannschaft gewann die Champions Hockey League. Dieser europäische Feldzug, den die ZSC Lions ohne Niederlagen in Schweden, Tschechien, Finnland und Russland überstanden haben (nur eine Niederlage nach Penaltys im Heimspiel gegen Prag), ist auch das Meisterstück des Coaching-Duos Sean Simpson/Colin Muller.
Trainer Sean Simpson und Stürmer Ryan Gardner feiern den Triumph. Bild: Keystone
Die Highlights des Finalrückspiels zwischen den ZSC Lions und Metallurg Magnitogorsk. Video: YouTube/DruidCraft
Der Gewinn der Champions League, an der sich 14 europäische Spitzenteams beteiligt hatten, ist der grösste Erfolg des Schweizer Mannschaftssportes und übertrifft alle Leistungen unserer Fussballteams in europäischen Wettbewerben. Es ist zugleich der grösste Erfolg unseres Eishockeys seit dem Gewinn der Europameisterschaft 1950 in London (und sollte erst 2013 mit WM-Silber übertroffen werden).
Die Zürcher besiegten auf ihrem Weg zum Triumph den Qualifikations-Zweiten aus Schweden (Linköpings) auswärts 7:2 und zu Hause 4:3, verloren zu Hause gegen den Tschechischen Meister Slavia Prag nach Penaltys 4:5 und sicherten sich das Weiterkommen mit einem 5:1 gegen den gleichen Gegner in Prag. Damit standen die ZSC Lions direkt im Halbfinale und qualifizierten sich mit einem 6:3 und 4:1 gegen Finnlands Vize-Meister Espoo Blues fürs Finale.
Goalie: Ari Sulander, Lukas Flüeler.
Verteidiger: Severin Blindenbacher, Claudio Cadonau, Beat Forster, Patrick Geering, Kevin Gloor, Philippe Schelling, Daniel Schnyder, Steven Schoop, Mathias Seger, Radoslav Suchý.
Stürmer: Jan Alston, Mark Bastl, Cyrill Bühler, Blaine Down, Ryan Gardner, Lukas Grauwiler, Oliver Kamber, Alexei Krutow, Aurelio Lemm, Thibaut Monnet, Domenico Pittis, Peter Sejna, Jean-Guy Trudel, Adrian Wichser.
Cheftrainer: Sean Simpson. Assistent: Colin Muller
Die ZSC Lions erklommen im Herbst 2009 auch noch den Mount Everest des Klubhockeys: Sie besiegten am 29. September 2009 im Zürcher Hallenstadion die Chicago Black Hawks 2:1 und gewannen den Victoria Cup. Es war der erste Sieg einer Schweizer Mannschaft über ein NHL-Team.
Dieser Sieg in der Champions Hockey League sollte einmalig bleiben: Nach nur einem Jahr gab es die europäische Klubmeisterschaft bereits nicht mehr. Die IIHF war auch nicht fähig, den Victoria Cup zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Die ZSC Lions sind bis heute die letzten Sieger dieses Wettbewerbes geblieben, der nur zweimal ausgetragen worden ist (2008, Sieger: New York Rangers und 2009, Sieger: ZSC Lions).
Noch ein Pokal: Matthias Seger stemmt den Victoria Cup in die Höhe. Bild: Keystone
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob hervorragende Leistung, bewegendes Drama oder witzige Anekdote – alles ist dabei.
Ajoie, Leader der Swiss League, besiegt in den Cup-Viertelfinals die ZSC Lions, den Leader der National League, mit 6:3. In den Halbfinals kommt es zu den Partien Ajoie – Biel und Rapperswil-Jona Lakers – Davos.
Einen Tag nach dem EHC Biel zieht auch Rapperswil-Jona in die Halbfinals des Schweizer Cups ein. Den EV Zug schlagen die Lakers mit 4:0. Vor zwei Saisons gewann Rapperswil-Jona als B-Ligist den Cup, letzte Saison verlor es gegen Zug erst den Cupfinal.
Die Revanche geriet zu einer klaren Sache. Bei der Rückkehr von Jeff Tomlinson an die Bande (nach Nierentransplantation) dominierten die Lakers von A bis Z. Sie kamen zu mehr Schüssen und zu mehr Chancen. Juraj Simek brachte die Lakers mit zwei …