Wegen vorsätzlicher Tötung muss sich die Sterbebegleiterin Erika Preisig ab Mittwoch vor dem Strafgericht Baselland verantworten. Die Anklage wirft der 61-jährigen Ärztin vor, eine urteilsunfähige depressive Frau in den Tod geschickt zu haben.
Die von der Staatsanwaltschaft als inkorrekt beanstandete Sterbebegleitung fand im Juni 2016 statt. Die 67-jährige Frau, die in einem Unterbaselbieter Alters- und Pflegeheim lebte, hatte sich an Preisigs Freitodbegleitungs-Organisation «Eternal Spirit» gewandt, nachdem ihr «Exit» nicht hatte beim Suizid helfen wollen.
Laut Anklage litt die Frau an einer «rezidivierenden depressiven Störung und einer Somatisierungsstörung». Beides sei als Krankheit nicht tödlich, hingegen sei ihre Urteilsfähigkeit nicht gegeben gewesen.
Preisig habe sie im «Eternal Spirit»-Lokal in Liestal in den Freitod begleitet, ohne zuvor ein unabhängiges psychologisches Fachgutachten einzuholen, moniert die Anklageschrift. Die Frau sei «augenscheinlich krank» gewesen; sie habe alle Therapievorschläge angelehnt und ihren Todeswunsch wiederholt.
Stattdessen habe Preisig als Ärztin einen Bericht verfasst zuhanden der von ihr selber präsidierten Organisation. Daneben habe sie bloss «einen kurzen Arztbericht eines ihr bekannten Hausarztes» bestellt. Dessen zwei Seiten erhielt sie im Mai 2016. Preisig habe so bewusst auf ungenügender Basis entschieden, dass die Frau urteilsfähig sei.
Preisig habe demnach «wissentlich und willentlich oder zumindest unter Inkaufnahme ihrer Urteilsunfähigkeit» die Freitodbegleitung gewährt. Die Ärztin habe gar der Sterbewilligen stets «suggeriert», urteilsfähig zu sein. Laut Anklage hat sie damit die Frau «als schuldlos handelndes 'Tatwerkzeug' beziehungsweise als Tatmittlerin» verwendet.
Am Ende habe die Frau selber «als Opfer - in Unkenntnis ihrer Urteilsunfähigkeit - das Rädchen der von der Beschuldigten gesetzten Handveneninfusion» mit der tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital geöffnet. Um 9.40 Uhr sei sie dann gestorben.
Die Anklageschrift attestiert zwar Preisig «höchstpersönlichen Idealismus». Sie zitiert aber auch Preisig, wonach diese bedaure, «dass ich keinen Psychiater und keinen Neurologen finde, der unsere Mitglieder in Hinsicht auf die Urteilsfähigkeit bei Todeswunsch beurteilt». Bei beiden Berufsgruppen gehe sie von «ethischen Gründen» aus.
Auf der «Eternal Spirit»-Homepage hat Preisig eine Stellungnahme zu den Vorwürfen publiziert, nachdem diese von Medien aufgenommen worden waren. Die Ärztin attestiert darin der Frau ein «chronisches Schmerzsyndrom mit unerträglichen Bauch- und Muskelkrämpfen».
Dass sich diese Schmerzen schulmedizinisch «nicht restlos erklären» liessen, habe ein von der Staatsanwaltschaft bestelltes Gutachten zum Schluss geführt, dass die Urteilsfähigkeit der Frau infrage gestellt werden müsse.
Dies ist jedoch laut dem Text eine «unhaltbare Schlussfolgerung» der Strafverfolger: Für die Frau seien die Schmerzen real gewesen, ein Arzt und eine Ärztin hätten sie unabhängig voneinander beurteilt, und die Urteilsfähigkeit bestätigt hätten damals auch der Sohn, nächste Freunde und die Heim-Stationsleiterin.
Weiter wirft die Anklage Preisig Verstösse gegen das Heilmittelrecht von Bund und Kanton vor: Sie soll seit 2013 unerlaubt Dosen des tödlichen Mittels an Lager genommen haben, ohne dass diese einzelnen Personen zugeordnet waren. Das Etikettieren respektive Umbenennen sei juristisch als illegale Herstellung von Medikamenten zu werten.
Im Kanton Basel-Landschaft ist dieser der erste Fall, bei dem im Zusammenhang mit Sterbehilfe ein Tötungsvorwurf auf dem Tisch ist. Das Urteil wird nach vier Prozesstagen am 9. Juli eröffnet.
«Eternal Spirit» hatte früher ein Sterbelokal in Basel, das mangels Zonenkonformität aufgeben wurde. Nachdem Bereicherungsvorwürfe aufgekommen waren, klärte die baselstädtische Staatsanwaltschaft 2015 allfällige Straftatbestände ab. Gemäss einer Medienmitteilung von damals waren die Rechnungen und Geldflüsse jedoch völlig korrekt. (aeg/sda)
Aus dem Text ist doch zu schliessen, dass Frau Preisig lediglich der leidenden Person helfen wollte und muss nun für ihre Hilfe (wahrscheinlich) vor der Schweizer Justiz bluten.
Wieder wird suggeriert, dass sich der kleinliche Schweizer Bürger ja nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen solle, auch wenn dies eine Hilfe bedeutet.
Ich kann gut nachvollziehen, dass Psychiater eine Beurteilung ablehnen. Man stelle sich nur vor, einer würde die Urteilsfähigkeit bezeugen, der Mensch nimmt Sterbehilfe in Anspruch und anschliessend kommt es zu einer Klage. Ein anderer Psychiater würde das Gutachten des ersten anzweifeln und schon sitzt man in Teufels Küche.
Mir bereiten solche Verfahren Bauchweh, da ich die Sterbehilfe für enorm wichtig halte.
Bestimmt war diese Art zu gehen schöner, als wenn sie sich von einer Brücke oder vor einen Zug hätte stürzen müssen.