Seit dem Wiederaufstieg von 1982 ist Lugano in seinem Selbstverständnis «grande». Die erste Adresse für die klingendsten Namen und höchsten Saläre. Nun befindet sich der Klub im grössten Umbruch seiner neueren Geschichte. Kann Lugano vorübergehend auch Mittelmass?
Dass wieder einmal ein neuer Trainer kommt, ist nicht ungewöhnlich. Lugano hat in seit dem letzten Titel von 2006 oft den Trainer gewechselt und manchmal auch während der Saison. Dass der erfolglose Sportchef Roland Habisreutinger nach zehn Jahren ohne Titel den Schreibtisch räumen musste und dass Torhüter Elvis Merzlikins das Abenteuer NHL wagt, ist den Gesetzen dieses Geschäftes geschuldet.
Es ist ein anderer Wechsel, der uns das neue, bescheidene Lugano zeigt. Obwohl die Fans in einem Spruchband gefordert hatten, sie solle das Portemonnaie öffnen, hat die kluge Präsidentin Vicky Mantegazza bei Grégory Hofmann auf ein Salär-Wettbieten verzichtet (das sie aus der Portokasse hätte gewinnen können) und ihn nach Zug ziehen lassen.
Das wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen und hätte dem Selbstverständnis des «Grande Lugano» widersprochen. Der charismatische Publikumsliebling, bester Torschütze der Liga (letzte Saison 30 Tore) und WM-Silberheld von 2018 wird durch Zugs Reto Suri ersetzt, der nicht in erster Linie für Tore steht (er hat letzte Saison 18 erzielt). Sondern für vorbildliche Arbeitseinstellung, Leitwolfqualitäten, Bescheidenheit, intensives Spiel und Leidenschaft. Eigenschaften, die die Präsidentin schätzt.
Kann Lugano bescheiden sein? Wenn wir die Spielerliste durchgehen, dann ist die Antwort auf diese Frage ganz einfach: Lugano bleibt inzwischen gar nichts anderes als die Bescheidenheit. Die Mannschaft ist eine der nominell schwächsten (bescheidensten) seit der Rückkehr in die höchste Liga im Frühjahr 1982. Grégory Hofmann und Elvis Merzlikins, die zwei charismatischsten Einzelspieler sind gegangen und nicht gleichwertig ersetzt worden. Die Leitwölfe bekommen graue Haare: Alessandro Chiesa ist 32, Linus Klasen 33, Raffaele Sannitz 35 und Julien Vauclar gar schon 39. Und Sami Kappanen hat als Coach ausser dem Spengler Cup noch nie etwas gewonnen. Da ist wahrlich Bescheidenheit eine hilfreiche Tugend.
Aber im Schafspelz der Bescheidenheit trabt immer noch der Wolf des Luxus, der grossen alten Zeit. Der Widerspruch zwischen der wahren Identität und sportlicher Wirklichkeit zeigt sich in der Wahl des Trainers: ein grosser Name musste es sein. Sami Kapanen ist einer der grossen Namen des Welteishockeys. Als Spieler, aber nicht als Trainer. Bisher genügte es, wenn er die Finnen verstand. Nun muss er eine Mannschaft mit Finnen, Italienern, Kanadiern, Österreichern, Bernern, Schwyzern, Zürchern, Zugern, Tessinern, Freiburgern, Neuenburgern, Genfern und Bündnern verstehen. Diese Herausforderung ist mindestens so gross wie einst die Bauleitung beim Turmbau von Babel.
Trainer: Sami Kapanen (Fi, neu).
Sportchef: Hnat Domenichelli (Ka/Sz, neu).
Letzte Saison betrug Luganos Reserve auf Rang 9 gerade 4 Punkte. Der Optimist sagt: nach vorne ist vieles möglich. Der Realist warnt: Lugano steht auf dünnem Eis. Denn nun kommt ein Trainer, der im Vorjahr in Finnland die Playoffs verpasst hat. Der zweifache Finalgoalie Elivs Merzlikins und Torschützenkönig Grégory Hofmann haben neue Arbeitgeber. Praktisch jedes Jahr verpasst ein Titan die Playoffs und Lugano hat schon mit besseren Teams und erfolgreicheren Trainern die Playoffs verpasst.
Die SCL Tigers stürmten letzte Saison bis an die Schwelle der Halbfinals. Nun ist die bange Frage: kann diese perfekte Saison wiederholt werden?
Es war, als hätten die gut gelaunten Hockey-Götter das Saison-Drehbuch geschrieben. Ein bäumiger Start. Von allem Anfang an in der Tabelle auf einem Playoffplatz. Der weithin unbekannte Junior Andrea Glauser spielt wie ein Ausländer und Verteidigungsminister. Der Heimkehrer Chris DiDomenico ist ein charismatischer Held und erfüllt die himmelhohen Erwartungen («Jesus Chris») – als sei er nur kurz weg gewesen, um Brötchen zu holen und nie als «Verräter» in Nordamerika. Harri Pesonen wird am Ende gar Weltmeister. Captain Pascal Berger kämpft wie einst der meisterliche Leitwolf Michael Horisberger. Damiano Ciaccio hext nach der Verletzung von Ivars Punnenovs das Team allein in die Playoffs und die Schlüsselspieler bleiben weitgehend von Verletzungen verschont. Kein «Gschtürm» in der Kabine, kein «Gschtürm» im Management, kein «Gschtürm» mit dem Trainer. Der Hockey-Tempel meistens bis auf den letzten Platz gefüllt. Und schliesslich fehlt nur ein einziger Sieg fürs erste Halbfinale der Geschichte.
Allenthalben war es Rühmen und Lobpreisen wie man es seit den grossen meisterlichen Zeiten der 1970er Jahren im Emmental nicht mehr gekannt hat. Ist das alles nun die wunderbare neue Wirklichkeit oder waren es einfach ein paar schöne Monate, denen bald wieder böse Wetter, Sturm, Hagel, Blitz, Donner und Frost folgen? Niemand vermag es zu sagen. Auch in den Büchern von Jeremias Gotthelf und Simon Gfeller finden wir keine Antworten. Aber wenn Präsident Peter Jakob und Trainer Heinz Ehlers das Glück nicht festhalten können – wer vermag es dann?
Die Voraussetzungen für eine erneute Playoff-Qualifikation sind gut. Sportchef Marco Bayer hat die Spielstärke der Mannschaft auf dem Transfermarkt verteidigt und die Kadertiefe so weit vergrössert, dass es inzwischen möglich ist, die vier ausländischen Stürmer auch mal auf vier Linien zu verteilen. Erfolgstrainer Heinz Ehlers, beide Goalies und die zwei wichtigsten Ausländer (Harri Pesonen, Chris DiDomenico) sind geblieben. Auf den ausländischen Stürmerpositionen ist Langnau mindestens so gut besetzt wie der SCB, Biel oder die ZSC Lions.
Die Langnauer sind inzwischen dazu in der Lage, ihr Spiel gegen jeden Gegner durchzusetzen. Die bange Frage ist, ob sie bei der extremen Abhängigkeit von den ausländischen Stürmern – nur vier Schweizer haben letzte Saison mehr als drei Tore erzielt – dazu in der Lage sind, unter Druck Spiele zu gewinnen, die sie gewinnen müssen um in die Playoffs zu kommen. Die SCL Tigers stehen offensiv auf dünnem Eis: letzte Saison waren sie bei den erzielten Toren nur die Nummer 8 und im Powerplay die Nummer 7 der Liga.
Seit zweieinhalb Jahre läuft es so wie Heinz Ehlers will und er geniesst so viel Respekt wie nie mehr ein Trainer seit Gian Bazzi, den die Spieler in den 1960er Jahren mit einem Brief baten, er möge bleiben als er Langnau nach fünf Saisons verliess. Wir wissen, dass Langnau mit Heinz Ehlers Playoffs kann. Aber wir wissen noch nicht, ob Langnau mit Heinz Ehlers Krise kann.
Trainer: Heinz Ehlers (Dä, 4. Saison).
Sportchef: Marco Bayer (Sz, 3. Saison).
Die SCL Tigers sind auf dem Papier mindestens gleich gut wie letzte Saison. Die Playoff-Architekten (Trainer, Torhüter, Captain, die besten zwei der fünf Ausländer) sind geblieben und die Mannschaft ist sogar etwas ausgeglichener geworden. Aber bei Lichte besehen war der 6. Platz ein kleines Wunder. Es wäre deshalb vermessen, die Wiederholung eines Wunders zu erwarten. Die Playoffs auf Rang 7 sind eigentlich bereits eine optimistische, ja gewagte Prognose.
Erstmals seit 1996 beginnt der HCD eine Saison ohne Arno Del Curto. Eine neue Ära hat begonnen. In Zeiten des Umbruches hat der HCD das Potenzial, die Überraschungsmannschaft der Saison zu werden.
Der neue Trainer Christian Wohlwend ist Engadiner. Wie Arno Del Curto. Er kommt als U20-Nationaltrainer nach Davos. Wie Arno Del Curto. Also ist Christian Wohlwend der neue Arno Del Curto. Nein, ist er nicht. Christian Wohlwend ist sogar ein «Anti-Arno».
Arno Del Curto war im Laufe seiner biblischen Amtsdauer von 22 Jahren ein «Diktator» geworden. Ein Machtrainer. Eifersüchtig darauf bedacht, alles unter Kontrolle zu haben und vereinigte schliesslich alle wichtigen Funktionen auf sich: Coach, Trainer, Sommertrainer, Sportdirektor, Kommunikationschef. Seine Assistenten waren mit Ausnahme von Torhütertrainer Marcel Kull Statisten ohne jeden Einfluss. Alles drehte sich in Davos um die Wünsche und Launen von Arno Del Curto.
So hat Davos sechs Titel gewonnen und unser Hockey geprägt. Aber dieser zentralistische Führungsstil ist heute nicht mehr möglich. Christian Wohlwend ist im Vergleich zu seinem Vorgänger ein Basisdemokrat. Er verteilt Macht und Verantwortung auf zwei Assistenten, einen Video-, einen Athletik- und einen Goalie-Coach. Sportdirektor ist sein Freund Raeto Raffainer.
Ein ganzes Team ist also notwendig, um Arno Del Curto zu ersetzen. Eine Schicksalsgemeinschaft wagt das Abenteuer Davos als sei es eine Polarexpedition. «Aber wir sind keine Desperados.» sagt Raeto Raffainer. Wir sind alle hier, weil wir uns diese Herausforderung nicht entgehen lassen wollen. Wir hatten alle gute Jobs und haben alle gekündigt. Unser Offensiv-Coach Johan Lundskog hatte gerade mit Frölunda die Champion League und die Meisterschaft gewonnen und hätte noch jahrelang bleiben können. Unser Defensiv-Coach Waltteri Immonen hatte einen laufenden Vertrag in Kloten. Christian Wohlwend war als U20-Nationaltrainer und Peter Mettler als Goalietrainer beim Verband angestellt. Und ich hatte dort als Sportdirektor einen Job, den ich liebte. Wir hätten alle bleiben können. Aber wir sind extrem motiviert, diese Chance zu packen und den HCD wieder dorthin zu führen, wo er hingehört.»
Aber ist die Mannschaft, die im letzten Frühjahr als 11. der Qualifikation die Playouts gegen die Lakers bestreiten musste, besser geworden? Andres Ambühl hat wohl seine beste Zeit hinter sich, Enzo Corvi kann Reto von Arx nicht die Schuhe binden, Fabrice Herzog war in Zürich ein Mitläufer und die Gebrüder Wieser waren brave Unteroffiziere unter Arno Del Curto. Wo ist da die Führungsgruppe?
Christian Wohlwend sagt: «Wir leben im hier und jetzt. Wir kreieren eine neue Führungsgruppe, wir geben jedem eine neue Rolle. Die Gebrüder Wieser bekommen eine neue Chance und können in eine neue Rolle hineinwachsen. Und zu Andres Ambühl: Unterschätzen Sie nicht, welch unheimliche Energie er hat.»
Der Abgang von Arno Del Curto hat Davos die Chance zum Neuanfang beschert, die Präsident Gaudenz Domenig mit einer klugen Personal-Politik nützt. Er wird die Geduld nicht verlieren, wenn es nicht gleich wunschgemäss laufen sollten. Es gibt auch einen HCD nach Arno Del Curto.
Trainer: Christian Wohlwend (Sz, neu).
Sportchef: Raeto Raffainer (Sz, neu).
Die Davoser haben letzte Saison die Playoffs um 24 und die Rettung vor den Playouts um 23 Punkte verpasst. Ist der HCD nun um 24 Punkte besser? Nein. Die Mannschaft ist nominell nicht viel besser als jene, die letzte Saison gerade mal den zweitletzten Platz belegt hat. Aber wir gehen davon aus, dass der HCD im letzten Frühjahr weit unter seinem tatsächlichen Wert klassiert war. Die Veränderungen in Davos kommen einer Revolution gleich und setzen Energie frei. Aufbruchstimmung unter einer neuen sportlichen Führung, bessere Ausländer und kein Theater um die Goalies – das müsste eigentlich für die Rückkehr in die Playoffs reichen.
Und dann sind da so Sachen drin wie:
"Auf den ausländischen Stürmerpositionen ist Langnau mindestens so gut besetzt wie der SCB, Biel oder die ZSC Lions."
MUAHUAHUA
Nein, nichtmal ansatzweise.. einfach nein...
Lugano die Wundertüte. Denke ganz nach dem Motto Weniger ist mehr, wird das "bescheidene Lugano" besser sein als das grossgekotzte.
Überraschen hingegen würde mich eine Davoser Playoffquali.