Kari Jalonen (57) ist ein grosser Hockey-Feldherr. SCB-General Marc Lüthi bezeichnet seinen Trainer gar als «den Grössten Europas». Der «Arno Del Curto des Nordens» wirkt vor der grossen Bewährungsprobe ruhig und gelassen. Er weiss, dass er alles getan hat, was getan werden kann.
Kein anderer SCB-Trainer der «Ära Lüthi» (ab 1998), hatte alles, auch die Meiden, so im Griff. Dazu eine Episode. Früher verabredeten sich die Stadtberner Hockey-Chronisten während der Saison bloss an SCB-Spieltagen gegen die Lakers zum Jassen. Weil nur an diesen Abenden einigermassen sicher war, dass beim SCB nichts passiert und nicht noch Seiten umgestellt werden müssen.
Seit Kari Jalonen das Kommando übernommen hat, treffen sich die Chronisten während der Qualifikation an beliebigen Abenden. Es passiert nichts mehr beim SCB. Kürzlich fragte ein langjähriger SCB-Beobachter: «Gibt es eigentlich einen Grund, warum wir nicht Meister werden?» So ist in Bern noch nicht oft gefragt worden.
Wie ist diese unaufgeregte Zuversicht, diese monatelange Ruhe vor dem Play-off-Sturm möglich? Kari Jalonen sagt: «Es ist die tägliche Detailarbeit. Nur wenn wir jeden Tag auf jedes Detail achten, entwickeln wir eine Siegermentalität.» Siegen als Gewohnheit. Das ist die Botschaft aller grossen Trainer. Er duldet keine Halbheiten. «Ein Arbeitstag ist ein Arbeitstag.» Wie sagte doch schon Carl von Clausewitz, der Urvater aller Strategen: «Je mehr ein Trainer gewohnt ist, von seinen Spielern zu fordern, um so sicherer ist er, dass die Forderungen geleistet werden.»
Zu diesen Details gehöre auch, dass der SCB mit einer Stimme spreche. «Es kann nicht sein, dass ich in einem Interview etwas anderes sage als in der Kabine. Das würde das Vertrauensverhältnis beeinträchtigen.» Kari Jalonen ist ein Hexenmeister der nichtssagenden Kommunikation. Auf alle kritischen Fragen hat er eine Allerweltsantwort, die allen Trainern zu empfehlen ist. Im Hockey und im Fussball. «Ich muss das erst auf dem Video sehen ...»
Und so hat der SCB die ruhigste Qualifikation seit Einführung der Play-offs (1986) hinter sich. Unaufgeregt haben die Berner erstmals seit 2010 die Qualifikation gewonnen.
In seiner Detailbesessenheit mahnt Kari Jalonen an Arno Del Curto und auch an seinen gescheiterten Vorgänger Guy Boucher. Mit einem entscheidenden Unterschied zum Kanadier. Er sagt: «Eishockey darf nie nur Arbeit sein. Eishockey muss ein Spiel bleiben.»
Ein Spiel auf einer rutschigen Unterlage bleibt unberechenbar. Selbst für einen, der an alles gedacht hat. Deshalb sagt Kari Jalonen auch: «Manchmal sind alle Konzepte Makulatur, wenn der Puck eingeworfen wird.»
Die Ungewissheit über den Ausgang hat Namen. Kari Jalonens Glück hängt erst einmal ausgerechnet an zwei ehemaligen HCD- Meistergoalies. An Leonardo Genoni (29) und Jonas Hiller (35).
Niemand weiss besser als die Berner, dass auch ein himmelhoher Favorit scheitern kann. Sie sind selber als Qualifikationssieger dreimal im Viertelfinale auf der Strecke geblieben (2006, 2008, 2009) und letzte Saison holten sie vom 8. Platz aus den Titel. Wenn das nicht als Warnung reicht, so sei das Unglück erwähnt, das sich kürzlich auf der anderen Strassenseite des Hockeytempels in Bern zugetragen hat: YB ist im Cup gegen das zweitklassige Winterthur sensationell gescheitert.
Nun ist der Unterschied zwischen den Leistungskulturen der beiden Berner Sportunternehmen YB und SCB eher noch grösser als die Differenz in der Unternehmensphilosophie zwischen dem Erotikmarkt Lyssach und dem Vatikan.
Aber Kari Jalonen kann gegen Biel scheitern. Biels ehemaliger Trainer Kevin Schläpfer sagt: «Wenn Jonas Hiller sein bestes Hockey spielt, Biel den ersten Ansturm der Berner übersteht und die Torchancen bei schnellen Kontern ausnützt, dann ist alles möglich.» Er geht davon aus, dass Jonas Hiller überragend sein wird. «In den Play-offs wird sich seine immense Erfahrung auszahlen.»
Der ehemalige HCD-Meistergoalie (Titel 2005 und 2007) hat sich neun Jahre lang in der NHL bewährt und in der wichtigsten Liga der Welt jede Saison ausser der letzten immer über 90 Prozent der Schüsse abgewehrt. Auch wenn er den Stanley Cup nicht geholt hat – er ist noch eine Nummer grösser als David Aebischer und Martin Gerber.
Der SCB wird über Biel hinwegfegen, als sei der Leibhaftige vom Gurten herabgefahren. Aber Jonas Hiller kann den SCB aufhalten wie Josua den Lauf der Sonne. Und dann hängt das SCB-Schicksal an Leonardo Genoni, dem HCD-Meistergoalie von 2009, 2011 und 2015.
Nach menschlichem Ermessen wird der SCB nämlich auch gegen einen überragenden Jonas Hiller ein oder zwei Tore erzielen. Dann wird es einfach eine knappe, mühsame Angelegenheit. Aber nur eine siegreiche, wenn Leonardo Genoni dicht hält.
Auf Jonas Hiller werden die Pucks hereinprasseln. Er wird schnell warm werden. Die Aufgabe für Leonardo Genoni ist eine schwierigere: Bei wenig Arbeit cool und konzentriert bleiben und die raren Bieler Chancen zunichte machen. Nichts wäre fataler als ein Kontertreffer in eine SCB-Überlegenheit hinein. Ein Tor, das den Bielern Energie, Flügel verleiht und die SCB-Selbstsicherheit erschüttert.
Nicht nur Jonas Hiller, auch Leonardo Genoni muss sein bestes Hockey spielen. Wozu er eigentlich in der Lage sein sollte. Er sagt: «Die Umstellung auf eine neue Mannschaft, auf neue Verteidiger und ein anderes Spielsystem war für mich nicht ganz einfach.» Kenner sagen, er habe nicht nur diese Umstellung geschafft, er sei jetzt sogar noch besser als in Davos.
Kari Jalonen ist einer der grossen Trainer Europas. Auf den ersten Blick eine klare Sache. Aber wer es in Biel schafft, «Hockey-Gott» Kevin Schläpfer vergessen zu machen, ist auch ein grosser Coach. Deshalb hat Sportchef Martin Steinegger den Vertrag mit Mike McNamara um ein weiteres Jahr verlängert – und schätzt ihn somit höher ein als den letztjährigen SCB-Meistertrainer Lars Leuenberger, der gerne nach Biel gekommen wäre.
Kari Jalonen hat alles im Griff und bisher ist alles so gelaufen wie geplant. Aber wir wissen noch nicht, wie er reagieren wird, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen – was ja in den Play-offs hin und wieder passieren kann. Mike McNamara hat nichts zu verlieren und der schlaue Taktiker lässt sich auch vom Titanen SCB nicht einschüchtern.
Leonardo Genoni ist statistisch der beste Torhüter der Qualifikation (Fangquote 93,61 Prozent). Besser als Jonas Hiller (91,55 Prozent). Hat die Statistik recht? Ja.
Jonas Hillers Prestige ist aufgrund seiner NHL-Vergangenheit grösser. Wenn wir also zu einer ganz sachlichen Beurteilung kommen wollen, dann müssen wir vergessen, was war, und ganz naiv fragen: Und wie würden wir ihn einschätzen, wenn er Fridolin Müller heissen würde? Nun, dann würden wir ihn als routinierten und guten, aber nicht mehr als ganz grossen Torhüter einschätzen. Und wir würden sagen:
Der SCB (160 Tore) hat nach den ZSC Lions (165) die zweitbeste Offensive der Liga. Dagegen ist Biels Sturm (146) eher ein laues Lüftchen. Aber nicht diese Statistik zeigt den Vorteil der Berner. Der SCB funktioniert wie eine Maschine und kann während eines ganzen Spiels ununterbrochen Druck entwickeln. So wird im Normalfall eine gegnerische Abwehr schliesslich zermürbt. Der verletzungsbedingte Ausfall des jungen offensiven Leitwolfes Gaëtan Haas (nächste Saison beim SCB) fehlt Biel beim schnellen Konterspiel.
Statistisch hat Bern (114 Gegentreffer) die beste Abwehr der Liga. Von allen für die Play-offs qualifizierten Teams hat nur Lugano (155) noch mehr Gegentreffer kassiert als Biel (140). Noch Fragen? Keine? Gut.
Der SCB braucht nicht mehr als sechs Partien.