Niklas Schlegel hat für die ZSC Lions den Sieg gegen Gottéron (3:1) festgehalten. Mit einer famosen Fangquote von 96,15 Prozent. Aber die Nummer 1 wird er in Zürich trotzdem nicht. Die ist für Lukas Flüeler (30) reserviert. Den Meistergoalie von 2012, 2014 und 2018 mit Vertrag bis 2020. Den Titanen, der zweimal auswärts (in Bern und in Lugano) das 7. Finalspiel gewonnen hat.
Der SC Bern muss auf nächste Saison Leonardo Genoni (32) ersetzen. Er wechselt mit einem Fünfjahresvertrag zum EV Zug.
Noch im Herbst schien klar: Nur ein ausländischer Torhüter kann in den Schuhen des WM-Silberhelden stehen.
Aber inzwischen hat sich die Situation verändert. Erstens hat SCB-Manager Marc Lüthi eine hockeypolitische Niederlage erlitten. Sein Antrag auf eine Erhöhung der Anzahl Ausländer (von 4 auf 6) ist von der Liga wuchtig abgeschmettert worden. Das bedeutet: weiterhin nur vier ausländische Arbeitnehmer.
Zweitens hat das «Bundesamt für Transferwesen» unter der Leitung von Alex Chatelain diese Saison so ziemlich alles verschlafen, was verschlafen werden konnte.
In den letzten Wochen ist emsig transferiert worden. Talente und Titanen haben für die nächste Saison bei neuen Arbeitgebern unterschrieben – nur nicht beim SCB. Was angesichts von Alex Chatelains letztjähriger Transferbilanz kein Nachteil sein muss: Die von ihm verpflichteten drei Stürmer Matthias Bieber, Gregory Sciaroni und Daniele Grassi haben es diese Saison in insgesamt 58 Partien auf famose 2 Tore gebracht.
Item, damit ist klar: Der SCB kann es sich bei Lichte besehen nächste Saison eigentlich gar nicht leisten, eine Ausländerlizenz für die Torhüterposition zu verschwenden. Es braucht vier Ausländer im Felde. Sonst wird es schwierig, die Spitzenposition zu verteidigen. In diesen Tagen machen die Davoser ja gerade die bittere Erfahrung, dass selbst ein ausländischer Torhüter mit WM- und NHL-Erfahrung (Anders Lindbäck) überfordert sein kann. Der Schwede ist die einzige klare Nummer 1 der Liga, die weniger als 90 Prozent der Pucks abgewehrt hat. Der HCD steckt in seiner schwersten sportlichen Krise seit dem Wiederaufstieg.
Der finnische Erfolgstrainer Kari Jalonen hat mit seinem «Schablonen-Hockey» den SCB zum Tabellenführer und zum defensiv besten Team der Liga geformt (am wenigsten Gegentreffer). Es ist gewiss einfacher, hinter der SCB-Abwehr im Tor zu stehen als beispielsweise hinter der ZSC- oder der HCD-Verteidigung.
Niklas Schlegel hat in Zürich genug Erfahrung gesammelt, um die Herausforderung Bern zu meistern (102 NLA-Spiele) und ist ein WM-Torhüter (2017). Marco Bührer kam 2001 mit weniger guten Referenzen und zwei Jahren weniger NLA-Erfahrung im Alter von 22 Jahren von Chur nach Bern und ist ein mehrfacher Titelgoalie geworden.
Vom Stil her ist Niklas Schlegel so etwas wie ein «Reto Pavoni des 21. Jahrhunderts». Er ist gleich gross (178 cm) wie Klotens Kultgoalie und vom Stil her durchaus typähnlich. Kurzum: Es gibt eigentlich keinen Grund, warum Niklas Schlegel beim SCB nicht genauso zum Titanen reifen kann wie einst Marco Bührer.
Also geht die Frage fernmündlich an seinen in New York weilenden Agenten André Rufener: Stehen Sie mit SCB-Sportchef Alex Chatelain in dieser Sache nach wie vor in Kontakt? Die Antwort kommt ohne jede Verzögerung und unmissverständlich: «Yes!» Und er bestätigt folgerichtig auch, dass der auslaufende Vertrag mit den ZSC Lions nach wie vor nicht verlängert worden sei. Wer verlängert denn schon in Zürich als Nummer 2, wenn nach wie vor die Chance besteht, beim SCB die neue Nummer 1 zu werden? Eben.
Der SCB-Sportchef hat eigentlich kaum eine andere vernünftige helvetische Alternativlösung als Niklas Schlegel. Er braucht einen mental robusten Torhüter, der die Gänge und Läufe im Fuchsbau eines Grossklubs kennt, sich bereits unter maximaler Belastung in der Liga und international bewährt und seine besten Jahre noch vor sich hat. Als Nummer zwei kann Alex Chatelain seine Nummer 2 Pascal Caminada (32) eine weitere Saison beschäftigen.
Das Risiko einer Lösung Schlegel/Caminada wäre also vertretbar. Und wenn das Experiment scheitern sollte, so ist es immer noch möglich, während der Saison einen ausländischen Goalie zu verpflichten. So wie im Laufe der Saison 2015/16, als der Tscheche Jakub Stepanek den verletzten Marco Bührer ersetzt und den SCB schliesslich sensationell vom 8. Platz aus zum Titel gehext hat.
Allerdings gilt es um der historischen Wahrheit willen eine kleine Anmerkung zu machen: Damals war Sven Leuenberger (heute ZSC-Sportchef) nach wie vor beim SCB beschäftigt und Sportchef-Zauberlehrling Alex Chatelain konnte ihn um Rat fragen.
Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht hier keinesfalls um eine Polemik gegen den tüchtigen Alex Chatelain. Da seien die Hockeygötter davor!
Ob er als grosser oder kleiner SCB-Sportchef in die bernische Sportgeschichte eingehen wird, hängt allerdings davon ab, ob es ihm gelingt, die Nachfolge von Leonardo Genoni erfolgreich zu regeln. Der «Planet SCB» ist kein Ponyhof. Ehre, wem Ehre gebührt. Aber wenn er einen Lottergoalie holt, wird er halt ein Lottersportchef.
Affaire à suivre.