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Bist du ein Troll? Dieses Programm entlarvt dich nach nur fünf Kommentaren

Trolle machen auch Computerprogrammen das Leben schwer.
Trolle machen auch Computerprogrammen das Leben schwer.Bild: Flickr/Matthijs Rouw (CC-Lizenz)

Bist du ein Troll? Dieses Programm entlarvt dich nach nur fünf Kommentaren

Das Moderieren von Leserkommentaren ist eine Heidenarbeit. Könnte das auch ein Computer übernehmen? Forscher sagen Ja. Bei Schweizer Newsportalen ist man skeptisch.
24.04.2015, 08:5424.04.2015, 11:40
Roman Rey
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Foren und Kommentarspalten im Internet haben eine merkwürdige Wirkung auf Menschen: Sie verwandeln unscheinbare Zeitgenossen in geifernde Biester, sogenannte Trolle. Sie beleidigen User, stören Diskussionen und haben das Potential, Debatten zu vergiften.

Forscher der Universtitäten Stanford und Cornell wollen eine effiziente Lösung gegen diese Spezies gefunden haben: Einen Algorithmus, der nach nur fünf Posts vorhersagen kann, ob ein User zu einem zukünftigen Zeitpunkt gesperrt wird. Und das mit 80 Prozent Genauigkeit.

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Entwickelt haben sie ihn aus den Resultaten einer Studie, für die sie 18 Monate lang die Diskussionen auf cnn.com, der politischen News-Seite Breitbart und der Game-Seite IGN unter die Lupe genommen haben: Dafür wurden 1,7 Millionen User, 40 Millionen Kommentare, 100 positive oder negative Votes (bei watson sind das die Herzchen und Blitze) analysiert.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie

Posts von Trollen ...

  • sind schwerer verständlich.
  • enthalten mehr Schimpfwörter.
  • sind weniger «ähnlich» als die Mehrheit der Kommentare zu einem Thema.
  • erhalten mehr Antworten von anderen Usern.
  • konzentrieren sich auf wenige Themen statt auf viele verschiedene.

Ausserdem:

  • Die Qualität der Posts von Trollen nimmt mit der Zeit ab.
  • User, die Anfangs stark zensiert werden, verhalten sich später eher asozial.
  • Moderatoren verlieren ihre Toleranz (je länger ein Troll dabei ist, desto erbarmungsloser werden seine Posts gelöscht).

Eine Umfrage bei «Blick», «Tages-Anzeiger» und watson zeigt: Diese Verhaltensmuster sind den Verantwortlichen nur allzu bekannt. Kann man die Moderation von Leserkommentaren also getrost einer Software überlassen?

Bei den Schweizer Newsportalen, wo alles von Hand freigeschaltet wird, ist man skeptisch. «Ich traue solchen Algorithmen nicht», sagt Christian Lüscher. Er ist für die Community von «Tages-Anzeiger»/Newsnet (zu dem die Online-Auftritte der «Basler Zeitung», «Berner Zeitung» und «Der Bund» gehören) zuständig. Bei Versuchen hätten sich derartige Programme immer wieder als unzuverlässig herausgestellt.

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Bild: giphy

Ähnlich tönt es beim «Blick»: «Ich habe noch kein einziges System gesehen, das man zu 100 Prozent guten Gewissens laufen lassen könnte und Kommentar-Freischalter überflüssig werden», sagt Social-Media-Manager Benjamin Rüegg. Ausserdem würden Leser immer wieder wertvolles Feedback liefern, welche einem Computer entgehen würden.

Torsten Beeck ist Head of Social Media bei Spiegel Online. Vorher war er in derselben Funktion bei «Bild» tätig, wo täglich bis zu 20'000 Kommentare von Lesern geschrieben werden. Er beschreibt die Tücken von automatischen Kommentarfiltern: «Das Problem bei Trollen ist, dass diese vielfach eben nicht pöbeln, schimpfen und ihre Meinung durchaus ausformuliert verbreiten. Denen ist auch mit solchen Tools nur sehr schwer beizukommen.»

Und fügt hinzu: «Die Gefahr ist dann, dass man Nutzer voreilig von einer Diskussion ausschliesst und Ironie und inhaltliche Überspitzung keinen Platz mehr finden.»

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Bild: giphy

Diskussionskultur fördern

Auch wenn man dem Computer nicht die volle Verantwortung geben will, zur Unterstützung zieht man ihn hinzu. Bei mehreren Schweizer News-Seiten werden User mit einem «Karma»-System bewertet: Wer viele Troll-Kommentare schreibt, landet auf einer Liste und zukünftige Kommentare werden seltener durchgelassen.

Der «Tages-Anzeiger» konnte die Diskussionskultur in den letzten Jahren mit gezielten Massnahmen steigern. «Früher mussten wir jeden zweiten Kommentar löschen, jetzt schalten wir 80 Prozent frei.» Im Moment wird die Option diskutiert, die Kommentarspalte künftig nur noch zahlenden Abonnenten zugänglich zu machen.

Bei watson, wo nur registrierte Benutzer kommentieren können, werden im Schnitt auch 80 Prozent der geschriebenen Kommentare freigeschaltet. Beim «Blick» sind es rund 50 bis 60 Prozent. Das vielkommentierte Portal «20 Minuten» wollte sich auf Anfrage nicht äussern.

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hanjo
24.04.2015 10:22registriert Dezember 2014
Mal kurz ein wenig Watson-Lob: Ihr habt es fertig gebracht, ein Portal zu schaffen, wo ich beim Lesen der Kommentare nicht gleich einen ganz üblen Brechreiz verspüre und sehe, dass ich doch nicht alleine bin mit meiner Meinung - und das obschon 80% der Kommentare freigeschalten werden.
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Lowend
24.04.2015 10:28registriert Februar 2014
In der Schweiz reicht ein Wortfilter, denn unsere Trollarmee der echten Schweizer benutzt dauernd dieselben Worte wie Gutmensch, EU-Turbo, Sozialist, Linker und wie sie noch alle heissen und besonders beliebt sind Formulierungen wie: "Ich bin ja kein Rassist, SVP-Wähler, oder Blocherfan, aber..."
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Rondi
24.04.2015 12:43registriert Februar 2014
Toll, ein Computerprogramm um alle gleichzuschalten. Wer anders denkt, wird ausgeschlossen. Dass das perfekte Instrument für eine Diktatur dafür verwendet werden soll, um russische Trolle der bösen Putin-Diktatur auszufiltern, hat eine gewisse Komik.
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