Ganz zum Schluss kam das Traktandum an die Reihe, das die Gemeinde Oberwil-Lieli seit Monaten spaltet: die Ersatzabgabe von 290'000 Franken, um keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Die Abstimmung fiel relativ deutlich aus: 275 der knapp 400 anwesenden Stimmberechtigten in der gut gefüllten Mehrzweckhalle Falter sagten Ja zum Freikauf von der Aufnahmepflicht. Allerdings sagte eine Mehrheit auch ja zu einem Antrag, der vom Gemeinderat Lösungsvorschläge auf die nächste Gemeindeversammlung im November hin verlangt. Er soll unter anderem die Aufnahme einer Flüchtlingsfamilie prüfen.
Gemeindeammann und SVP-Hardliner Andreas Glarner schlug versöhnliche Töne an: Es sei Zeit, im Dorf wieder aufeinander zuzugehen. «Der Gemeinderat will Hand für eine Lösung bieten.» Um dem Lager der Befürworter einer Aufnahme von Flüchtlingen entgegenzukommen, präsentierte der Gemeinderat drei mögliche Varianten, die es zu prüfen gelte.
Erstens: Statt einer Ersatzabgabe an den Kanton einen tieferen Beitrag an eine Gemeinde zahlen, die mehr Flüchtlinge aufgenommen hat, als sie müsste. Zweitens: Finanzielle Unterstützung einer Hilfsorganisation vor Ort. Drittens: Aufnahme einer syrischen Familie.
Glarner appellierte an die Anwesenden, keine erneute Grundsatz-Asyldebatte zu führen. «Die Meinungen sind gemacht.» Dennoch entwickelte sich unter den Anwesenden eine längere Diskussion - an deren Ende sich die Mehrheit darauf einigte, den Gemeinderat in die Pflicht zu nehmen - an der nächsten Gemeindeversammlung vom 25. November konkrete Vorschläge vorzulegen.
Diese sollen auch die Interessen der 48 Prozent der Bevölkerung, die sich an der Abstimmung vom 1. Mai gegen die Ersatzabgabe und für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hat, berücksichtigen.
Bis dahin muss Oberwil-Lieli allerdings - voraussichtlich ab Ende Juli - Ersatzabgaben an den Kanton zahlen. Die Gemeinde müsste aktuell zehn vorläufig aufgenommene Flüchtlinge aufnehmen, nun zahlt sie stattdessen 110 Franken pro Tag und Person. Die reichste Gemeinde des Kantons kann es sich sogar leisten, den Steuerfuss von 62 auf 60 zu senken – der tiefste Wert im Aargau.
Ende eines monatelangen Streits
Mit dem Entscheid der Gemeindeversammlung vom Freitagabend findet das Hin und Her um die Ersatzabgaben für Asylbewerbern ein – vorläufiges – Ende. Im November erlitt SVP-Ammann Andreas Glarner an der «Gmeind» eine überraschende Niederlage: Eine Mehrheit der Stimmberechtigten nahm einen Antrag der Studentin Johanna Gündel von der «IG Solidarität Oberwil-Lieli» an, wonach die Gemeinde Flüchtlinge aufnehmen muss und der einbudgetierte Betrag nicht für Ersatzzahlungen an den Kanton verwendet werden darf. Weil ein Komitee um SVP-Mitglied Robert Mayer dagegen das Referendum ergriff, kam es am 1. Mai zur Abstimmung. 52 Prozent der Stimmberechtigten entschieden sich dafür, den «Gmeind»-Entscheid zu kippen. (aargauerzeitung.ch)