1994 zettelt der damals 45-jährige René Fasel mit seinen Getreuen eine Revolution an und stürzt mit Hilfe der Russen den 60-jährigen IIHF-Präsidenten Günter Sabetzki, seit 1976 im Amt. Der internationale Verband wird von Grund auf erneuert. Die bisher mit Abstand erfolgreichste Ära beginnt.
Nach 26 «goldenen Jahren» unter René Fasel – es ist die längste Amtszeit eines Vorsitzenden – steht die Organisation so gut da wie noch nie. Finanziell gut ausgepolstert, mit langjährigen Werbeverträgen und frei vom Schwefelgeruch der Korruption. Neben dem Eidgenössischen Schwingerverband ESV ist die IIHF so ziemlich die einzige wichtige und reiche Sportorganisation, die die letzten 25 Jahre weitgehend skandalfrei überstanden hat.
Der IIHF-Vorsitz ist also begehrt. Er verspricht Macht und Millionen. Zwar wird René Fasels Nachfolger den Verband nicht mehr hauptamtlich führen und statt mit einem Salär von etwas mehr als 400'000 Franken «nur» noch mit einer Pauschale von 180'000 Franken plus Spesen entschädigt. Aber der Job ist attraktiv und kann auch einen Sitz im IOC bringen.
Um die Nachfolge bewerben sich mit Franz Reindl (De), Henrik Bach Nielsen (Dä), Petr Briza (Tsch), Sergej Gontcharow (Bel) und Luc Tardif (Fr) fünf Kandidaten. Nach der offiziellen Bekanntgabe der Kandidaturen lichten sich allmählich die Nebel und es wird sichtbar: Eigentlich sind es nicht fünf Kandidaten. Sondern zwei Lager.
Franz Reindl (66), Petr Briza (57) und Luc Tardif (68) sind Vertreter des konservativ-gemässigten Lagers, die sich als Gralshüter der Hockeykultur verstehen und das internationale Hockey in der Art von René Fasel (70) weiterführen möchten.
Henrik Bach Nielsen (56) hat sich mit Sergej Gontcharow (38) verbündet, um an die Macht zu kommen und führt die Gegenkräfte an. Die Traditionalisten haben die Unterstützung der grossen Verbände. Das will noch wenig heissen. Denn die Rebellen bemühen sich um die Stimmen der «Kleinen» unter den 56 stimmberechtigten IIHF-Mitgliedländern. Sie sind in der Mehrzahl.
Inzwischen wird das Gerücht gestreut, dass die Rebellen im Falle eines Wahlsieges die Villa Freigut verkaufen und den IIHF-Sitz in eine andere Stadt und damit ins Ausland verlegen möchten. Kenner schätzen, dass diese Villa auf dem Markt bis zu 40 Millionen wert sein könnte. Wahrscheinlich ist es mehr als ein Gerücht. Henrik Bach Nielsen ist im IIHF-Council schon einmal mit einem entsprechenden Verkaufs-Antrag abgeblitzt. 40'000'000 Franken haben eine starke Verführungskraft. Die IIHF hat ihren Sitz 1991 von Wien nach Zürich verlegt und 2002 die Villa Freigut am Parkring 11 in Zürich-Enge gekauft.
Warum Generalsekretär Horst Lichtner nach 15 Jahren des Amtes enthoben worden ist (die offizielle Version: krankgeschrieben) wird nach wie vor geheim gehalten. Es könnten wahlpolitische Gründe sein. Immerhin scheint es möglich, die Angelegenheit aussergerichtlich zu regeln. Der eingebürgerte Deutsche ist der erste IIHF-Generalsekretär, der gehen muss. Mitglieder des Councils (der IIHF-Exekutive) bestätigen inzwischen übereinstimmend, dass René Fasel per Mehrheitsentscheid dazu gezwungen worden ist, Horst Lichtner abzusetzen. Interimistisch führt nun Finanzdirektor Gion Veraguth die IIHF-Geschäfte.
Ist René Fasel in den letzten Monaten, in der Götterdämmerung seiner Präsidentschaft also nur noch eine «lame duck», weil er gegen seinen Willen den langjährigen Generalsekretär freistellen muss? So mag es von aussen scheinen. Zumal er sich bemüht, den Anschein zu erwecken, er halte sich strikt aus der Nachfolgeregelung heraus und habe sich eine «Silenzio Stampa» verordnet.
Tatsächlich dürfte der kluge Sportdiplomat nach wie vor die Fäden ziehen, um eine Machtübernahme von Henrik Bach Nielsen und seines weissrussischen Verbündeten zu verhindern. Und so auch den IIHF-Sitz in Zürich zu retten.
Es ist, um es etwas dramatisch zu formulieren, sein letzter Kampf um Macht, Millionen – und die Erhaltung des IIHF-Sitzes in Zürich. Bevor er nach der Wahl seines Nachfolgers beim Kongress im September in St.Petersburg – Wladimir Putin ist Gastgeber – vom Präsidenten zum «Gerhard Schröder des Hockeys» wird. Der ehemalige deutsche Kanzler weibelt seit dem Ende seiner politischen Karriere immer mal wieder für den russischen Präsidenten, den er als «lupenreinen Demokraten» bezeichnet und sehr schätzt.