Joe Biden hat sich lange geziert, seine Kandidatur für die US-Präsidentschaft bekannt zu geben. Bereits mehrere Partei-Hochkaräter hatten ihre Ambitionen auf das höchste Amt angemeldet, als er schliesslich doch noch Ja sagte.
Und Bidens Kampagne startete gleich richtig durch. In allen Umfragen setzte er sich sogleich an die Spitze - mit zum Teil astronomischem Vorsprung. Der ehemalige Vize unter Barack Obama war allseits beliebt und umjubelt. Seine liberale Haltung und seine kumpelhafte Art kamen sehr gut an.
Für ganze sechs Wochen.
Dann tauchten erste Wolken an «Uncle Joes» sonnigem Himmel auf. Wolken, die bald zu einem Gewitter werden könnten.
Es begann mit Bidens Umwelt-Plan, den er diese Woche der Öffentlichkeit präsentierte. Diversen Experten und Analysten fiel auf, dass sich darin haufenweise ziemlich plump kopierte Stellen befanden. Und noch schlimmer: Biden hat sich offenbar auch bei Publikationen der Öl-Lobby bedient.
Mehrere Stellen in seinem Plan fänden sich demnach in Zeitungsartikeln und Publikationen von Interessens- und Umweltverbänden wieder. Zu diesen gehörten auch Shell, Peabody Energy, Arch Coal und Cloud Peak Energy.
The paragraph in Joe Biden’s climate plan about carbon capture and sequestration includes language that is remarkably similar to items published previously by the Blue Green Alliance and the Carbon Capture Coalition.
— Josh Nelson (@josh_nelson) 4. Juni 2019
Schon alleine die Plagiat-Anschuldigung dürfte Biden weh getan haben. Die Verwunderung über seine ölig-kohligen Quellen aber wohl noch mehr.
Später in der Woche flog ihm dann seine Unterstützung für das Hyde Amendment um die Ohren. Dieser Verfassungszusatz soll die Bundesfinanzierung für die meisten Abtreibungen verbieten. Ein rotes Tuch für die Liberalen in den USA.
Am Donnerstag sah sich Biden gezwungen, sich öffentlich davon zu distanzieren. Doch der Schaden war bereits angerichtet.
«Das ist nicht nur ein Rückwärts-Salto, das ist ein doppelter Rückwärts-Salto mit Schraube», polterte etwa Charles Chamberlain, Chef der progressiven «Democracy for America», gegenüber politico.com.
Und auch Bidens Konkurrenten begannen mit Angriffen. «Wir können nicht zurück zu den alten Vorgehensweisen», liess etwa Bernie Sanders verlauten. «Nur mit zwicken und stupsen können wir nichts verändern», sagte Elizabeth Warren. Und Pete Buttigieg liess sich im Hinblick auf Joe Biden mit den Worten zitieren: «Das riskanteste, was wir machen können, ist auf Nummer Sicher zu gehen.»
Der Lack beim Strahlemann Biden ist zumindest zum Teil also ab. Es dürften weitere Attacken folgen. Seine Befürwortung des Irak-Kriegs und sein mit 77 Jahren hohes Alter bieten weitere Angriffsflächen.
Und der Weg zu den Vorwahlen ist noch lang. Den Nimbus als Unantastbarer hat sich Biden zumindest schon mal verspielt – in nur einer Woche.