Schweiz
Altersvorsorge

Berset präsentiert Pensionskassen-Pläne – und erntet Gegenwind

Berset präsentiert seine Pläne für die Pensionskasse – und erntet heftigen Gegenwind

Der Bundesrat hat entschieden, wie er die zweite Säule reformieren will. Doch ob das Parlament mitspielt, ist mehr als fraglich – denn der Widerstand ist gross.
26.11.2020, 07:15
Maja Briner / ch media
Mehr «Schweiz»

Unbestritten ist eigentlich nur eines: Die zweite Säule ist in Schieflage. Wegen tiefer Zinsen und steigender Lebenserwartung kommt es bei den Pensionskassen zu einer Umverteilung: Pro Jahr werden rund sieben Milliarden Franken von der aktiven Generation zu den Rentnern verschoben.

Um das zu ändern, will der Bundesrat bereits seit langem den Mindestumwandlungssatz senken. 2010 und 2017 hat das Stimmvolk seinen Plänen jedoch eine Absage erteilt. Nun versucht er es mit einem neuen Vorschlag – doch es harzt erneut gewaltig.

Senioren sind in der Stadt Luzern unterwegs am Freitag, 20. Maerz 2020, waehrend der Coronavirus-Pandemie. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Hand in Hand spazieren zwei Rentner in Luzern.Bild: KEYSTONE

Dabei hatte es kurze Zeit gut ausgesehen: Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband einigten sich vergangenes Jahr nach zähem Ringen auf einen Vorschlag. Die Senkung des Umwandlungssatzes soll demnach durch einen Rentenzuschlag abgefedert werden.

Doch kaum hatten sie den Vorschlag präsentiert, wurde dieser zerzaust: Der Gewerbeverband stellte sich ebenso dagegen wie der Pensionskassenverband ASIP. Und auch die bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP lehnten den Rentenzuschlag ab. Gemeinsam können sie die Vorlage im Parlament zu Fall bringen.

Umstrittener Rentenzuschlag für alle

Der Bundesrat lässt sich jedoch nicht beirren. Er hat trotz heftiger Kritik in der Vernehmlassung gestern entschieden, am Vorschlag der Sozialpartner festzuhalten. «Dieser erfüllt die gesetzten Ziele am besten», sagte Bundesrat Alain Berset: Das Rentenniveau bleibe erhalten, bei Arbeitnehmenden mit tiefem Einkommen werde die Vorsorge verbessert, und die langfristige Finanzierung werde sichergestellt.

Konkret sieht der Bundesrat vor, dass der Umwandlungssatz von 6.8 Prozent auf 6 Prozent sinkt. Die Renten würden dadurch um 12 Prozent gekürzt. Um diese Senkung abzufedern, sollen künftige Bezüger einen lebenslangen monatlichen Rentenzuschlag erhalten. Für 15 Übergangsjahrgänge soll dieser 100 bis 200 Franken betragen – unabhängig vom Altersguthaben. Danach würde der Bundesrat den Betrag jährlich festlegen.

Bezahlen würden den Zuschlag alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber mittels eines Lohnbeitrags von 0.5 Prozent. Das Geld würde damit nicht - wie in der zweiten Säule üblich - individuell angespart, sondern es käme zu einem Umlageverfahren wie bei der AHV. Zudem sollen der Koordinationsabzug gesenkt und die Altersgutschriften angepasst werden.

Glossar: Was ist schon wieder dieser Umwandlungssatz?
Die Altersvorsorge basiert auf dem Drei-Säulen-Prinzip: AHV, berufliche Vorsorge sowie private Vorsorge. Die erste und die zweite Säule müssen dringend reformiert werden. Bei der beruflichen Vorsorge steht dabei der Umwandlungssatz im Zentrum. Gemäss diesem Satz wird aus dem Altersguthaben die Rente berechnet. Derzeit liegt der Mindestumwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge bei 6.8 Prozent. Als Beispiel: Bei einem Altersguthaben von 500'000 Franken werden jährlich 34'000 Franken ausbezahlt (5x6800). Bei einem Umwandlungssatz von 6 Prozent wären es 30'000 Franken.
Der Bundesrat will zudem den Koordinationsabzug halbieren. Dieser bestimmt, welcher Lohn bei der zweiten Säule versichert ist. Bei Arbeitnehmenden in tiefen Pensen und Löhnen ist wegen des Koordinationsabzugs nur ein kleiner Teil des Lohnes versichert – oder sie haben gar keine zweite Säule, erhalten nach der Pensionierung also nur die AHV-Rente. (mjb)

SVP wettert gegen «linke Umverteilungspolitik»

Grösster Zankapfel ist indes der Rentenzuschlag. Die SVP wettert, der Bundesrat wolle «die linke Umverteilungspolitik auf die Pensionskassen ausweiten».

Weniger polemisch, aber ähnlich in der Sache äussert sich CVP-Ständerat Erich Ettlin. Seine Partei könnte im Parlament das Zünglein an der Waage sein. Ettlin kritisiert, das Umlageverfahren in der zweiten Säule sei systemfremd. Störend findet er zudem, dass der Zuschlag allen zugutekäme – auch Versicherten im Überobligatorium, die von der Senkung des Umwandlungssatzes nicht betroffen sind. «Die Vorlage wird es mit diesem Zuschlag im Parlament sehr schwer haben», sagt Ettlin.

Dringend gesucht: Mehrheitsfähiger Vorschlag

Andere Modelle liegen durchaus auf dem Tisch. Unter anderem haben sich der Pensionskassenverband ASIP und der Gewerbeverband auf einen Vorschlag geeinigt: Der Umwandlungssatz soll ebenfalls auf 6 Prozent sinken. Um das zu kompensieren, soll unter anderem bereits ab 20 Jahren statt wie heute mit 25 mit Sparen begonnen werden. Für zehn Übergangsjahrgänge soll das Rentenniveau garantiert werden – finanziert durch Rückstellungen der Pensionskassen.

Sozialminister Berset versicherte, der Bundesrat habe alle Vorschläge geprüft. Der Vorschlag von Pensionskassen- und Gewerbeverband erfülle eines der Hauptziele der Reform nicht, nämlich die Sicherung des Rentenniveaus, sagt er. Und er verteidigte den umstrittenen Rentenzuschlag: «Die Senkung des Umwandlungssatzes hat ihren Preis.» Schliesslich gelte es, auch eine Volksabstimmung zu überstehen.

Zunächst geht die Vorlage nun aber ins Parlament. Und selbst Berset geht nicht davon aus, dass dieses den bundesrätlichen Vorschlag unverändert gutheisst. (bzbasel.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Der 101-Jährige, der aus dem Flugzeug sprang
Das könnte dich auch noch interessieren:
48 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
neutrino
26.11.2020 07:50registriert Mai 2017
Da bin ich für einmal voll SVP: die jetzigen Rentner oder Bald-Rentner haben nach dem 2. WK die längste Friedenszeit in Europa und die goldigen wirtschaftlichen Zeiten der 80er-90er-Jahre voll mitgemacht. Jetzt soll auch noch in der PK eine Umverteilung zu diesen Rentner stattfinden - das ist nicht richtig. Japan zeigt wohin die Reise geht für Europa in Zukunft: permanentes 0-Zins-Niveau, sinkender Wohlstand, Überalterung und Überschuldung. Den jetzigen Rentner jetzt noch mehr zu geben, ist nicht richtig. Punktuell, wenn es nicht reicht, völlig ok, aber nicht per Gieskanne.
16638
Melden
Zum Kommentar
avatar
Arutha
26.11.2020 08:43registriert Januar 2016
Ja streitet nur wieder mal über den Umwandlungssatz. Für die meisten hat er sowieso keine Bedeutung.
Mein Umwandlungssatz ist seit etwa 4 Jahren bei 5%.

0.5% Lohnabzug weil wir den jetzigen Rentnern zu hohe Renten auszahlen? Macht doch einen 0.5% Rentenabzug. Ah nein das darf man nicht. Besitzstandswahrung. Nur von unseren Löhnen die schon lange nicht mehr steigen darf man noch mehr abziehen.
11611
Melden
Zum Kommentar
avatar
Piora
26.11.2020 08:13registriert Januar 2020
ganz einfach: ich spare mein geld und will auch genau dieses wieder haben wenn ich pensioniert werde. und ich habe wirklich keine lust die alten noch mehr zu unterstützen. die haben die goldigsten wirtschaftsjahre mitgemacht. man hätte da wohl gut was zur seite legen können. ich komme mit meinem lohn gerade so über die runden, ohne dass ich mir irgendwelchen luxus leisten kann. wie soll ich das mit noch mehr abzügen mache? immer wird es bei den jungen geholt damit die alten es gut haben. so kann es doch nicht weitergehen
10538
Melden
Zum Kommentar
48
Bundesanwalt fordert längere Freiheitsstrafe für Basler Bombenleger

Die Bundesanwaltschaft fordert im Berufungsprozess gegen die mutmasslichen Bombenleger im Basler Bruderholz-Quartier Freiheitsstrafen von acht beziehungsweise zehn Jahren. Die beiden Beschuldigten verweigerten vor Gericht die Aussage.

Zur Story