Die Frage trifft mich völlig unerwartet aus dem Nichts. «Was machst du an Silvester?», fragt mich mein Coiffeur, während er meinen Pony nachschneidet. Ich erstarre. Er schaut mich entrüstet an. «Falsche Frage?» «Falsche Frage!», antworte ich.
Er versteht. Und schweigt. Mein Coiffeur und ich sind schon seit über einem Jahrzehnt ein Dreamteam. Jetzt aber, da das Thema angeschnitten ist, schweifen meine Gedanken in Richtung der letzten vier Silvesternächte ab. Müsste ich ein Ranking machen, welche Neujahr-Nacht die schlimmste war, ich würde ins Straucheln geraten.
Letztes Silvester zum Beispiel. Da hatte ich eine Monster-Grippe. Inklusive Fieberschübe, Terror-Halsschmerzen und Dröhnkopf. Easy, könnte man meinen, einfach Augen zu, schlafen und durch. Denkste. Die Schmerzen hielten mich wach. Ausserdem hatte ich Herzschmerz. Wegen einer Nullnummer notabene. Kurz nach Mitternacht dann war die erste «Happy New Year»-SMS von meiner Mutter. Nuff said.
Vorletztes Silvester war auch...was weiss ich. Scheisse halt. Ich datete damals einen sehr schrägen Dude. Eigentlich noch cool. Aber für was Ernstes zu abgedreht. Zu viel LSD, zu viel Goa-Partys und zu viel Hippie-Zeugs halt. Jedenfalls landeten wir um Mitternacht auf der Uni-Terrasse, wo er mir um 23.58 Uhr seine Liebe erklärte. Und ich um 0.00 Uhr während Feuerwerk und viel Gejuble keine Ahnung hatte, wie ich aus der Nummer rauskomme.
Ich stotterte was von Ex-Freund und noch nicht ganz verdauten Gefühlen, bla bla. Wir verabschiedeten uns um 00.18 Uhr. Er angepisst, ich in der Einbildung, dass ich eventuell wirklich noch Gefühle für den Ex hege. Um eine lange Geschichte abzukürzen: Um 00.43 Uhr war ich beim Ex daheim. Um 00:52 nackt, um 1.30 Uhr postkoital. Gegen 2 Uhr verliess ich seine Wohnung, um gegen 2.15 Uhr alleine daheim zu heulen.
Die Silvesternacht davor war auch desaströs. Vielleicht war diese sogar die schlimmste aller Zeiten. Der Ex vom Sex im Abschnitt oben und ich jedenfalls weilten auf Bali. Wer hier nun an heisse Nächte an tollen Stränden, Drinks, Harmonie und verliebtes Geturtel denkt, hat mein vollstes Verständnis.
Bei uns aber war das anders. Wir gerieten am Nachmittag des 31. Dezembers so übel aneinander, dass wir bis zum 1. Januarabend kein Wort miteinander sprachen. Also kein normales. Wir pöbelten uns nur an. Ich, ganz Dramaqueen, checkte bereits Heimflüge. Hätte ein One-Way-Ticket nicht rund 2000.- gekostet, ich wäre abgehauen.
Vor vier Jahren sass ich um Mitternacht mit Cleo und Sophie in der Notfallstation des Unispitals. Das, nachdem Sophie mit dem Velo in die Tramschienen geriet und sich den Fuss verstauchte und die rechte Hand brach. Cleo derweil war zu diesem Zeitpunkt frisch sitzen gelassen und heulte, selber gut angetrunken, zwischen Alkohol-Leichen und uns.
«Weisst du was?», sage ich zu meinem Coiffeur. «Dieses Silvester mache ich was Geiles.» Er schaut mich erwartungsvoll an. «Ich weiss einfach noch nicht was!» Er lacht. Ich lache. Und bin topmotiviert, mein Silvester-Trauma hinter mir zu lassen.
Nun spiele ich mit dem Gedanken, nach Berlin zu reisen, um mir die Partynacht meines Lebens zu geben. Oder ich mach dasselbe in Zürich. Oder ich steige in den Flieger und feire an einer Fullmoon-Party an den Stränden Thailands. Oder ich treffe mit ein bisschen Glück diese Tage auf einen Sex-Gott, mit dem ich mich ins neue Jahr vögle.
Falls du wirklich bis hierher gelesen hast, lieber watson-User: Hast du eventuell DIE Silvester-Idee für mich?
Also Leben, du kannst jetzt passieren!
(Obwohl ich ja eigentlich bereits sehr zum Sex-Gott tendiere.)
Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch