Einkaufstouristen tun Schlechtes. Diese Botschaft scheinen die Macher einer neuen Kampagne übermitteln zu wollen, mit dem Slogan «Shopp Schwiiz - hier lebe ich, hier kaufe ich». Dahinter stehen drei grosse Wirtschaftsverbände: Gewerbeverband, Swiss Retail Federation und Agro-Marketing Suisse. An das «Gemeinschaftsgefühl» wollen sie appellieren und an die «Solidarität». Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands, sagte zum Kampagnenstart: «Wer statt im Ausland im Inland einkauft, der tut Gutes.»
Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer lieber im Ausland einkauft, der tut das Gegenteil von etwas Gutem, etwas Schlechtes, ist das Gegenteil von solidarisch. Und Gemeinschaftsgefühl zeigt man damit auch nicht.
«Wer in der Schweiz einkauft, der sichert Arbeitsplätze sowie Lehrstellen», heisst es im Argumentarium von Shopp Schwiiz. Einkaufstouristen sind also schuld daran, dass hierzulande Jobs und Lehrstellen verschwinden. Und weiter ist da zu lesen, wer nicht in der Schweiz einkaufe, der setze die hohen schweizerischen Löhne unter Druck.
Und auch für die Umwelt sei es schlecht. Einkaufstouristen würden typischerweise 60 Kilometer abspulen, um ins Ausland zu gelangen. Eine «immense Umweltbelastung» sei dies. Und zusammenfassend steht da: «Es gilt, das Richtige zu tun.» Der Status quo lasse sich nur halten, wenn die Schweiz unterstützt werde. Dessen sollten sich all jene bewusst sein, denen «etwas an der Schweiz liegt».
Bei der Stiftung für Konsumentenschutz sieht man hinter dem Einkaufstourismus ein echtes Problem, nämlich die Hochpreisinsel Schweiz. Laut Sara Stalder, der Geschäftsleiterin, verlangen internationale Grossunternehmen ungerechtfertigte «Schweiz-Zuschläge», wenn sie ihre Güter und Services hierzulande verkauften. Damit werde das gesamte schweizerische Preisniveau in die Höhe getrieben - und damit die Konsumenten ins nahe Ausland. Darum hält Stalder nichts davon, wenn Solidarität gefordert wird. Stalder sagt:
Besserung verspricht sie sich vielmehr davon, dass die Schweizer Gesetze bald umgeschrieben werden. Der Gegenvorschlag zur Initiative für «faire Preise» trete in absehbarer Zeit in Kraft. Unter anderem sollen dann ausländische Onlinehändler nicht länger in der Schweiz höhere Preise verlangen können, als sie es im Ausland tun.
Von der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich heisst es, der Einkaufstourismus gefährde im Handel tatsächlich Arbeitsplätze und Lehrstellen. Nur sei das nicht das Ende der Geschichte, sagt Ökonom Yngve Abrahamsen. Sondern erfahrungsgemäss entstehen dafür in anderen Branchen in der Schweiz neue Arbeitsplätze und Lehrstellen.
Unter dem Strich werden keine Arbeitsplätze vernichtet, ihre Zahl bleibt gleich - es sind nur andere Arbeitsplätze. Im Idealfall sind es gar solche, an denen die betroffenen Menschen produktiver sind - und mehr Lohn verdienen als im Detailhandel mit seinen eher tiefen Löhnen. Darum glaubt Abrahamsen nicht, dass der Einkaufstourismus auf das allgemeine Lohnniveau drückt. «Eher das Gegenteil ist richtig: Das Lohnniveau steigt.»
Vom Handel in Konstanz kommen klare Worte. Es sei absurd, Einkaufstouristen moralische Vorwürfe zu machen, so Claudius Marx, Geschäftsführer der Handelskammer Hochrhein-Bodensee. Dann müssten sich auch die 40000 deutschen Arbeitskräfte schämen, die täglich in die Schweiz pendelten, weil sie dort mehr verdienen, aber der heimischen Wirtschaft fehlen und mit ihren langen Arbeitswegen die Umwelt belasten. Oder die deutschen Skifahrer, die Arosa oder Laax dem heimischen Schwarzwald vorziehen. Marx:
Und was sagen die Shopp-Schwiiz-Initianten? Man habe nicht die Absicht, den Einkaufstouristen ein schlechtes Gewissen einzujagen, heisst es beim Gewerbeverband. Man weise auf simple Tatsachen hin. Eine Sprecherin sagt dazu:
Man wolle nicht den moralischen Mahnfinger erheben, ergänzt Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation. Doch wolle man einige Fakten aufzeigen. Einkaufstourismus hat laut Jenni viele schädlichen Folgen, das inländische Einkaufen viele Vorzüge. Auch seien die Preise im hiesigen Detailhandel viel tiefer als oft geglaubt.
Man wolle den Schub aus der Pandemie mitnehmen, als der Schweizer Detailhandel wieder entdeckt wurde. In Umfragen in grenznahen Regionen hätten 20 Prozent angegeben, sie wollten künftig wieder mehr in der Schweiz einkaufen. Sie wolle man ansprechen. Jenni: «Wir haben nicht die Illusion, alle Einkaufstouristen gewinnen zu können.» (aargauerzeitung.ch)