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Keine Besserung in Sicht: Die Schweiz bleibt eine Hochpreisinsel

Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) heute Morgen im Nationalrat.
Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) heute Morgen im Nationalrat.Bild: KEYSTONE
Nationalrat schickt Kartellgesetz bachab 

Keine Besserung in Sicht: Die Schweiz bleibt eine Hochpreisinsel

Es hätte den Schweizer Einkaufstourismus stoppen können, es hätte die Preise für Schweizer Konsumenten endlich senken können – das Kartellgesetz. Der Nationalrat hatte etwas dagegen.
06.03.2014, 15:5806.03.2014, 16:25
Simon Jacoby
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Die Änderung des Kartellgesetzes stand heute auf dem Programm: Wegen dem starken Franken und den hohen Schweizer Preisen reisen immer mehr Einkaufstouristen ins nahe gelegene Ausland und kaufen dort Markenprodukte viel billiger ein. 

Der Nationalrat wollte nicht mal reden

Prisca Birrer-Heimo, Konsumentenschutz-Präsidentin und SP-Nationalrätin, weibelte an vorderster Front für die Revision. Und scheiterte. Der Nationalrat wollte nicht mal darüber diskutieren und beerdigte das Geschäft nach der Eintretensdebatte.

«Ich verstehe die Position der Gewerkschaften nicht.»
Prisca Birrer-Heimo

Frau Birrer-Heimo, sind Sie enttäuscht, dass der Nationalrat an der Hochpreisinsel Schweiz festhalten will?
Prisca Birrer-Heimo: 
Ja, ich bin sehr enttäuscht. Es ist ein bitterer Entscheid. Das Parlament hat es heute verpasst, etwas gegen die hohen Preise in der Schweiz zu unternehmen. 

Teure Schweiz
Laut Preisbarometer.ch kosten in der Schweiz Kosmetikartikel (66%), Zeitschriften (55%), Kleider (28%), Spielzeuge (27%), Sportartikel (23%) und Schuhe (15%) deutlich mehr als in Deutschland. Dies obwohl die Mehrwertsteuer in Deutschland klar höher ist als in der Schweiz.

Was bedeutet das für die Konsumenten?
Die Preise für viele Importprodukte bleiben ungerechtfertigt hoch. Wir bezahlen viel zu viel. Zusammen mit der Ratsminderheit wollte ich mit der Benachteiligung von Schweizer Konsumenten endlich Schluss machen. Die Leute wollen sich das nicht mehr bieten lassen: Das gleiche Produkt ist direkt hinter der Grenze oft deutlich billiger.

Wer würde sonst noch vom Ende der Preisdifferenzierung profitieren?
Die Schweizer Firmen. Sie sind im Wettbewerb benachteiligt. Die Waren kommen schon zu teuer in die Schweiz.

Gewerkschaftsökonom Daniel Lampart befürchtet, dass die Firmen durch den härteren Wettbewerb unter Druck geraten. Dadurch fallen die Löhne und sogar Arbeitsplätze sind in Gefahr.
Ich verstehe die Position der Gewerkschaften nicht. Das Gegenteil wäre der Fall. Heute bezahlen die Schweizer Firmen vorsichtig geschätzt 15 Milliarden Franken zu viel – jährlich. Wenn sie ihre Güter günstiger importieren, fallen die Kosten. So hätten sie mehr Geld zur Verfügung.

«Wir bezahlen viel zu viel.»
Prisca Birrer-Heimo

Dann senken die Unternehmen ihre Preise. Die Angestellten hätten nichts davon.
Die ganze Kaufkraft von jährlich rund fünf Milliarden Franken, die heute ins grenznahe Ausland abwandert, würde wieder in der Schweiz ausgegeben. Diese zusätzlichen beziehungsweise wiedergewonnen Kunden schaffen neue und erhalten bestehende Arbeitsplätze.

Als Konsumentenschützerin setzen Sie sich schon lange für das Thema ein. Es hätte Ihr grosser Erfolg werden können.
Seit drei Jahren habe ich an dieser Vorlage gearbeitet und mich auch in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben WAK gegen den Preiszuschlag Schweiz eingesetzt. Jetzt ist eine Chance verpasst, aber ich bleibe dran.

Der Ständerat hat die Revision des Kartellgesetzes angenommen, der Nationalrat wollte nicht einmal auf das Geschäft eintreten. Was passiert jetzt?
Nun liegt der Ball wieder beim Ständerat und dieser wird wohl daran festhalten. Da im Nationalrat keine Debatte zu den Gesetzesartikeln stattgefunden hat, kennt der Ständerat die Differenzen nicht und kann auch nicht darauf eingehen. 

«Die Leute wollen sich das nicht mehr bieten lassen.»
Prisca Birrer-Heimo

Danach kommt das Geschäft wieder in den Nationalrat. Werden dann die Preise endlich sinken?
Es ist leider jetzt schon absehbar, dass die Hochpreisinsel Schweiz auch beim zweiten Versuch bestehen bleibt.

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