Pirmin Schwander, SVP-Nationalrat und dezidierter Gegner der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) soll eine Frau bei der Entführung ihres Kindes unterstützt haben. Der Fall reicht bis Oktober 2015 zurück, als eine Mutter aus Biel ihre damals anderthalbjährige, im Heim untergebrachte Tochter nicht wie vereinbart zurückbringen wollte. Stattdessen tauchte sie mit dem Kleinkind monatelang unter.
Mehrere Personen halfen der Frau, ihre Tochter zu verstecken. Es wurde sogar erwogen, dem Mädchen einen gefälschten Pass zu organisieren und die Flucht nach England fortzusetzen.
In den Augen der Behörden hatte die zweifache Mutter weder ihrem ebenfalls fremdplatzierten Erstgeborenen, noch ihrer Tochter Obdach und eine stabile Situation bieten können. Die Frau hatte sich zudem geweigert, ihren Sohn in die Schule zu schicken. Die Obhut wurde ihr mehrmals entzogen. Nach monatelanger Flucht wurde sie 2016 in Frankreich aufgespürt und verhaftet.
Am Mittwoch platzte die Bombe: Sowohl «Tages-Anzeiger» und «Bund» als auch die «Rundschau» berichteten, dass Parlamentarier Schwander in den Fall verwickelt sei. Er soll der Frau über deren Anwalt 7000 Franken gereicht haben. Gehilfenschaft zur Kindsentführung, lautet der Verdacht der Staatsanwaltschaft.
Das ist happig. Doch die Kritik gegenüber dem Politiker, der eine Frau an den Behörden vorbeigeschleust haben soll, bleibt erstaunlich leise. Wer sich überhaupt zum «Fall Schwander» äussert, tut das mit einiger Vorsicht.
FDP-Präsidentin Petra Gössi, die zusammen mit 44 Parlamentariern ein Postulat eingereicht hat, das sich für die neue Vormundschaftsbehörde ausspricht, aber eine Überprüfung und Verbesserung der KESB-Abläufe fordert, hält sich gegenüber watson zurück. «Meines Erachtens gehört diese Tätigkeit nicht zu Pirmin Schwanders Aufgabe als Parlamentarier», sagt Gössi, und fügt an: «Was er allerdings als Privatperson macht – dazu äussere ich mich nicht.»
Selbst SVP-Präsident Albert Rösti drückte sich deutlicher aus: Gegenüber dem «Blick» sagte Rösti am Donnerstag, jeder Parlamentarier habe sich «selbstverständlich» an die Gesetze zu halten.
Schützenhilfe erhält Schwander wenig überraschend von ambitionierten KESB-Gegnern. Barbara Keller-Inhelder, die zusammen mit dem Schwyzer Nationalrat im Komitee der Anti-KESB-Initiative sitzt, hat vollstes Verständnis: «Ich kenne Pirmin Schwander als gewissenhaften und überlegten Menschen. Ich bin überzeugt, dass es in diesem Fall keinen andere Lösung gab und er deshalb das Richtige getan hat.»
Es sei bedauerlich, dass Schwander kriminalisiert werde, und absurd, von Kindsentführung zu sprechen. «Die Frau hat ja bewiesen, dass sie zum Kind schauen kann», sagt Keller-Inhelder.
Schwander selber verteidigte sein Vorgehen am Mittwoch in der Sendung «Rundschau» und inszenierte sich als Geschassten. Anwalt Valentin Landmann, der ebenfalls in der Sendung zu sehen war, gibt seinem Mandanten recht: «Er hat sich nichts vorzuwerfen», sagt er gegenüber watson. Trotzdem – «auch wenn er sich damit nicht verstecken will», werde man prüfen, ob Schwander auf seine Immunität als Politiker pochen kann.
So oder so – die Geschichte dürfte Schwander gelegen kommen. Ob sein Vorgehen rechtliche Konsequenzen haben wird, ist noch völlig unklar, sicher ist aber bereits, dass einmal mehr ein Einzelfall medienwirksam die KESB-Debatte bestimmt. Darin wird nun Schwanders finanzieller Zustupf für die Frau viel eher als Kavalliersdelikt abgetan, denn als Verstoss gegen das Gesetz. Der Applaus ist wesentlich lauter als die Kritik.
Gut für Schwander, der seinen Feldzug gegen die KESB mit einer Volksinitiative krönen will, die eine teilweise Entmachtung der Behörde fordert. Die Initiative «KESB – mehr Schutz der Familie» ist im Juni 2016 bei der Bundeskanzlei eingereicht worden. In wenigen Tagen soll die Sammelfrist beginnen. (dwi)