Schweiz
SVP

«Er hat das Richtige getan» – profitiert SVP-Nationalrat Schwander gar von der Kindsentführung?

«Er hat das Richtige getan» – profitiert SVP-Nationalrat Schwander gar von der Kindsentführung?

SVP-Nationalrat Pirmin Schwander soll eine Frau dabei unterstützt haben, mit ihrem Kind unterzutauchen. Das wäre Beihilfe zur Kindsentführung. Trotzdem hagelt es kaum Kritik. Im Gegenteil – Schwander dürfte die Story gelegen kommen.
01.09.2016, 18:2002.09.2016, 09:18
Mehr «Schweiz»
ZUM SDA-VORAUSBERICHT ZU DEN EIDGENOESSISCHEN WAHLEN IM KANTON SCHWYZ STELLEN WIR IHNEN AM FREITAG, 26. JUNI 2015, FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Pirmin Schwander (SVP-SZ) wartet vor seiner Red ...
In den Schlagzeilen: Pirmin Schwander.Bild: KEYSTONE

Pirmin Schwander, SVP-Nationalrat und dezidierter Gegner der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) soll eine Frau bei der Entführung ihres Kindes unterstützt haben. Der Fall reicht bis Oktober 2015 zurück, als eine Mutter aus Biel ihre damals anderthalbjährige, im Heim untergebrachte Tochter nicht wie vereinbart zurückbringen wollte. Stattdessen tauchte sie mit dem Kleinkind monatelang unter.

Mehrere Personen halfen der Frau, ihre Tochter zu verstecken. Es wurde sogar erwogen, dem Mädchen einen gefälschten Pass zu organisieren und die Flucht nach England fortzusetzen.

In den Augen der Behörden hatte die zweifache Mutter weder ihrem ebenfalls fremdplatzierten Erstgeborenen, noch ihrer Tochter Obdach und eine stabile Situation bieten können. Die Frau hatte sich zudem geweigert, ihren Sohn in die Schule zu schicken. Die Obhut wurde ihr mehrmals entzogen. Nach monatelanger Flucht wurde sie 2016 in Frankreich aufgespürt und verhaftet.

Privatperson Schwander, Parlamentarier Schwander

Am Mittwoch platzte die Bombe: Sowohl «Tages-Anzeiger» und «Bund» als auch die «Rundschau» berichteten, dass Parlamentarier Schwander in den Fall verwickelt sei. Er soll der Frau über deren Anwalt 7000 Franken gereicht haben. Gehilfenschaft zur Kindsentführung, lautet der Verdacht der Staatsanwaltschaft.

Das ist happig. Doch die Kritik gegenüber dem Politiker, der eine Frau an den Behörden vorbeigeschleust haben soll, bleibt erstaunlich leise. Wer sich überhaupt zum «Fall Schwander» äussert, tut das mit einiger Vorsicht.

FDP Praesidentin Petra Goessi fordert im Namen der Freisinnigen ab sofort eine "Harte, aber faire Asylpolitik", am Montag, 6. Juni 2016, in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Petra Gössi.Bild: KEYSTONE

FDP-Präsidentin Petra Gössi, die zusammen mit 44 Parlamentariern ein Postulat eingereicht hat, das sich für die neue Vormundschaftsbehörde ausspricht, aber eine Überprüfung und Verbesserung der KESB-Abläufe fordert, hält sich gegenüber watson zurück. «Meines Erachtens gehört diese Tätigkeit nicht zu Pirmin Schwanders Aufgabe als Parlamentarier», sagt Gössi, und fügt an: «Was er allerdings als Privatperson macht – dazu äussere ich mich nicht.»

Selbst SVP-Präsident Albert Rösti drückte sich deutlicher aus: Gegenüber dem «Blick» sagte Rösti am Donnerstag, jeder Parlamentarier habe sich «selbstverständlich» an die Gesetze zu halten. 

«Er hat sich nichts vorzuwerfen»

Schützenhilfe erhält Schwander wenig überraschend von ambitionierten KESB-Gegnern. Barbara Keller-Inhelder, die zusammen mit dem Schwyzer Nationalrat im Komitee der Anti-KESB-Initiative sitzt, hat vollstes Verständnis: «Ich kenne Pirmin Schwander als gewissenhaften und überlegten Menschen. Ich bin überzeugt, dass es in diesem Fall keinen andere Lösung gab und er deshalb das Richtige getan hat.»

Barbara Keller-Inhelder (SVP/SG) waehrend der Beratungen zum neuen Militaergesetz am Mittwoch, 2. Dezember 2015, im Nationalratssaal in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Barbara Keller-Inhelder.Bild: KEYSTONE

Es sei bedauerlich, dass Schwander kriminalisiert werde, und absurd, von Kindsentführung zu sprechen. «Die Frau hat ja bewiesen, dass sie zum Kind schauen kann», sagt Keller-Inhelder.

Schwander selber verteidigte sein Vorgehen am Mittwoch in der Sendung «Rundschau» und inszenierte sich als Geschassten. Anwalt Valentin Landmann, der ebenfalls in der Sendung zu sehen war, gibt seinem Mandanten recht: «Er hat sich nichts vorzuwerfen», sagt er gegenüber watson. Trotzdem – «auch wenn er sich damit nicht verstecken will», werde man prüfen, ob Schwander auf seine Immunität als Politiker pochen kann.

Kurz vor Sammel-Beginn 

So oder so – die Geschichte dürfte Schwander gelegen kommen. Ob sein Vorgehen rechtliche Konsequenzen haben wird, ist noch völlig unklar, sicher ist aber bereits, dass einmal mehr ein Einzelfall medienwirksam die KESB-Debatte bestimmt. Darin wird nun Schwanders finanzieller Zustupf für die Frau viel eher als Kavalliersdelikt abgetan, denn als Verstoss gegen das Gesetz. Der Applaus ist wesentlich lauter als die Kritik.

Gut für Schwander, der seinen Feldzug gegen die KESB mit einer Volksinitiative krönen will, die eine teilweise Entmachtung der Behörde fordert. Die Initiative «KESB – mehr Schutz der Familie» ist im Juni 2016 bei der Bundeskanzlei eingereicht worden. In wenigen Tagen soll die Sammelfrist beginnen. (dwi)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
31 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
seventhinkingsteps
01.09.2016 21:06registriert April 2015
SVP-Logik: 2003 unterschreibt Bundesrat Blocher das fixfertige Gesetz, die KESB wird während seiner Amtszeit eingeführt. 13 Jahre später lanciert man eine Volksinitiative und macht Stimmung gegen "linke Pädagogen-Beamte, die Familien zerstören".

Und: Ein SVP-NR hilft einer Schweizer Mutter bei der Flucht mit ihrem Kind vor dem Staat und erntet Verständnis, eine SP-Politikerin schmuggelt vier ausländische Kinder auf der Flucht vor dem Staat über die Grenze und erntet Hass.
15021
Melden
Zum Kommentar
avatar
fcsg
01.09.2016 20:06registriert Juni 2015
Will sich wohl niemand die Finger daran verbrennen... Ich hoffe, dass diese Aktion nicht durch die parlamentarische Immunität geschützt wird und wenigstens rechtsstaatlich abgewickelt wird.
8415
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fabio74
01.09.2016 19:18registriert März 2016
Wenn man gegen den bösen Staat hetzt, sammelt man Punkte beim Volk.
8332
Melden
Zum Kommentar
31
Höhere Lohnbeiträge für Finanzierung der 13. AHV-Rente – SP ist erfreut, FDP und SVP toben
Der Bundesrat will die 13. AHV-Rente ab 2026 auszahlen. Für die Finanzierung schlägt er eine Variante nur mit höheren Lohnbeiträgen und eine zweite Variante mit mehr Lohnbeiträgen und höherer Mehrwertsteuer vor. Zudem will er den Anteil des Bundes an die AHV senken.

Die von Gewerkschaften lancierte Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente nahmen Volk und Stände am 3. März an, mit deutlichem Mehr. Die Erhöhung wird nach Angaben des Bundesrates vom Mittwoch im Jahr der Einführung 4,2 Milliarden Franken kosten. Fünf Jahre später dürften es dann rund 5 Milliarden Franken sein.

Zur Story