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Selber schuld, keine Ausreden und die kleine Hoffnung auf ein grösseres Hockey-Wunder als 2013

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Schweizer Nati in der Krise

Selber schuld, keine Ausreden und die kleine Hoffnung auf ein grösseres Hockey-Wunder als 2013

Nach der 3:4-Pleite der Schweizer Hockey-Nati gegen Weissrussland beginnt in Minsk das grosse Rechnen. Nur Verlierer müssen rechnen. 
13.05.2014, 07:2813.05.2014, 08:35
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Nach drei Niederlagen de suite gibt es für das Team von Sean Simpson immer noch vier Möglichkeiten.

• Vier Siege in Serie in den restlichen Gruppenspielen (gegen Deutschland, Finnland, Kasachstan und Lettland) und wir sind auf jeden Fall im Viertelfinal. Dann ist wieder alles möglich.

• Das grosse Rechnen nach jedem weiteren Spiel und am Ende reicht es doch nicht mehr für den Viertelfinal. 

• Das grosse Rechnen nach jedem weiteren Spiel und am Ende reicht es doch noch für den Viertelfinal.

• Niederlage in den falschen Spielen und der erste Abstieg seit 1995.

Nati-Trainer Sean Simpson muss Stellung nehmen.
Nati-Trainer Sean Simpson muss Stellung nehmen.Bild: KEYSTONE

Noch ist es zu früh für eine definitive Abrechnung. Für die Schuldzuweisungen und für die finale Polemik. Vorerst ist dieses 3:4 gegen Weissrussland die logische Fortsetzung einer besorgniserregenden Niederlagenserie. Aber noch nicht das definitive WM-Ende. Wir haben inzwischen sechsmal hintereinander verloren. Die drei letzten Vorbereitungsspiele und die drei ersten WM-Partien hier in Minsk.

Durch alle drei WM-Partien zieht sich wie ein roter Faden nicht nur fehlendes Glück, sondern auch eine Serie von Fehlern, die auf diesem Niveau verhängnisvolle Folgen hat. Wir haben alleine in der Partie gegen Weissrussland mehr Fehler gemacht als vor einem Jahr während der ganzen WM in Stockholm.

Das frühe und haltbare Gegentor gegen die Russen nach 13 Sekunden, das im WM-Startspiel bereits die Lichter löschte (Schlussresultat 0:5). Dann die zwei zu Unrecht annullierten Tore, die uns beim 2:3 gegen die USA den Sieg kosteten. Und jetzt als Krönung dieses 3:4 gegen die Weissrussen.

Die Schweizer Fans schreien sich die Seele aus dem Leib. Vergebens ...
Die Schweizer Fans schreien sich die Seele aus dem Leib. Vergebens ...Bild: Reuters

Wie ist das möglich? Die Globalisierung des Hockeys hat zwar in der WM zu einer Ausgeglichenheit geführt, die wir so noch nie hatten, und die uns das Silber-Wunder von Stockholm bescherte. Aber der Grat zwischen Triumph und Absturz ist schmal. Die Slowaken, WM-Finalisten von 2012, haben 2013 nur Platz 8 erreicht und nun hier ebenfalls die drei ersten Partien verloren. Finnland, der Weltmeister von 2011 und WM-Halbfinalist von 2012 hat erstmals seit 1990 die zwei ersten Partien einer WM verloren.

Schäppi und Froidevaux: Die unbesungenen Helden

Dieses 3:4 gegen Weissrussland ist die bitterste Niederlage der Ära Simpson seit dem 0:1 gegen Deutschland im WM-Viertelfinal von 2010. Es war ein dramatisches, emotionsgeladenes Spiel, das den Stoff für so viele Heldengeschichten hergegeben hätte. Wie jene über Etienne Froidevaux. Der WM-Neuling kommt im letzten Drittel für Benjamin Plüss erstmals bei dieser WM zum Zuge und trifft grandios zum 3:2 (44.). Und erst Reto Schäppi! Auch er ein WM-Frischling. Stürmt im ersten Drittel im Boxplay auf und davon und versenkt eiskalt zum 2:1 (18.). Sein erstes Länderspieltor. Noch eine Heldengeschichte. Aber auch sie wird nicht geschrieben.

Etienne Froidevaux‘ und Reto Schäppis grosse Taten bleiben unbesungen. Sie werden bald vergessen sein. Das Thema sind nach diesem 3:4 gegen Weissrussland die tragischen Helden. 

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Schäppi entwischt und trifft eiskalt zum 2:1.Gif: SRF
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Froidevaux' vermeintlicher Siegtreffer.Gif: SRF

Zum Beispiel Matthias Seger, der in seinem 301. Länderspiel bei drei Gegentreffern auf dem Eis steht und am 3:3 mitschuldig ist (50.).

Zum Beispiel Reto Berra, dem die grossen Paraden, anders als vor einem Jahr, nicht gelingen. Beim Siegestreffer von Michail Grabowsky rutscht ihm 126 Sekunden vor Schluss der Puck via Pfosten ins Tor. Er hat nur 82,61 Prozent der Schüsse gehalten. 

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Das ärgerliche Gegentor zum 3:4 durch Grabowsky.Gif: SRF

Zum Beispiel Kevin Romy, der Andrej Stas hinter dem Tor entkommen lässt. Yannick Weber kann den weissrussischen Stürmer auch nicht aufhalten und das 2:2 nicht verhindern (24.).

Keiner sagt es hinterher so deutsch und deutlich wie Damien Brunner. «Wir sind selber schuld. Es gibt keine Ausreden. Hätten wir clever gespielt und uns ans System gehalten, wäre nach dem 3:2 nichts mehr passiert.» Captain Mathias Seger beschreibt die Gefühlslage so: «Ich habe schon viele bittere Niederlagen erlebt. Aber im Augenblick habe ich das Gefühl das dies die bitterste ist.»

Insgesamt zu leicht und zu wenig robust 

Auch Sean Simpson räumt ein, «dass wir auch selber schuld sind.» Und wahrt seinen trockenen Humor. Auf die Frage, was der Unterschied zur Silber-WM von Stockholm sei, sagt er: «In Stockholm haben wir die drei ersten Spiele gewonnen.» Und dann fragt ein Radio-Chronist aus der Runde, ob jetzt der Abstieg ein Thema sei. «Abstieg? Ja, das könnte sein», entgegnet Simpson. 

So weit ist es also gekommen: Ein Jahr nach dem Silber-Wunder und ein Tag vor dem Spiel gegen die Deutschen (Mittwoch, 15.45 Uhr), bereits das Spiel der letzten Chance, wird der Abstieg thematisiert.

Die Schweizer am Boden zerstört. Doch für die restlichen vier Spiele müssen sie wieder aufstehen.
Die Schweizer am Boden zerstört. Doch für die restlichen vier Spiele müssen sie wieder aufstehen.Bild: KEYSTONE

Sind vier Siege in den letzten vier Gruppenpartien überhaupt möglich? Nun, ein WM-Finalist kann nacheinander Deutschland, Finnland, Kasachstan und Lettland bodigen. Aber der WM-Finalist Schweiz offenbart bisher viele Mängel. Kein dominierender Center und deshalb zu viele verlorene Anspiele. Kein charismatischer Goalie in Bestform, der über 94 Prozent der Schüsse hält. Ungenügende Spielorganisation und taktische Disziplin in der eigenen Zone. Insgesamt zu leicht und zu wenig robust und dadurch zu viele verlorene Zweikämpfe. 

Es braucht jetzt ein grösseres Hockey-Wunder als vor einem Jahr in Stockholm für die Viertelfinal-Qualifikation. Und Wunder wiederholen sich in der Regel nicht. 

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