Londoner Anschlag rückt Terror vor Wahl in den Fokus

Londoner Anschlag rückt Terror vor Wahl in den Fokus

04.06.2017, 14:44

Knapp zwei Wochen nach dem Anschlag von Manchester ist Grossbritannien erneut von einer tödlichen Attacke erschüttert worden. Sieben Menschen wurden am Samstagabend im Zentrum von London getötet und dutzende weitere verletzt. Die drei Angreifer wurden erschossen.

Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, rasten drei Männer mit einem Kleintransporter auf der zentralen London Bridge in Passanten und stachen dann im nahe gelegenen Touristen- und Vergnügungsviertel Borough Market mit Messern auf weitere Menschen ein. Die Angreifer seien acht Minuten nach dem ersten Notruf am Samstagabend von Polizisten erschossen worden.

«Das war wie ein Amoklauf», zitierte die BBC einen Zeugen. Die Täter seien zu Bars und Restaurants in der Umgebung gelaufen und hätten gerufen: «Dies ist für Allah».

48 Verletzte wurden nach Angaben der Rettungsdienste in Spitäler eingeliefert, unter ihnen vier Franzosen und ein Australier. Angaben zu allfälligen Schweizer Opfern lagen bis zum frühen Sonntagnachmittag nicht vor.

Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag - dem dritten im Vereinigten Königreich in weniger als drei Monaten. Premierministerin Theresa May kündigte im Fernsehen eine härtere Gangart gegen den Terrorismus an. Die Anschläge lösten auch international Bestürzung aus.

May fordert Entschlossenheit

Regierungschefin May verurteilte die «bösartige Ideologie des islamistischen Extremismus», die hinter den jüngsten Anschlägen in Grossbritannien stecke. Ein Attentäter «kopiert den anderen», dies sei eine «neue Form der Bedrohung», sagte May am Sonntag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in London. Die Regierung müsse darauf reagieren und ihre Strategien im Anti-Terror-Kampf überdenken.

«Wir können und dürfen nicht so tun, als ob die Dinge so weiterlaufen könnten», sagte May. «Genug ist genug», sagte sie. Sie forderte ein entschlosseneres Vorgehen gegen islamistische Propaganda im Internet und regte härtere Strafen für Terrordelikte an. Es gebe ausserdem «viel zu viel Toleranz für Extremismus in unserem Land».

Die Regierungschefin erklärte weiter, die Unterhauswahlen würden wie geplant am Donnerstag stattfinden. Der von ihren eigenen Konservativen sowie der oppositionellen Labour-Partei unterbrochene Wahlkampf werde schon morgen wieder aufgenommen. Es könne nicht zugelassen werden, dass Gewalt den demokratischen Prozess aufhalte.

Festnahmen

Die Polizei ging am Sonntagmittag davon aus, dass kein Verdächtiger mehr auf der Flucht sei. Die Gegend rund um die Tatorte im Zentrum werde aber noch genau untersucht. Der Sender Sky News berichtete zudem über Polizeieinsätze im Osten Londons. Nach Angaben der Polizei gab es bis zum Nachmittag zwölf Festnahmen.

Die getöteten Angreifer seien noch nicht identifiziert worden, räumte Polizeichefin Cressida Dick ein. Innenministerin Amber Rudd erklärte aber im Sender ITV, bei ihnen handele sich wahrscheinlich um «radikale islamistische Terroristen».

Die Ermittlungen zu ihrem Hintergrund liefen. Die Attacke folgt knapp zwei Wochen auf das Selbstmordattentat in Manchester mit 22 Todesopfern und weckt zudem Erinnerungen an einen islamistisch motivierten Anschlag im März. Dabei tötete ein 52-Jähriger auf der Westminister Bridge mit einem Auto zwei Menschen. Anschliessend erstach er auf dem Parlamentsgelände einen unbewaffneten Polizisten und wurde schliesslich erschossen.

«Lauft und versteckt euch»

Auch Stunden nach der Attacke war der Bereich im Herzen der britischen Hauptstadt noch abgesperrt und wurde von bewaffneten Beamten überwacht. Bahnhöfe blieben geschlossen, keine Züge hielten. Polizeichefin Dick rief die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren.

Während der Angriffe hatten die Behörden die Bürger über Twitter aufgefordert, zu fliehen, sich zu verstecken und die Polizei zu alarmieren, wenn sie in Gefahr gerieten.

Ein Taxifahrer sagte der BBC, der weisse Kleintransporter habe auf der London Bridge zahlreiche Passanten umgefahren. «Dann sind drei Männer mit langen Messern ausgestiegen.»

Sie hätten wahllos auf Menschen eingestochen. Augenzeugen zufolge suchten viele Menschen Schutz in den umliegenden Bars. BBC Radio berichtete, dass die Menschen mit Tischen und Stühlen nach den Angreifern geworfen hätten, um sich zu schützen.

Internationale Bestürzung

Bundespräsidentin Doris Leuthard äusserte sich bestürzt über den Anschlag. In einem Tweet verurteilte Leuthard die Tat «aufs Schärfste». Aussenminister Didier Burkhalter versicherte seinem britischen Amtskollegen Boris Johnson die Solidarität der Schweiz.

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich bestürzt und bekundete Solidarität mit Grossbritannien. «Wir sind heute über alle Grenzen hinweg im Entsetzen und der Trauer vereint, aber genauso in der Entschiedenheit», erklärte Merkel.

Auch die USA und Frankreich verurteilten den Anschlag. «Was auch immer die Vereinigten Staaten tun können, um in London und in Grossbritannien zu helfen, wir werden da sein», schrieb US-Präsident Donald Trump im Onlinedienst Twitter.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, Frankreich stehe angesichts dieser «neuerlichen Tragödie mehr denn je an der Seite des Vereinigten Königreichs». Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte «die Grausamkeit und den Zynismus» der Attentäter.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan sprach von einem «gezielten und feigen Angriff auf unschuldige Londoner und Besucher unserer Stadt, die ihren Samstagabend genossen». Es gebe keine Rechtfertigung für derartig «barbarische Taten». (sda/reu/dpa/afp)

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