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Ein Berner schiesst mit einer Drohne Fotos des AKW Mühleberg. Nie im Leben hätte er gedacht, was er damit auslöst

Das AKW Mühleberg will Luftaufnahmen des Atomkraftwerks verhindern.Bild: energisch.ch
Luftaufnahmen von AKW unerwünscht

Ein Berner schiesst mit einer Drohne Fotos des AKW Mühleberg. Nie im Leben hätte er gedacht, was er damit auslöst

15.05.2014, 15:2623.06.2014, 17:03
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Am Sonntag geht’s für die Betreiberin des Atomkraftwerks Mühleberg um die Wurst. Die Berner entscheiden an der Urne, ob sie das AKW der BKW Energie AG sofort und nicht erst 2019 abschalten wollen. Mühleberg-Gegner machen seit Jahren auf mögliche Sicherheitsmängel am drittältesten Atomkraftwerk der Schweiz aufmerksam – neuerdings auch mit Drohnenaufnahmen. 

Mühleberg liegt quasi vor den Toren der Hauptstadt

Drohnenaufnahme des Kernkraftwerks Mühleberg an der Aare bei Bern. Im Hintergrund der Wohlensee.
Drohnenaufnahme des Kernkraftwerks Mühleberg an der Aare bei Bern. Im Hintergrund der Wohlensee.Bild: energisch.ch

Um potenzielle Risiken des Atomkraftwerks und dessen Nähe zum Wohlensee und der Stadt Bern zu illustrieren, liess Mühleberg-Kritiker Markus Kühni am 17. März eine Drohne steigen. «Fotos der Anlage und der Umgebung erzeugen eine bessere Wirkung als 3D-Modelle», sagt Kühni. Ein von ihm engagierter Drohnenpilot schritt zur Tat und schoss mehrere Fotos und Videos aus der Vogelperspektive. Die Aufnahmen sind laut Kühni für den AKW-kritischen Blog energisch.ch und die «Mühleberg-vom-Netz»-Abstimmung gedacht. 

Markus Kühni verwendet Luftaufnahmen für die Anti-Mühleberg-Kampagne.
Markus Kühni verwendet Luftaufnahmen für die Anti-Mühleberg-Kampagne.Bild: energisch.ch

Drohnenflug hat Nachspiel

«Der Drohnenpilot wurde auf dem Rückweg von einem Polizisten der Kantonspolizei Bern und einem BKW-Angestellten angehalten», sagt Kühni. Der Fotograf, der die Drohne steuerte, musste die Aufnahmen vor Ort zeigen. Diese wurden zunächst als nicht sicherheitsrelevant eingestuft. Der Fotograf durfte die Fotos und Videos behalten, jedoch nicht veröffentlichen. Die BKW Energie AG wollte die Sache genauer abklären.

Drei Tage später flatterte bei Kühni die Antwort der BKW per Einschreiben ins Haus: «Nach vertiefter Prüfung der Rechtslage müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir die mit einer ferngesteuerten Drohne erstellten Luftaufnahmen des Kernkraftwerks Mühleberg nicht freigeben können.» Es sei grundsätzlich nur Mitarbeitern des Kraftwerks gestattet, innerhalb der Sicherungszone der Kernanlage Foto- oder Filmaufnahmen zu erstellen. 

Laut BKW hätte Kühni für die Luftaufnahmen eine Bewilligung gebraucht. Diese wäre allerdings nicht erteilt worden, da seine Luftaufnahmen nicht betriebsnotwendig seien. Auch allgemeine Datenschutzbedenken werden angeführt. «Daher müssen wir Sie auffordern, von jeglicher Verwendung, Publikation oder Weitergabe der erstellten Flugaufnahmen abzusehen und die betreffenden Aufnahmen und Filmausschnitte zu vernichten», heisst es im Schreiben der BKW, das auf energisch.ch veröffentlicht ist. Das Seltsame daran: Im Internet finden sich zahlreiche Fotos, die das Kernkraftwerk von allen Seiten zeigen. 

Pressebilder zeigen das AKW Mühleberg aus der Vogelperspektive.
Pressebilder zeigen das AKW Mühleberg aus der Vogelperspektive.Bild: KEYSTONE

Die Kantonspolizei Bern bestätigt auf Anfrage, dass es an jenem Tag «beim AKW Mühleberg zu einer Kontrolle im Zusammenhang mit einer Drohne gekommen ist.» Und weiter: «Der Flug selber unterlag aktuellen Erkenntnissen zufolge keiner Bewilligungspflicht.» Der Einsatzpolizist vor Ort hatte beim zuständigen Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) nachgefragt, ob der Flug genehmigungspflichtig ist. Das BAZL bestätigt watson die Anfrage des Polizisten und schreibt: «Es war klar, dass diese Drohne keine Bewilligung benötigt.» Für die Genehmigung der Luftaufnahmen selbst sei man indes nicht zuständig. 

Die Luftaufnahmen landen im Netz

Am 1. Mai veröffentlichte Kühni auf seinem Blog energisch.ch ein Video und zwei Luftaufnahmen des Drohnenflugs. Seinen zivilen Ungehorsam begründet er wie folgt: «Ich gebe zu, dass es schwierig ist, sich nicht einschüchtern zu lassen. Aber ich habe zum Glück meinen Berner Schädel. Es geht mir um die Meinungs- und Medienfreiheit.» 

Drohnenflug über dem AKW Mühleberg

Fotos des Atomkraftwerks Mühleberg gibt es allerdings zuhauf. Warum also lässt der Anti-AKW-Aktivist selbst eine Drohne steigen? 

Die eigenen Fotos des AKW habe er aus urheberrechtlichen Gründen erstellt, da er auf seinem Blog keine geschützten Pressefotos verwenden dürfe. «Auf den Drohnenbildern ist nichts zu sehen, was nicht auch aus einem Flugzeug, Helikopter oder von den umliegenden Hügeln fotografiert werden könnte», sagt Kühni. Kommt hinzu: Auf Fotos in Zeitungen, im Internet oder auf Google Maps lässt sich das Kraftwerk problemlos aus mehreren Blickwinkeln inspizieren. 

«Wird kurz vor der Abstimmung über die Initiative ‹Mühleberg vom Netz› mit Kanonen auf Spatzen geschossen?»

«Die BKW hat nie etwas gegen diese Aufnahmen unternommen», sagt Kühni. Es stellt sich daher die Frage, was die BKW mit dem Veröffentlichungsverbot bezweckt. Wird kurz vor der Abstimmung über die Initiative «Mühleberg vom Netz» mit Kanonen auf Spatzen respektive aufmüpfige Blogger geschossen? 

Auf dies lässt zumindest ein Rechtsgutachten schliessen, das Kühni in Auftrag gegeben hat und watson vorliegt. Darin steht: «Die Bilder müssten den Betrieb des AKW ernsthaft gefährden oder in anderer Weise die juristische Persönlichkeit der BKW Energie AG massiv beeinträchtigen.» Da Kühni auf seinem Blog mit den Bildern nachweisen wolle, dass das AKW unsicher sei, könne er sich «auf den Rechtfertigungsgrund des öffentlichen Interesses berufen.» 

Sind die Drohnenaufnahmen legal?

Die rechtliche Situation scheint unklar. Ein Gericht müsste entscheiden, ob die Interessen der BKW «zu einer umfassenden Sicherung des AKW gegenüber unbefugten Einwirkungen durch Dritte» oder das öffentliche Interesse überwiegen. Kommt es zu einem Strafverfahren, sind Kühnis Chancen intakt: «Ich gehe davon aus, dass das öffentliche Interesse überwiegt, insbesondere in Bezug auf den Datenschutz», sagt der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger. 

Die BKW äusserst sich kurz vor der Abstimmung über die Zukunft von Mühleberg nicht weiter zum Drohnenflug und verweist auf ihre Begründung des Publikationsverbots in den Briefen an Markus Kühni. Die Korrespondenz hat der AKW-Gegner ebenfalls im Internet veröffentlicht

Die Mühleberg-Betreiberin könnte gegen Blogger Kühni wie gegen einen Journalisten vorgehen und auf Unterlassung und Schadenersatz klagen oder vor Gericht per superprovisorischer Massnahme ein Verbot der Veröffentlichung erwirken. Zumindest bis zur Abstimmung am Sonntag hält sich die BKW offenbar zurück: «Gegenwärtig verzichten wir auf weitere Massnahmen», teilt der Energiekonzern mit. 

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18 Kommentare
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Nick Lachen
15.05.2014 16:30registriert Februar 2014
Stellt das Ding endlich ab.
2210
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18
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