Die Bürger von Bürglen sind wütend. Der Bischof will, dass Pfarrer Wendelin Bucheli abdankt, weil er ein lesbisches Paar gesegnet hat. Für die Bürgler war das in Ordnung, oder einfach ziemlich egal. Denn was Pfarrer Bucheli tut, finden alle gut. Schliesslich hält er mit Erfolg das Dorf zusammen, hat Zugang zu den Teenagern und leistet gute Seelsorgearbeit, so die einhellige Meinung.
Jetzt aber ist in der katholischen Kirche Feuer im Dach, Bürglen in den Schlagzeilen, und was den Bischof betrifft, die Nächstenliebe der Dorfbewohner am Ende.
Die 4000-Seelengemeinde ist belebt, pünktlich zum Kinderumzug an diesem Mittwoch hat sich der Nebel aus dem Dorf verzogen, durch die gesprossten Fenster des Adlers, der Stammbeiz vieler Bürgler, scheint die Sonne. «Hier gibt’s momentan kein anderes Thema», sagt Gilberte Brunner. Sie verkehrt oft im Gasthof, wo nicht nur Spaghetti, sondern auch die Bürgler Seelen kochen. «Der Bischof macht sich lächerlich», sagt Brunner. «Er ist derjenige, der abdanken soll!»
Brunner steht, «wie alle hier», hinter dem Pfarrer. «Jetzt rücken wir zusammen», sagt die 48-Jährige bestimmt. «Notfalls gehen wir auf die Strasse.»
Bürglens Ansage ist nicht nur am Stammtisch, sondern auch im Netz eindeutig: Mehrere tausend Leute haben die Internet-Petition «Bischof Vitus Huonder: Pfarrer Bucheli muss in Bürglen bleiben» schon unterschrieben. «Auch auf Facebook diskutieren alle darüber», sagt S. M.*, 22-jährig, geboren und aufgewachsen im Dorf. Auch sie hält die Kritik des Bischofs für daneben. «Wir leben doch im 21. Jahrhundert!», sagt sie.
Gleich neben dem Adler steht das geschindelte Pfarrhaus, doch der Pfarrer ist nicht da. «Herr Bucheli braucht Ruhe, er ist nicht zu sprechen», teilt sein Mitbewohner, Seelsorger René Deiss, mit. Dann weicht seine ernste Miene einem verschmitzten Lächeln. «Ich habe ihn weggebracht, an einen sicheren Ort». Dutzende, nein, fast hunderte Medienanfragen seien gestellt worden, davor müsse Bucheli geschützt werden. «Ich schaue gut auf ihn», sagt Deiss, und verschwindet zackig wieder im Pfarrhaus.
Der Running Gag unter Buchelis Entourage: «Achtung! Ich bin von der Presse.»
Nur Peter Vorwerk, von der Kirchgemeinde speziell für den Medienrummel ernannte Sprecher, gibt Auskunft. Der Mann mit dem beeindruckenden Schnauz erzählt in aller Seelenruhe die Geschichte, die er schon dutzende Male erzählt hat. Vorwerk: «Am Anfang war die Bitte des lesbischen Paars um den priesterlichen Segen». Bucheli habe das zunächst mit sich ausgemacht, dann den Kirchen- und Gemeinderat gefragt, und schliesslich, mit breiter Unterstützung seiner Mitarbeiter, die beiden Frauen gesegnet.
Autos und Häuser segne man schliesslich gelegentlich auch, warum also nicht die Liebe zweier Menschen zueinander, hatte Bucheli Anfang Woche seinen damaligen Entscheid begründet. Mit dieser Liebe hatte das Bistum aber so seine Probleme, und als letzte Woche ein Gespräch mit Bucheli stattfand, knallte man dem Pfarrer die Versetzung vor die Nase, unangekündigt.
Er wisse nicht, ob die Partnerschaft, oder aber die beiden Frauen als Personen gesegnet worden seien, sagt Vorwerk, Vize-Präsident des Kirchenrats. Das wolle das Bistum nun wohl abklären. «Aber ich bin kein Kirchenrechtler, ich entscheide mit dem Herzen. Wenn jemand das Bedürfnis nach einem Segen hat, soll er ihn kriegen.»
Und damit sei jetzt genug gesagt.
In seiner letzten Stellungnahme verkündete Bucheli, er habe nicht vor zu Demissionieren. Der Kirchenrat will nun das Gespräch mit dem Bistum suchen.
*Name der Redaktion bekannt