«Luftverkehr ist Emotion!» Mit diesen Worten eröffnet Swiss-CEO Harry Hohmeister am Montag eine Medienkonferenz, bei der das Unternehmen seine neue Strategie präsentieren will. Treffender könnte Hohmeister die aktuelle Lage nicht beschreiben, denn die Emotionen kochen derzeit hoch – vor allem wenn es um die Beziehung zwischen der Unternehmensspitze und den Langstreckenpiloten geht.
Grund dafür ist ein langer Streit, bei dem es um Vertragsbedingungen geht. Wenn es nach Hohmeister ginge, würden Langstrecken- und Kurzstreckenpiloten in Zukunft unter demselben Gesamtarbeitsvertrag (GAV) arbeiten. Die Langstreckenpiloten müssten dadurch Einbussen in Kauf nehmen, während die Kurzstreckenpiloten profitieren würden. Doch daraus wurde nichts: Aeropers, der Verband der Langstreckenpiloten, lehnte den neuen gemeinsamen GAV Mitte April ab.
Als Reaktion beschloss die Swiss, dass die neuen Langstreckenmaschinen Boeing 777 von den Kurzstreckenpiloten geflogen werden. Das fasste die Aeropers wiederum als Affront auf. Im Juli 2014 kam es dann erneut zu Gesprächen zwischen Pilotenverband und Swiss-Leitung. Wegen «unüberbrückbarer Differenzen» kündigte die Swiss daraufhin den Gesamtarbeitsvertrag mit der Aeropers auf, worauf die Piloten die Fluggesellschaft wegen Vertragsbruchs verklagten.
Letzte Woche kam es erneut zu einem Aufreger: Bevor Hohmeister die neue Strategie am Montag vor den Medien präsentierte, hatte er seinen Mitarbeitern in einem kurzen Video die Kernpunkte der neuen Strategie aufgezeigt. In dem Film ist die Rede von «motivierten Mitarbeitern» und einer «verbesserten Kostenstruktur und Effizienz» – Worte, die die Piloten sauer machten.
Trotz der Streitigkeiten zeigt sich Hohmeister im Gespräch mit watson optimistisch: Mit einem Grossteil der Belegschaft sei es gerade erst zu neuen Vertragsabschlüssen gekommen. Und auch bei den Langstreckenpiloten wolle man Lösungsbereitschaft zeigen.
Zu den Vorwürfen, das Unternehmen würde bei den Piloten sparen, sagt Hohmeister: «Bei allen europäischen Airlines müssen sich die Piloten strukturellen Veränderungen stellen. Mit unseren Vorschlägen liegen wir immer noch weit über den Mindeststandards.» Unterm Strich würden Piloten bei der Swiss noch immer sehr gut bezahlt.
«Ich will nicht in die Situation kommen, Leute entlassen zu müssen, und das ist uns bisher gelungen. Wir haben alle an Bord gelassen. Da können wir schon erwarten, dass alle ein bisschen mehr anpacken.» Dass das Vertrauen der Piloten auf Probe gestellt würde, sei ein Trend bei vielen europäischen Fluglinien. Im Vergleich zu anderen Unternehmen habe er aber keine Massenentlassungen aussprechen müssen.
Tobias Mattle, Sprecher der Pilotengewerkschaft Aeropers, stört sich an der Wortwahl Hohmeisters: «Wir waren und sind zu weitgehenden Eingeständnissen bereit.» Die Einsparungen, die die Aeropers der Swiss angeboten hat, seien deutlich über den Zugeständnissen gewesen, die andere Personalgruppen oder das Management zu leisten bereit waren.
Den Piloten gehe es im Streit auch nicht primär um die Vertragsbedingungen. «Wir wollen das dort, wo Swiss drauf steht, auch Swiss drin ist», sagt Mattle. «Hohmeister will den Markenschutz rausstreichen, weil er danach die Möglichkeit hat, auf jedes Flugzeug ‹Swiss› drauf zu schreiben, auch jene, die von billigem ausländischen Personal geflogen werden».